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Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz begeistern in Vielbaum mit "Himmel, Arsch und Hirn" Gesellschaftssatire auf höchstem Niveau

Von Andreas Puls 23.09.2013, 03:25

Die beiden Kabarettisten Lothar Bölck und Hans-Günther Pölitz begeisterten am Freitag einmal mehr in Vielbaum mit Satire auf höchstem Niveau. Die beiden Begründer der Magdeburger Zwickmühle präsentierten im "La Palma" ihr Programm "Himmel, Arsch und Hirn".

Vielbaum l Bölck und Pölitz dürften sich im "La Palma" ähnlich gefühlt haben wie in ihrer heimischen "Zwickmühle". Ausverkaufte Vorstellungen gehören dort zum Alltag. Nicht anders am Freitag im "La Palma". Armin Stepanek, Vorsitzender des Kultur- und Fördervereins Vielbaum, nutzte die kurze Begrüßungsansprache, um gleich auf die nächste hochkarätige Veranstaltung hinzuweisen - eine Lesung der beiden Schauspieler Wolfgang Winkler und Jaeckie Schwarz am 23. Februar 2014.

Dann war es Zeit für die Hauptakteure, von denen allerdings erst einmal nur einer die Bühne betrat: Hans-Günther Pölitz. "Sitzen sie gut? Haben sie alle Getränke?", fragte er die Zuschauer, um dann zu erklären: "Sie merken es, ich spiele auf Zeit. Denn mein Bühnenpartner schaut gerade noch die Tagesschau, um das Aktuellste ins Programm einfließen zu lassen." Zur Überbrückung kam Pölitz auf die Bundestagswahl zu sprechen. "Da können sie ihre Stimme abgeben. Man kann auch sagen, den Löffel abgeben. Sie können aussuchen, in wessen Hand sie die Regierungsgeschäfte legen - in die mit der Raute oder die mit dem Stinkefinger." Dann machte er einen Abstecher in die Geschichte.

Pontius Pilatus als Erfinder der Wahl?

Die erste Wahl der Menschheitsgeschichte habe es unter Pontius Pilatus gegeben. Er habe das Volk wählen lassen, wer denn ans Kreuz solle - Jesus oder Barabbas. Vor lauter Begeisterung über ersteren habe das Volk für Jesus gestimmt.

Dann betrat endlich Bölck die Bühne - mit sorgenvollem Gesicht. "Linde, Augusta und Norma schwächeln!". Pölitz darauf verdattert: "Wer sind denn Linde, Augusta und Norma?". Bölck: "Die hab ich in meinem Pool." Pölitz: "Da kann ich deine Aufregung verstehen. Deine Frau hat wohl Wind davon gekriegt?" Bölck: "Meine Frau hat die ja angeschleppt!" Pölitz: "Bei euch scheint Sodom und Gomorra los zu sein!" So redeten die beiden noch weiter aneinander vorbei, bis Bölck endlich aufklärte: "Norma, Linde und Augusta sind Aktien, deren Kurse schwächeln. Ich muss sie jetzt schnellstmöglich loswerden!" Pölitz: "Es geht also mal wieder ums Geld. Ich sag dir mal was, Geld stinkt mich an! Es ist die verheerendste Erfindung der Menschheit." Bölck: "Quatsch, wenn es kein Geld gäbe, hätten die Gäste heute mit Kühen an die Kasse treten müssen." Pölitz: "Wenn die Kuh Zahlungsmittel geblieben wäre, hätten wir heute keine Finanzkrise!" Weiter ging es - mit viel bissiger Satire auf Politik und Gesellschaft. Das Fernsehen ist immer ein dankbares Thema der beiden Kabarettisten. So wurde im Wortspiel das Musikanten-Stadel zum Mutanten-Stadel, das mit der "Vertonung der Bild-Zeitung" gleichzusetzen sei. Zudem müsste man Talkshows verbieten, wegen anhaltender Volksverblödung. Weitere Witze folgten, z. B.: "Wenn man sagt, Religion sei Optium fürs Volk, was ist dann das Fernsehen? - Morphium." Auch mit dem gemeinsamen Lied "Die Medien" hatten die beiden Akteure die Lacher auf ihrer Seite.

Goethe und Schiller im Zwiegespräch

Nach der Pause ging es dann noch eine Stufe anspruchsvoller und tiefsinniger zu. Phänomenal die Szene, in der die beiden als Denkmalfiguren von Goethe und Schiller in ein lyrisches Zwiegespräch verfallen, sich dabei über die Freiheit des Wortes Gedanken machen und die Situation zu ihren Lebzeiten mit der Gegenwart vergleichen. Ihr Fazit: auch der größte Freigeist lief und läuft Gefahr, in großem Stil angefeindet zu werden, wenn Tabus gebrochen werden. Das machen die beiden fest am Beispiel von Günter Grass und seinem Israel-kritischen Gedicht. Begeisterten und lang anhaltenden Applaus gab es für diese Szene.

Ein kleines Tabu brachen Bölck und Pölitz dann auch selbst, als sie am Denkmal des scheinbar über alle Zweifel erhabenen Bundespräsidenten rütteln. Zur Musik von Frank Zanders "Hier kommt Kurt" heißt es: "Hier kommt Gauck, der Freiheit zugetan, aber Zahn um Zahn, Aug um Aug, was zur Versöhnung nicht taugt."