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Gartenverein Grüne Scholle zum Schnuppern

Aus der Not der gekündigten Tafelgärten machen die „Aufbau“-Gärtner eine Tugend. Wer keine Scholle hat, kann sich dort ausprobieren.

Von Nico Maß 11.05.2020, 01:01

Osterburg l Birgit Brüggemann wurde von der Nachricht kalt erwischt. Anfang Mai erfuhr die Chefin des Osterburger Kleingartenvereins „Aufbau“, dass in den zehn Tafelgärten ihrer Anlage in diesem Jahr kein Obst und Gemüse für die Tafel des Landkreises angebaut wird. Die Betreiberin, die zum Institut für berufliche Bildung (IBB) gehörende „Akademie facultas“ habe abgesagt, „weil das Jobcenter als Kostenträger dieser AGH-Maßnahme (Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung) wegen Corona hohe Sicherheitsauflagen für die dort beschäftigten Frauen und Männer gestellt hat, die das IBB wohl nicht erfüllen konnte“, sagt Brüggemann. So richtig nachvollziehen kann sie diese Entscheidung nicht, „angesichts der zehn Tafelparzellen mit ihren 4115 Quadratmetern hätte ja jeder Beschäftigte einen Garten nehmen können. Und Desinfektionsmittel wären auch vorhanden.“

Trotzdem hat die Vereinschefin schnell einen „Plan B“ entwickelt, um die zehn Gärten nicht verwildern zu lassen. Vereinsmitglieder können sich dort kostenlos zusätzliche Flächen sichern, wenn sie noch Platz, beispielsweise für den Anbau von Kartoffeln, benötigen, kündigt Brüggemann an. Aber sie hat noch eine ganz andere Gruppe im Blick: „Wer mal ein bisschen gärtnern möchte und noch nicht selbst über eine eigene Scholle verfügt, darf sich gern bei mir melden. Wir stellen Flächen zur Verfügung, auf denen sich Interessierte beim Anbau von Obst und Gemüse ausprobieren können“, sagt die Vereinschefin. Zu zahlen sei dafür nichts, fügt sie hinzu. Profitieren könnte „Aufbau“ schließlich auch ohne das Geld. „Denn vielleicht wird so bei dem Einen oder Anderen die Lust auf die eigene grüne Scholle geweckt.“

Genügend Flächen gibt es in der Anlage noch reichlich. Von den rund 340 Gärten standen „mal fast an die 100 Parzellen leer. Aber das war einmal“, betont Brüggemann. Seit März hat die Vereinschefin schon zwölf Schreberflächen an eine neue Pächterin oder einen neuen Pächter gebracht, „so eine Nachfrage in so kurzer Zeit habe ich in den letzten 20 Jahren nicht erlebt.“ Das spürbar gestiegene Interesse an der Scholle macht Brüggemann hauptsächlich am Coronavirus und den Einschränkungen aufgrund der Pandemie fest. Das zeige sich auch an den neuen Gärtnern. Vor allem junge Familien, die überwiegend im Altneubaugebiet wohnen, hätten sich in den zurückliegenden Wochen eine Parzelle gesichert. „Die wollen einfach raus aus dem Wohnblock und den vier Wänden“, ist Brüggemann überzeugt. Dass das Interesse nach Corona wieder nachlässt, glaubt sie nicht, „ich bekomme ja mit, wie sehr unsere Neuen ihre Gärten in Beschlag genommen haben.“ Zudem sieht die Vereinschefin „auch völlig unabhängig von der Pandemie einen Trend, dass sich immer mehr Menschen für den eigenen Anbau von Obst und Gemüse interessieren.“

So oder so, von den neuen Mitgliedern profitiere „Aufbau“ spürbar. „Unser Verein verjüngt sich, unsere Anlage lebt auf. Auch die meisten unserer älteren Mitglieder haben sich mit dem ,frischen Wind‘ angefreundet. An den Feierabenden und den Wochenenden ist in den Gärten richtig viel los. So macht das alles viel mehr Spaß.“

Auch am Sonnabend herrschte in der Anlage ordentlich Betrieb. Der Verein hatte zum ersten Mal in diesem Jahr einen Arbeitseinsatz organisiert, um in den Tafelgärten Ordnung zu schaffen sowie in der Anlage aufzuräumen. „Wir haben wegen Corona nur sehr zurückhaltend über unsere Aushänge auf diesen Termin hingewiesen. Schließlich können wir nur in kleinen Gruppen arbeiten, muss der Abstand untereinander beachtet werden.“ Die Resonanz auf die Einladung sei aber dennoch riesig gewesen, „viele wollten mitmachen.“ Tatsächlich rückten am Sonnabendvormittag um die 30 Kleingärtner mit Harken, Spaten und anderem Gerät an. Einige Vereinsmitglieder wie zum Beispiel Hildegard Blumenthal, Ute Patan, Hartmut Müller oder Werner Träger seien sogar schon in den Tagen zuvor eingesprungen, um sich um die Tafelgärten zu kümmern. Das bleibe aber vermutlich keine Aufgabe auf Dauer, blickt Brüggemann nach vorn. „Die Absage des IBB gilt ja nur für dieses Jahr. Ich hoffe, 2021 kommen die Tafelgärtner wieder.“