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Blühwiese Am "Loch Ness“ summt’s

Auf einer 1,8 Hektar großen Fläche bei Erxleben entsteht blühender Lebensraum für Bienen und andere Insekten.

Von Astrid Mathis 28.05.2020, 22:00

Düsedau/Erxleben l Landwirtin Constanze Thomsen und Imker Rando Hanske wollen bei Erxleben mit Blühwiesenflächen neuen Lebensraum für Bienen und andere Insekten schaffen. Beide kennen sich schon lange, mit Kindern im selben Alter ergab sich die Bekanntschaft von selbst. Seit Hanske sich 2009 der Imkerei verschrieb, wechselte manches Honigglas den Besitzer. Als das Thema Blühwiese im Raum stand, musste keiner von beiden lange überlegen. Dritte im Bunde ist Yvonne Riesmann vom Teeladen „MY Unverpackt“ in Stendal. Dort weist mittlerweile eine Spendenkuh auf das Projekt hin und möchte gefüttert werden.

Zur Grünen Woche in Berlin, immerhin die größte Ernährungsmesse weltweit, stellte Riesmann das Projekt vor und zählte am Ende lediglich drei Euro Spendengeld. Da zeigen sich die Einheimischen großzügiger. In der Bäckerei Herte in Osterburg kommen pro verkauftem Honigglas je 25 Cent der Blühwiese zugute.

Am 1. Juli wird abgerechnet, ein neues Wirtschaftsjahr beginnt. Was bis dahin gespendet wurde, münzt das landwirtschaftliche Unternehmen Thomsen in neuen Lebensraum für Insekten und Schutzräume für Vögel, Rehe und Hasen um. Wer eine Patenschaft übernehmen möchte, kann zwischen Imkerbienen und Wildbienen wählen oder seinen Beitrag zwischen beiden aufteilen. Für je 50 Euro pro 100 Quadrat­meter werden zweijährige Blühwiesenflächen angelegt. Diese entstehen auf Flächen, die ansonsten für Mais- und Getreideanbau genutzt werden. Bis jetzt gibt es Patenschaften für einen halben Hektar. „Wenn der Staat auf die Umsatzsteuer verzichten würde, wäre mehr Blühfläche pro Patenschaft möglich“, gibt Constanze Thomsen zu bedenken, „warum den Staat nicht in die Pflicht nehmen?“

Im Februar stellte sie bei der UN-Dekade Biologische Vielfalt den Antrag für die Teilnahme am Projektwettbewerb, der als Herzstück der Dekade-Aktivitäten in Deutschland gilt. Das landwirtschaftliche Unternehmen möchte seinen Beitrag dazu leisten und verzichtet für die Blühwiesen auf den Anbau vermarktungsfähiger Pflanzen. „Wir sehen uns als Bindeglied zwischen Landwirten und Verbrauchern“, betont Constanze Thomsen. „Durch dieses Miteinander wird es uns gelingen, unsere Flora und Fauna besser zu schützen, und wir können gemeinsam auf den Erfolg blicken.“

Jetzt warten die Kooperations­partner auf das Qualitätssiegel. Ein eigenes Logo wäre der nächste Schritt, der im Juni getan werden könnte, wenn sich die Wettbewerbs-Jury für die Unterstützung der Blühwiesen entscheidet. Neben dem für zwei Jahre vergebenen Titel „Ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“, der bei Weiterentwicklung verlängert werden kann, sowie einem Logo wäre die mediale Aufmerksamkeit ein weiteres Plus, das die UN-Dekade zu bieten hat. Wobei die Werbung für Patenschaften auf Instagram auch schon Früchte trägt.

„Wir gehen in Vorleistung, mit 1,1 Hektar für Imkerbienen und 0,7 Hektar für Wildbienen. Die Patenschaften sollen helfen, die entstandenen Unkosten zu decken“, erklärt Constan­ze Thomsen. Im August 2019 brachte ihr Mann Jochen zur Stickstoffanreicherung die aus Klee, Hülsenfrüchten, Gräsern und Ackersenf bestehende Zwischenfrucht in die Erde, die dem Humusaufbau und der Lockerung des Bodens dient. Vor wenigen Wochen untergemulcht, drillte der Landwirt zuletzt Blühwiesensaat ein. Von der Firma Altmarksaaten mit Hauptsitz in Stendal, die 1992 aus dem VEB Saat- und Pflanzgut Magdeburg hervorging und mit ihren 20 Mitarbeitern auf eine lange heimische Tradition zurückblickt. Mit diesem Einkauf, und das ist ein wichtiges Kriterium für die UN-Dekade, werden nach dem Motto „Aus der Region für die Region“ regionale Arbeitsplätze gesichert.

30 verschiedene Pflanzen, darunter Kornblume, Sonnenblume, Salbei, Fenchel und Klee, sollen neben Bienen auch Schmetterlinge, Hummeln und andere Insekten anlocken. Außerdem kann das Niederwild die Blühwiesen als Äsungsfläche nutzen. Die dauerhafte Begrünung hat noch einen schönen Nebeneffekt: Sie hilft gegen Wasser- und Wind­erosion.

Von Rando Hanskes zehn Bienenvölkern befinden sich sechs auf halber Strecke zwischen Erxleben und Düsedau. Für Constanze Thomsen ist das der „Teichacker“, für Rando Hanske „Loch Ness“. Direkt daneben ist die größere 1,1 Hektar messende Blühwiese angelegt. Die Bienenvölker sollen kurze Wege haben. Zwischen Erxleben und Ziegenhagen, auf dem sogenannten Bullenberg, entsteht außerdem eine Wiese für Wildbienen, von denen laut BUND mehr als 30 Arten vom Aussterben bedroht sind.

„Ich sehe, dass wir als Landwirte Brücken bauen können“, so Constanze Thomsen, „aber die Wiese kann nur leben, wenn die Bevölkerung mitmacht.“ Sie selbst belässt es nicht bei der Planung des Projektes. Die Düsedauerin geht bei dem Erxlebener Rando Hanske in die Lehre. Mit neuer Imkerjacke ausstaffiert, machte sie am vergangenen Wochenende Schwarmkontrolle. Wabe für Wabe prüfte das Blühwiesen-Team, ob Weiselzellen zu finden sind. So nennt man die von den Honigbienen auf Waben gebauten besonderen Zellen, die den Zweck haben, darin eine Bienenkönigin aufzuziehen. Außerdem suchte das Team die grün markierte Königin, die an Tagen wie diesen 2000 Eier täglich legt. Höchstens fünf Jahre werde eine Königin alt. Einmal begattet, reiche das für ein ganzes Leben, erzählt er auch Schulklassen. Und sie entscheidet, ob der Nachwuchs männlich oder weiblich wird. Neue Königin, neues Volk. Nebenbei versorgt Rando Hanske die Bienenvölker seines Schwagers aus Düsseldorf. Nach dem Raps sind bei den Bienen Kastanie, Robinie, Linde und Gartenblüten gefragt. „Als wir den ersten Honig geschleudert haben, habe ich mich gefühlt wie Balu, der Bär, weil ich so viel genascht habe“, gab Constanze Thomsen zu. Obstblüte schmecke einfach zu gut.

„Unser Ziel ist es, nächstes Jahr Fläche dazuzunehmen“, schaut die Landwirtin voraus. „Im zweiten Jahr blüht die Wiese früher, und die Bienen gehen zu unterschiedlichen Zeitabschnitten auf Nektarsuche. Landwirte und Bevölkerung können so etwas bewegen und gemeinsam für den Insektenschutz tun.“ Und am Ende des Tages fühlt man sich wie Balu, der Bär.

 

Pate werden unter: www.bluehwiesen-landwirt.de