Tieranlage Anwalt sieht keine Regressansprüche
Die AfD warnt im Rechtsstreit um die Anlage Wasmerslage vor Regressforderungen. Der von der Kommune beauftragte Anwalt hält dagegen.
Wasmerslage/Osterburg l Nach langwieriger Prüfung genehmigte das Landesverwaltungsamt (LVWA) im März 2019 den Umbau der Schweinehaltungsanlage Wasmerslage von aktuell 10 941 Tierplätzen auf 45 513 Ferkelplätze. Die Einheitsgemeinde, die sich seit Jahren gegen die Investorenpläne wehrt, weil sie unter anderem die Zunahme der Geruchsbeeinträchtigungen und ein erhöhtes Verkehrsaufkommen befürchtet sowie Bedenken beim Hochwasser- bzw. Brandschutz der Anlage hat, reagierte umgehend. Anfang April votierte der Stadtrat bei nur einer Gegenstimme dafür, beim Verwaltungsgericht in Magdeburg gegen die Genehmigung vorzugehen. Der Umbau war damit auf Eis gelegt.
Jörn Göbert, Vorsitzender der Geschäftsführung der LFD-Holding und ihres Tochterunternehmens Mesa Agrar, die den Wasmerslager Standort bewirtschaftet, machte die Tieranlage daraufhin transparenter. Ende Juni stellte Göbert direkt im Standort Lokalpolitikern und Anwohnern die Pläne zur Schweinehaltungsanlage vor. Eine weitere Aktion folgte Mitte August. Auf Initiative der neu in den Stadtrat gewählten AfD und nach Absprache mit San-dra Matzat führte Göbert durch mehrere Ställe. Das Echo auf die per AfD ausgesprochene Einladung an den gesamten Stadtrat fiel verhalten aus, inklusive der beiden AfD-Räte Sandra Matzat und Bernd Riedner nahmen nur Klaus-Peter Gose (CDU-Fraktion) und Thorsten Schulz (WG Land) teil.
Weil Göbert in Verbindung mit dem Umbau Maßnahmen wie den Einsatz moderner und fremdüberwachter Filteranlagen zur Reduzierung der Emissionen zusicherte, sahen die AfD-Politiker schon damals „berechtigte Befürchtungen der Bürger“ entkräftet und kündigten weitere Gespräche mit der LFD-Holding an.
In diesen Tagen legte die AfD-Fraktion auch in der Stadtpolitik nach. Danach soll das Klageverfahren der Kommune gegen den Genehmigungsbescheid zwar fortgesetzt werden. Laut dem AfD-Antrag, der in dieser Woche im Bauausschuss Thema war und am kommenden Dienstag im Hauptausschuss behandelt wird, solle sich die Einheitsgemeinde aber nicht mehr einem sofortigem Vollzug des LVWA-Genehmigungsbescheides in den Weg stellen, den die LFD-Holding per gerichtlichem Eilverfahren erwirken will. Sonst, so die Befürchtung der AfD-Räte, könnten der Kommune schwerwiegende finanzielle Folgen drohen, sollte das Verwaltungsgericht zum Urteil gelangen, dass der Genehmigungsbescheid rechtmäßig sei. Der mögliche Schadensersatz der LFD-Tochter Mesa Agrar wird laut ihem Antrag auf rund 882 000 Euro beziffert, die bereits in den Wasmerslager Standort invesiert seien. Zudem kämen für jeden Monat Bauverzögerung rund 186000 Euro hinzu, die sich aus Pachtzahlungen (Anmieten von drei Fremdställen) und erhöhten Produktionskosten zusammensetzen. Jährlich würde so ein Schaden von mehr als zwei Millionen Euro entstehen. Führe man sich vor Augen, dass Klageverfahren mitunter mehrere Jahre dauern, könnten womöglich Schadensersatzansprüche von 10 oder 20 Millionen Euro im Raum stehen. „Allein die Möglichkeit, für einen solchen Schaden haftbar gemacht werden zu können, sollte ausgeschlossen werden“, heißt es in dem AfD-Antrag.
Für Matthias Albrecht, den von der Kommune beauftragten Fachanwalt für Verwaltungsrecht, ist dagegen nicht ersichtlich, „inwieweit die Hansestadt Osterburg für die Ausübung ihrer Rechtsposition gegenüber dem Landesverwaltungsamt als Genehmigungsbehörde schadensersatzpflichtig gegenüber der Mesa Agrar werden könnte. Diese Haftungsansprüche werden in der Rechtssprechung und auch der hierzu ergangenen wissenschaftlichen Literatur ausgeschlossen.“ Nach Angaben von Albrecht habe das Landesverwaltungsamt im Fall Wasmerslage die in seinem Ermessen liegende sofortige Vollziehbarkeit der Genehmigung verweigert. Im Rahmen des daraufhin von der Mesa Agrar eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens gegen diese Entscheidung des Landesverwaltungsamtes „wurden wir aufgefordert, unseren Standpunkt als beigeladene Stadt klarzustellen, wovon ich für die Hansestadt Osterburg Gebrauch gemacht habe“, äußerte Albrecht. Als „Beigeladene“ habe die Hansestadt auf dieses Verfahren zwischen Mesa Agrar und LVWA „außerordentlich geringen, um nicht zu sagen keinen Einfluss“, betonte der Anwalt. Regressansprüche gegenüber der Einheitsgemeinde seien in diesem Zusammenhang tatsächlich gar nicht zu erwarten, weil ein solcher Regressanspruch gegen die Osterburg als „Beigeladene“ keinesfalls durchsetzbar wäre, fügte er hinzu.
Während der Fachanwalt mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Einheitsgemeinde verneint, zeigte der AfD-Antrag im Bauausschuss durchaus Wirkung. So reagierten Ausschusschef Matthias Lenz (CDU-Fraktion) und Horst Guse (Die Linke) mit „Bauchschmerzen“ auf die Ankündigung von Regressforderungen. Auch andere Politiker reagierten unschlüssig. Anders Reiner Moser (CDU-Fraktion). Der Königsmarker Ortsbürgermeister erinnerte an den Stadtratsbeschluss für die Klage und appellierte dafür, den AfD-Antrag abzulehnen.
Einheitsgemeinde-Bürgermeister Nico Schulz riet ebenfalls dazu, dem AfD-Vorschlag die Zustimmung zu verweigern. „Ich sehe sehr gute Chancen, dass wir mit unserer Klage erfolgreich sein werden. Wir sollten jetzt nicht abweichen, nur weil die AfD Ängste schürt und die Stadträte verunsichert.“ Die Empfehlung aus dem Rathaus, den AfD-Antrag abzulehnen, hätten der Bürgermeister und sämtliche vier Amtsleiter einmütig gefasst, machte Schulz deutlich. Dennoch konnte sich der Ausschuss nicht zu einer Entscheidung durchringen. Die Mitglieder brachten eine neue Runde ins Spiel, unter anderem mit allen Fraktionschefs und dem Anwalt, die sie abwarten wollen. Nico Schulz reagierte verwundert: „Da stellt sich für mich die Frage, ob die betreffenden Räte mehr Vertrauen zur AfD haben als zum Bürgermeister, den vier Amtsleitern und den Anwalt, der sie in diesem Verfahren vertritt“, sagte der Bürgermeister.