"Northern Winds" geraten zum Sturm
Harbke ist in dieser Woche einmal mehr Schauplatz des Könnens junger Musiker aus Übersee gewesen. Die Begeisterung war enorm.
Harbke l Auch das nun bereits fünfte Gastspiel von "Blue Lake" in Harbke haben wieder Sabine Zimmermann und Annette Borchers organisiert. Die beiden Routiniers wissen: "Seit der Gründung dieser künstlerischen Sommerschule 1966 haben jährlich rund 5000 Jugendliche die Gelegenheit, im Blue-Lake-Camp im US-Bundesstaat Michigan gemeinsam zu musizieren, Theater zu spielen oder zu tanzen. Zu Blue Lake gehört auch ein viel beachtetes internationales Austauschprogramm für Schüler aus anderen Ländern, und insgesamt ist es das Ziel des Projekts, die Kreativität junger Menschen in den schönen Künsten zu fördern. Durch die Kunst soll außerdem das internationale Verständnis wachsen."
Unter den "Sommerschülern" werden in jeder Periode die besten ausgewählt, um in einem Orchester mitzuwirken, das sich dann im Folgejahr auf eine große Europatour begibt. Nach der gemeinsamen Zeit im Camp treffen sich die Orchestermitglieder viermal, um das Programm einzustudieren. Bevor es auf die große Reise geht, gibt es in den USA noch einige kleine Testläufe.
Baumpflanzung im Schlosspark
Die wahre Feuerprobe aber bestanden die Musiker in Harbke, "denn wir waren diesmal erster Spielort in Europa", stellt Annett Borchers stolz fest und richtet dafür ein "dickes Dankeschön in erster Linie an Tina Schwarz, die uns bei der Organisation sehr geholfen und dabei mit viel Kreativität und Initiative den wichtigen Part der Sponsorensuche übernommen hat."
Es fielen zudem gleich zwei besondere Ereignisse zusammen: "Blue Lake" kann auf sein 50-jähriges Bestehen zurückblicken, und Harbke feiert bekanntlich seinen 975. Ortsgeburtstag. So wurde die Idee geboren, im Schlosspark mit den Musikern einen Baum zu pflanzen. Da in Harbke zu früheren Zeiten Bäume aus Amerika kultiviert und vermehrt wurden, sollte es natürlich ein Baum dieses geographischen Ursprungs sein. Die Wahl fiel auf eine Roteiche (Quercus rubra), die am Montagvormittag vom Orchester, Bürgermeister Werner Müller und Parkgärtner Rudi Michalke im Park gepflanzt wurde.
Der eigentliche Höhepunkt folgte am Nachmittag im wieder einmal proppenvollen Kulturhaus "Neue Heimat": das mit viel Vorfreude ersehnte Konzert. Die fast schon eingefleischten Fans von "Blue Lake" fieberten einem wahren Ohrenschmaus entgegen - und wurden auch in diesem Jahr nicht enttäuscht. Die 60 Musiker im Alter von 12 bis 19 Jahren begeisterten unter Leitung von Cynthia Swan-Eagan und Michael Eagan mit einer Mischung aus amerikanischer Marschmusik, Musical-Melodien, Volksliedern und klassischen Kompositionen.
Überraschende Zwischenspiele
Zum Ende des ersten Konzertteils wurden die sichtlich konsternierten Jugendlichen gebeten, die Bühne zu räumen. Es erklang Musik, und den Harbkern war natürlich sofort klar, welche Überraschung hier geplant war. Niemanden hielt es da auf seinem Platz. Die Funkenmariechen des örtlichen Karnevalsvereins begeisterten mit einer schwungvollen und akrobatischen Probe ihres Könnens.
Der zweite Konzertteil knüpfte musikalisch nahtlos an den ersten an, hielt aber noch eine weitere Überraschung parat. Einige Orchestermusiker nahmen vor der Bühne erwartungsvoll Aufstellung. "Wir möchten besonders talentierten Musikern die Gelegenheit geben, mit uns zu musizieren", war von Michael Eagan zu hören. Mit diesen Worten bat er einige verdutzte Besucher, darunter auch Bürgermeister Werner Müller, nach vorn. Nach einer kurzen Einweisung in die Instrumente - Tröte, Rassel, Nachtigallflöte und Triangel - konnte die gemeinsame Aufführung beginnen. Dabei zeigten die Gastmusiker bei Leopold Mozarts "Spielzeugsymphonie" eine beachtliche musikalische Begabung und wurden mit dem verdienten Applaus belohnt. Musiker und Publikum hatten an dieser besonderen Aufführung sichtlich Spaß - eine wirklich gelungene Einlage des Orchesters.
Nach mehr als zwei Stunden neigte sich das Konzert dem Ende entgegen - nicht ohne eine weitere spezielle Einlage, in der die Jugendlichen zeigten, dass sie nicht nur herausragende Orchestermusiker sind, sondern auch singen können. Bei dem mit glasklaren Stimmen vorgetragenen Spiritual mit Segenswünschen für ihre Gastgeber blieb wohl kein Besucher ungerührt.
Anerkennung für Gasteltern
"Northern Winds" ist der Name des Orchesters, doch was dann in Harbke folgte, war kein Wind, sondern ein Sturm - ein Sturm der Begeisterung. Mit stehenden Ovationen und "Zugabe"-Rufen erklatschte sich das restlos begeisterte Publikum die ersehnte Zugabe.
Abschließend dankten Müller und die Organisatoren den jungen Musikern, ihren Betreuern sowie Nadja Wefer, die auch in diesem Jahr als charmante Dolmetscherin fungierte. "Nicht zu vergessen die Sponsoren, Helfer und ganz besonders die Gasteltern", so Annett Borchers. Einige Gasteltern seien von Anfang an dabei, haben jedesmal einen oder mehrere Schüler oder Betreuer bei sich aufgenommen. "Auch wenn wir vielleicht nicht perfekt Englisch sprechen, waren die Begegnungen doch immer eine Bereicherung", ist Borchers überzeugt und bedauert, dass es "offenbar immer schwerer wird, Gasteltern zu finden". Deshalb gab es für die Familien in diesem feierlichen Rahmen auch ein Diplom als besondere Wertschätzung ihres Engagements. Und ein sechstes Mal werde es wohl trotzdem geben, stellte Borchers bereits in Aussicht.