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Naturschutz Kritik an geplantem Bodewerk

Schon seit mehreren Jahren treibt die Gröninger Bürger der Plan zur Errichtung einer Wasserkraftanlage in der Bode um.

Von Sebastian Pötzsch 19.03.2019, 12:34

Gröningen l Dafür soll das alte Wehr fallen und ein neues gebaut werden. Nun wurde der Angelverein Oschersleben (AVO) vom Landesverwaltungsamt gebeten, als Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme abzugeben.

Laut aktuellen Informationen aus dem Landesverwaltungsamt plant ein Unternehmen für industriellen Stahl- und Maschinenbau aus dem schwäbischen Günzburg die „Errichtung und den Betrieb einer Wasserkraftanlage in Gröningen an der Bode“. Die prognostizierte mittlere Energiemenge, die durch die neue Anlage erzeugt werden kann, wird mit rund 620 000 Kilowattstunden pro Jahr angegeben. Zum Vergleich: Eine moderne Windkraftanlage erzeugt eine vier- bis elffache Menge an Strom. Bestandteil des Vorhabens ist auch der Abriss des bestehenden Wehres und der Bau eines neuen etwa zehn Meter flussab. Ferner sollen ein Fischabstiegskanal sowie eine Fischaufstiegsanlage entstehen.

Die Sprecherin des Landesverwaltungsamtes (LVA), Denise Vopel, verweist nach einer Anfrage der Volksstimme auf das Amtsblatt ihrer Behörde vom März. Darin heißt es, dass für dieses Projekt keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Das Vorhaben könne keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen haben. So würden die künftige Wasserkraftanlage und die damit verbundenen Bautätigkeiten „nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des Schutzgutes Mensch beitragen“.

Im Ergebnis von Untersuchungen sei zudem festgestellt worden, „dass durch die Errichtung und den Betrieb der Wasserkraftanlage keine erheblich nachteiligen Auswirkungen für Tiere“ wie Aal, Bachneunauge, Insekten, Biber, Fischotter, Fledermaus, Gartenrotschwanz, Eisvogel sowie Amphibien „hervorgerufen werden können“. Ferner könne eine Verschlechterung von Lebensräumen nach Naturschutz-Richtlinien der Europäischen Union „aufgrund des Eingriffs in einem durch das vorhandene Wehr stark vorbelasteten Bereich ausgeschlossen werden.“

Das sieht Heimo Reilein vom AVO völlig anders. „Wir haben zwar unsere erste Beteiligung als anerkannter Naturschutzverein“, erklärt der Gewässerwart des Vereins freudig gegenüber der Volksstimme. Jedoch betont er auch: „Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den ökologischen Wahnsinn in einem europäischen Natur- und Landschaftsschutzgebiet zu verhindern.“ So wirkten sich solche Anlagen wie das geplante Wasserkraftwerk „gravierend auf Fischbestände und andere aquate Lebensformen aus. Diese werden nämlich kaputtgehäckselt.“

Wie zum Beweis legt Reilein zahlreiche Fotos vor, die etliche tote Aale zeigen. „Das war das Ergebnis einer einzigen Nacht an der Lahn im Bundesland Hessen während der Abwanderung in Richtung Meer. Wenn wir das deutschlandweit auf die Zeit der Wanderungen hochrechnen, wird wohl kaum ein Aal die Sargassosee erreichen, um sich dort einmalig fortzupflanzen“, sagt Reilein und fügt hinzu: „Wer hier noch von Ökostrom spricht, dem ist wohl jeglicher Realitätssinn abhandengekommen.“

Der Verbau der Flüsse mit Wehren und Wasserkraftanlagen sei eines der Hauptprobleme für den schlechten Zustand der Gewässer, den der WWF dem Land Sachsen-Anhalt in seiner Studie jüngst bescheinigt habe. So fordert der Umweltschützer: „Es dürfen keine neuen Anlagen zugelassen werden und die alten dürfen keine Verlängerungen der Betriebserlaubnis erhalten.“ Ferner widerspreche das geplante Projekt dem Umweltrecht wie beispielsweise der Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union.

Ein gewisser Wasserstand sei an dieser Stelle zwar wichtig, vor allem für die Fundamente von Bauwerken in der Nähe. Doch dafür reichten sogenannte Sohlgleiten, also unter dem Wasserspiegel quer zur Strömung liegende Betonschwellen, Holzbalken oder Pfahlreihen, völlig aus. Und noch einen Vorteil sieht Reilein in den Sohlgleiten: „Im Gegensatz zu Fischaufstiegshilfen werden Sohlgleiten von Fischen besser akzeptiert. Deshalb sollte das aus unserer Sicht die Vorzugslösung sein, schon deshalb, weil die Fachplanung des Landes eine Umsetzung des Wasserrahmenrichtlinie an der Bode fordert.“

Tatsächlich ist im Gewässerentwicklungskonzept „Obere Bode“ des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft Sachsen-Anhalt auch das Wehr Gröningen verzeichnet. Hier heißt es, dass ein Umbau nur ökologisch erfolgen dürfe. Das wäre laut Reilein eben eine Sohlgleite, sofern der Wasserstand zwingend erhalten bleiben muss.

Außerdem führt Reilein das Gewässerentwicklungskonzept (GEK) „Untere Bode“ an. Auf Seite 128 heißt es unter der Überschrift „Bewertung im Rahmen der GEK-Bearbeitung“: „In Anbetracht der hier getätigten Aussagen steht eine Erweiterung von Stauräumen durch Wehrrekonstruktionen oder Wasserkraftanlagen-Neubauten konträr zu den Zielen des GEK beziehungsweise zu den Rechtsvorgaben und sollten daher dringend überdacht werden, da sie die Zustände weiter verschärfen.“ „Man muss fragen, warum solche Konzepte erarbeitet und mit Steuergeldern bezahlt werden, wenn sich im Nachhinein nicht daran gehalten wird“, moniert der Umweltschützer.

Ferner stellt Reilein auch den Bau der geplanten Wasserkraftanlage zur Stromerzeugung an sich in Frage. So sei die Leistung aller bisher in Betrieb befindlichen Wasserkraftanlagen in Sachsen-Anhalt vergleichbar mit dem Stromertrag aus drei bis vier Windrädern. „Das bezieht sich allerdings auf ein Jahr mit normalem Niederschlag. Eine Trockenheit wie im vergangenen Jahr entspricht natürlich einem viel geringeren Ertrag. Dass dennoch Bauwerke dieser Art genehmigt werden sollen, ist ein politischer Skandal“, befindet Reilein.

Ganz ähnlich sieht das auch der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Westliche Börde. „Es fließt viel zu wenig Wasser in der Bode, um ein Kraftwerk gewinnbringend zu betreiben“, sagt Fabian Stankewitz auf Volksstimme-Nachfrage. Doch macht sich der Rathauschef auch Sorgen um den Wassertourismus, der gerade in den vergangenen Jahren stetig zugenommen habe. Bis zu 10 000 Freizeittouristen ziehe der Abschnitt der Bode bei Gröningen jedes Jahr an. Der Neubau eines für Paddelboote unüberwindbaren Wehres sieht er daher kritisch.

Auch Hans-Peter Lemgau kann mit den Plänen zur Wasserkraftanlage nur wenig anfangen. Er betreibt den einzigen Campingplatz an der Bode überhaupt und freut sich über die Jahr für Jahr steigenden Zahlen an Wassertouristen. Eigenen Angaben zufolge chartern bei ihm mehrere tausend Flussliebhaber seine Paddelboote, um die Bode auf dem Wasser zu erkunden. Seiner Meinung nach widerspricht ein Wehr an der Bode den FFH-Richtlinien zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen. „Diese Bauwerke sollten eigentlich zurück- statt neugebaut werden“, sagt er. Dennoch sieht er eine Chance, dass die einen Interessen mit anderen Interessen zusammengebracht werden könnten. So schlägt Lemgau die Errichtung einer Bootsrutsche vor. „Die kann von Fischen und Touristen gleichermaßen genutzt werden und wäre nicht mit zusätzlichen Unterhaltskosten verbunden“, sagt der Unternehmer.

Für Heimo Reilein hat indes der Kampf gerade erst begonnen. Er nennt mehrere Beispiele in Deutschland, bei denen Konflikte zwischen Wasserkraft und Umwelt immer wieder hochkochen. So würden tausende Fische von Wasserkraftanlagen zerhäckselt, so am Neckar bei Stuttgart oder wie jüngst an der Havel bei Havelberg. „Deswegen wollen wir uns dafür einsetzen, das keine weitere Wasserkraftanlage die Bode verbaut“, gibt sich Reilein kämpferisch.