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Untersuchung Mit der Drohne Kapelle angeschaut

Mitglieder des Kultur- und Heimatvereins Peseckendorf haben per Flugdrohne die kleine Johannes-Kapelle im Ort unter die Lupe genommen.

Von Sebastian Pötzsch 10.08.2019, 01:01

Peseckendorf l Rund um die kleine Kirche in der Ortsmitte von Peseckendorf haben sich eine Handvoll Menschen versammelt. Alle schauen gebannt nach oben. Summend steigt langsam eine weiße Drohne gen Himmel auf. Pilot ist der bekannte Magdeburger Neurobiologe Gerald Wolf. „Das ist nur ein Hobby von mir. Da ich zu Weihnachten immer nur Socken bekam, schenkte ich mir die Drohne selbst“, witzelt der Professor, bevor er sich wieder auf sein Fluggerät konzentriert. Ganz sachte lenkt Gerald Wolf seinen „Copter“ in Richtung des kleinen Türmchens der Johannes-Kapelle. Ziel ist es, Nahaufnahmen von der darin befindlichen Bronzeglocke zu bekommen.

„Wir wollen heute drei Fragen beantworten“, erklärt unterdessen Vereinschef Mario Engelmann und zählt auf: „Wie alt ist diese Glocke und stammt sie tatsächlich von den Glockengießern Borstelmann aus Magdeburg? Dann könnte sie aus dem alten Peseckendorfer Schloss stammen, das im 19. Jahrhundert vollständig abgerissen wurde.“

Im Jahre 1617 nämlich baute Busso von der Asseburg das bereits bestehende Rittergut mit starken Wällen und Gräben zu einem Renaissanceschloss um. Das Bauwerk lag auf vier Hügeln, die noch heute im Schlosspark deutlich auszumachen sind. Doch weil es zuletzt viele Jahre nicht bewohnt war, ließ es der damalige Besitzer Hermann Degener um 1845 abreißen. „Peseckendorf hatte damals keine Kirche, sondern eine Kapelle im Schloss, die natürlich mit dem Abriss ebenfalls verloren ging“, erzählt Mario Engelmann weiter. Außerdem fügt er hinzu: „Unsere kleine Johannes-Kirche ist ungefähr in den Jahren 1840 bis 1850 erbaut worden. Nun nehmen wir an, dass damals Teile der Schlosskapelle Verwendung in der neuen Kirche fanden. Und das wollen wir heute untersuchen.“

Derweil nähert sich die Drohne von Gerald Wolf dem kleinen Türmchen von Sankt Johannes. Doch weil Bäume die Flugbahn versperren, muss der Pilot den Flug abbrechen. „Einfach zu gefährlich“, schätzt er ein. Und die bisher gemachten Aufnahmen sind im Moment nur auf einem kleinen Monitor sichtbar, so dass eine Auswertung der Bilder erst später im Büro möglich sein wird.

Doch haben die Peseckendorfer noch ein Ass im Ärmel. Mitstreiter Henning Eberding wagt sich über eine Leiter auf das schräge Kirchdach und zwängt sich dann in das kleine Türmchen. Mit einer Digitalkamera bewaffnet macht er Fotos aus möglichst vielen Richtungen.

Dann liest Henning Eberding die Innschriften der Bronzeglocke vor. „Heinrich Borstelmann zu Magdeburg me fecit 1591“, ruft er den Versammelten vor der Kirche zu. Damit ist die kleine Sensation perfekt und bei den Mitgliedern des örtlichen Kultur- und Heimatvereins herrscht große Freude. „Dass die Glocke tatsächlich schon so alt ist, hätte ich nicht gedacht“, sagt Mitstreiterin Sylvia Frehde und schüttelt dem Vereinsvorsitzenden die Hand. „Damit liegt die Vermutung nahe, dass die Glocke sowie einige andere Teile der kleinen Kirche aus der Kapelle des einstigen Renaissanceschlosses stammen“, betont Mario Engelmann. Bauherr der Kapelle könnte eben jener Hermann Degener gewesen sein, der just zur selben Zeit sein Schloss aus der Renaissance abreißen ließ.

Auch Drohnenpilot Gerald Wolf ist vom Ergebnis vollauf begeistert. „Das ist hochinteressant. Nun interessiere ich mich auch noch für Geschichte“, freut er sich.

Trotz der positiven Stimmung auf dem Platz vor der Kirche schwingt doch auch etwas Wehmut mit. So ist das Peseckendorfer Kleinod stark gefährdet. Schon seit Jahren nämlich will sich der Kirchenkreis Egeln von der Johannes-Kapelle trennen und am liebsten abreißen lassen. Tatsächlich sind starke Schäden an dem Mauerwerk aus Sandstein zu erkennen.

Doch das wollen die Peseckendorfer nicht hinnehmen und hoffen auch aufgrund der neuesten Untersuchungsergebnisse auf Einsicht bei der Evangelischen Kirche. Bereits vor zehn Jahren hatte sich der Kultur- und Heimatverein gegründet, um den Abrissplänen etwas entgegenzusetzen. Anlässlich des Geburtstags laden die Mitglieder im Rahmen des Tages des offenen Denkmals für Sonntag, 8. September, zu einer Feier ein. Laut Mario Engelmann soll es eine Führung durch Ort und Kirche geben. Auch mehrere Filme werden zu sehen sein.