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Kinderheim Wie sich Personalengpässe auf das „Waldhaus“ in Altbrandsleben auswirken

Seit 80 Jahren bietet das Kinderheim in Altbrandsleben Minderjährigen ein neues Zuhause. Wie das gefeiert wird und vor welchen Herausforderungen die Einrichtung aktuell steht.

Von Jan Dahms 07.01.2024, 19:45
Das Kinderheim Waldhaus in Altbrandsleben  will im Sommer einige Veranstaltungen durchführen.
Das Kinderheim Waldhaus in Altbrandsleben will im Sommer einige Veranstaltungen durchführen. Foto: Jan Dahms

Altbrandsleben - Auf einem Gelände zwischen Oschersleben und Altbrandsleben werden nun schon seit 80 Jahren Kinder und Jugendliche betreut. Vor genau 20 Jahren hatte das „Trägerwerk Soziale Dienste“ den Betrieb vom „Waldhaus“ übernommen.

Die Geschichte reicht viel aber weiter zurück, nämlich bis ins Jahr 1919. Erbaut nach dem ersten Weltkrieg diente es zunächst als Erholungsheim für an Tuberkulose erkrankte Menschen, bis im Jahr 1944 Kriegswaisen aufgenommen wurden. Seither diente das Anwesen als Kinderheim.

Das Bestehen der Einrichtung soll im Jubiläumsjahr gefeiert werden, kündigt die Einrichtung an. „Es wird am letzten Juniwochenende eine Festveranstaltung geben“, sagt Einrichtungsleiter Volker Bauer. So soll es neben Sport und Spielen auch ein Besuch von den anderen Einrichtungen des Trägers geben. Sowohl die Verkehrswacht als auch die örtliche Feuerwehr solle demnach die Möglichkeit bekommen, sich vor Ort zu präsentieren und ihre Arbeit den Kindern nahe zu bringen. „Oberstes Ziel ist es, dass die Kinder Spaß haben und es ein schönes Wochenende mit Spiel und Spaß wird“, fasst Bauer zusammen. Seit mittlerweile 20 Jahren ist der 62-Jährige vor Ort in der Sozialpädagogisch-therapeutische Kinder- und Jugendeinrichtung in Altbrandsleben tätig.

Hoher Förderbedarf der Kinder und Jugendlichen nötig

Nach eigenen Abgaben wohnen dort derzeit 19 Kinder ab 6 Jahren auf dem Gelände. Sie werden von einem 25-köpfigen Team umsorgt. Neben Jugendbetreuern würden auch Ergotherapeuten und Psychologen zählen. „Denn Kinder, die heute in die Jugendhilfe kommen, haben zu 99 Prozent einen therapeutischen Förderbedarf“, erklärt der Einrichtungsleiter. Deshalb sei dieser Bereich recht umfangreich „Das macht uns für die Jugendämter sehr interessant“, so Bauer.

Nach Altersstufen gestaffelt gibt es demnach vor Ort eine Kindergruppe und zwei Jugendwohngruppen. Je nach Einzelfall gebe es zudem die Chance auf eine Betreuung bis etwa zum 22. Lebensjahr. „Wir bieten ihnen die Möglichkeit, vielleicht sogar bis zu einem Einzug in eine eigene Wohnung, hier am Standort zu bleiben“, schildert Volker Bauer.

Doch gerade in der Betreuung hat das Kinderheim schon seit mehren Jahren mit Herausforderungen zu kämpfen. Obwohl die Einrichtung eine Kapazität für 24 Kinder und Jugendliche habe, könnten derzeit nur 19 von ihnen auf dem Gelände leben. „Das ist der Tatsache geschuldet, dass uns aktuell Fachpersonal fehlt“, sagt der Leiter. „Und für mich ist es ganz klar, ich kann nur so viele Kinder aufnehmen, wie ich auch das Personal dazu habe.“ Seit rund fünf Jahren sei es demnach äußerst schwierig, Mitarbeiter für die stationäre Jugendhilfe zu finden. Dafür hat Volker Bauer eine Erklärung: „Wir sind der Bereich, der in drei Schichten auch am Wochenende und am Feiertag arbeitet. Und aufgrund des Fachkräftemangels deutschlandweit überlegt sich jeder, der in dem Bereich eine Ausbildung gemacht hat, ob er wirkliche in die stationäre Jugendhilfe geht oder doch lieber in die Kita.“

Dennoch sei eine Besserung der derzeitigen Situation in Sicht. So seien etwa Maßnahmen der Bundesregierung eingeleitet worden, die Auswirkungen habe. „Das ist natürlich auch die finanzielle Besserstellung der Berufe, ähnlich wie in der Altenhilfe oder die einfachere Möglichkeit zum Quereinstieg in den Beruf“, so Bauer. An anderer Stelle sei in der Einrichtung nach einigen Jahren wieder Normalität eingekehrt. Wie der Leiter mitteilt, können ab diesem Jahr etwa wieder die üblichen acht großen Sportveranstaltungen für die Bewohner geplant und durchgeführt werden. So werde es zusammen mit anderen Einrichtungen des Trägers in der Region beispielsweise Turniere im Dart, Fußball und Tischtennis geben. „Es geht im Wesentlichen darum, den Kindern ein vernünftiges Freizeitangebot zu bieten. Selbstwertgefühl, Selbstbewusstsein und Erfolgserlebnisse sind das, was die Kinder brauchen. Denn die meisten haben bisher wenig davon in ihrem Leben gehabt“, schildert Bauer das Ziel der sportlichen Aktivitäten.

Ausgebremste Aktivitäten durch Corona

Diese mussten die vergangenen Jahre aber auf ein Minimum zurückgefahren werden. „Corona hat uns gewaltig ausgebremst“, fasst er im Rückblick zusammen. Abgesehen davon habe die Pandemie aber wenig Auswirkungen auf die Bewohner gehabt. „Schlimm war es ja für die Kinder, die durch Corona isoliert in der Wohnung festgesetzt waren. Aber hier war das Schöne, dass die Kinder weiter miteinander spielen konnten. Wenn irgendwo ein Coronafall auftrat, dann haben wir die ganze Gruppe in Quarantäne genommen“, sagt Bauer, der sich in dem Zusammenhang für die Unterstützung des zuständigen Gesundheitsamts bedankt. Gleiches gelte auch für die gute Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr und denen, die den Kindern etwa zu Weihnachten mit Geschenken eine Freude machen würden. „Ohne Unterstützung aus dem Ort würde es so nicht funktionieren.“

Nach der Coronazeit richtet sich der Blick des Einrichtungsleiters Bauer erstmals wieder auf ein Jahr ohne Einschränkungen. Neben den Feierlichkeiten zum Jubiläum des Kinderheims und den Sportveranstaltungen stehen jetzt auch wieder sogenannte Ferienfahrten auf dem Programm. „Es wird an die Ostsee gehen und die zweite Gruppe fährt in den Spreewald“, kündigt Volker Bauer an. Zudem stehe im Gebäude der Kinderintensivwohngruppe eine Sanierung des Daches und der Innenräume an. Für die Zukunft hofft der Leiter eine weitere positive Entwicklung des Waldhauses. „Ich wünsche mir, dass der Jugendhilfe weiterhin etwas mehr Beachtung geschenkt wird und dass wir personell wieder ganz schnell zu 100 Prozent besetzt sind“, so Bauer.