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Überprüfung Stasi? Eine Frage des Vertrauens

Die Mitglieder des Oschersleber Stadtrates sollen eventuell auf eine mögliche Stasi-Vergangenheit untersucht werden.

Von André Ziegenmeyer 12.01.2020, 00:01

Oschersleben l Die Begründung ist einfach: „Mit der Schaffung der Transparenz hinsichtlich der eigenen politischen Vergangenheit wird eine wichtige Basis für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre gewählten Kommunalpolitiker geschaffen.“ Das steht in einer Beschlussvorlage, die auf der nächsten Sitzung des Rates diskutiert werden soll.

Wie Matthias Steffen von der Verwaltung mitteilt, wäre es nicht die erste Überprüfung dieser Art. Bisher habe es so etwas in jeder Wahlperiode gegeben. Zu den Ergebnissen wollte er sich nicht äußern.

Nach Volksstimme-Informationen konnte bei einigen Ratsmitgliedern allerdings tatsächlich eine Stasi-Tätigkeit nachgewiesen werden. Dies war vor allem in der unmittelbaren Nachwendezeit der Fall.

Die Beschlussvorlage für die kommende Sitzung sieht mehrere Varianten vor. Der Stadtrat kann entscheiden, dass alle Mitglieder, die vor 1972 geboren wurden, überprüft werden. Dabei geht es sowohl um eine hauptamtliche als auch eine inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR. Der Rat kann beschließen, dass eine Überprüfung unterbleibt. Oder er spricht sich dafür aus, dass nur die Mitglieder geprüft werden, die dazu ihre Einwilligung geben.

Im Zweifel soll der Vorsitzende des Stadtrates dann ein Ersuchen einreichen - und zwar bei der „Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (BStU).

Um Mitteilungen der BStU zu bewerten, würde eine sogenannte Überprüfungskommission gebildet. Alle Ratsfraktionen wären daran mit je einem Vertreter beteiligt. Wolfgang Nehring als Ratsvorsitzender würde das Gremium leiten. Allerdings würde die Kommission erst zusammentreten, nachdem zunächst ihre Mitglieder überprüft wurden.

Für die Arbeit der Kommission kann es zur Einsichtnahme in Akten und zu Anhörungen kommen. Nach dem Abschluss seiner Tätigkeit soll das Gremium dem Stadtrat Bericht erstatten. So steht es in der Beschlussvorlage.

In den Unterlagen der kommenden Ratssitzung findet sich auch die Geschäftsordnung der Kommission. Darin heißt es: „Erachtet der Ausschuss eine Unterrichtung darüber für geboten, dass ein Mitglied des Stadtrates eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit im Sinne des Stadtratsbeschlusses ausgeübt hatte, so wird die Feststellung unter Angabe der wesentlichen Gründe als Stadtratsdrucksache veröffentlicht. (...) Die Veröffentlichung unterbleibt, wenn die Mitgliedschaft im Stadtrat vor der Verteilung der Stadtratsdrucksache beendet wurde.“

Zur Frage, ob so eine Untersuchung 30 Jahre nach der Wende zeitgemäß ist, gibt es verschiedene Ansichten. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion, Torsten Schubert, erklärt: „Für die Leute, die schon länger im Stadtrat sitzen, ist es vielleicht überholt. Die wurden schon mehrfach überprüft. Es gab in den vergangenen Jahren bereits Mandatsträger, bei denen eine solche Vergangenheit bekannt war, und ich hatte keine Probleme, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Für mich ist wichtig, was derjenige heute macht und wie man miteinander umgehen kann. Das ist allerdings meine persönliche Meinung.“

Etwas anders sieht es Uwe Krause, Fraktionsvorsitzender der AfD: „Wir haben nichts dagegen und finden das eigentlich gut. Auch 30 Jahre danach ist noch einiges im Argen. Für uns macht es Sinn, da noch einmal nachzuhaken.“

Manfred Nörthen als Vorsitzender der Fraktion „Die Linke“ lehnt eine Überprüfung entschieden ab: „Das ist eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Gauk-Behörde. Ich selbst bin schon fünf Mal überprüft worden. So langsam ist Schluss. Dabei kommt nichts heraus. Es gibt Wichtigeres, mit dem sich der Rat beschäftigt.“

Jörg Gildemeister erklärt, dass in der Fraktion „FUWG/FDP“ Themen zwar diskutiert würden. Letztlich müsse aber jeder selbst entscheiden, wofür er stimmt. Er persönlich sehe ein Problem in der fehlenden Konsequenz einer solchen Überprüfung. „Es kann heute keiner mehr für eine Stasi-Mitarbeit belangt werden. Deshalb ist es im Grunde ein Schuss in die Luft.“

Anders sähe es aus, wenn jedes Ratsmitglied im Vorfeld eine Erklärung zu einer möglichen Stasi-Vergangenheit abgebe. Sollte sich dann herausstellen, dass ein Mandatsträger gelogen hat, könne er sein Amt aus moralischen Gründen nicht mehr ausüben. Der Fraktionsvorsitzende der SPD, Olaf Pankow, war gestern nicht zu erreichen.

Die kommende Stadtratssitzung beginnt am Dienstag, 14. Januar, um 17 Uhr. Sie findet im Saal des Rathauses statt.