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Graepel Produktion fast wie in normalen Zeiten

Bei Graepel sorgt das Coronavirus für organisatorische Herausforderungen. Aber die Produktion läuft fast wie in normalen Zeiten.

Von Ralf Franke 16.04.2020, 19:00

Seehausen l Auch in der Region Seehausen wird das Überleben für viele Firmen angesichts der Pandemie-Folgen mit jedem Tag schwerer. Einige Betriebe können noch produzieren, anderen brechen die Zuliefer- und/oder die Absatzketten weg. Insbesondere Dienstleister und Einzelhandel sind dazu bisher per Verordnung zum Stillstand verdonnert. Die Volksstimme wollte wissen, wie es bei Graepel, dem größten Arbeitgeber in der Verbandsgemeinde Seehausen, aussieht.

Bei dem Metallbauer und -veredler mit Stammsitz in Löningen sorgt das Virus zwar für große organisatorische und logistische Herausforderungen, aber die Produktion läuft fast wie in normalen Zeiten in zwei Schichten. An Kurzarbeit oder gar Entlassungen sei derzeit nicht zu denken, betont Geschäftsführer Andreas Klatschow, der Chef von fast 280 eigenen Mitarbeitern vom Auszubildenden bis zum Vertriebsleiter und dazu momentan von rund 20 Leiharbeitnehmern ist.

Der gebürtige Hamburger, der seit August 2018 die Geschicke des Seehäuser Werkes leitet, bezeichnet sich in Sachen Krisen als „schussfest“, aber eine Pandemie hat er noch nicht mitgemacht. Gleichwohl seien die ersten Weichen schon vor sieben Wochen mit abgestuften Maßnahmeplänen gestellt worden, die mit jeder Verschärfung, angefangen vom Verzicht auf das Händeschütteln über das vorsorgliche Ausstellen von Arbeitgeberbescheinigungen bis zur räumlichen Trennung von Schichten, Abteilungen und Meisterbereichen oder bis zum Besucherstopp auf dem Firmengelände, immer angepasst wurden. Dazu konnten Leute aus dem organisatorischen beziehungsweise verwaltungstechnischen Bereich des Werkes ins Home-Office geschickt werden, um den Infektionsdruck zu senken.

Das alles, um mögliche Ansteckungswege zu unterbrechen oder im Ernstfall nicht die halbe Belegschaft in Quarantäne schicken zu müssen. Wobei alles seine Grenzen hat. Virtuelle Roste könne auch ein innovatives Unternehmen wie Graepel noch nicht herstellen, lässt Klatschow augenzwinkernd wissen, der bei den Hygienestandards in angespannten Zeiten selbst mit gutem Beispiel vorangeht. Heißt unter anderem, dass er Hallen und Werkstätten meidet und auch Gespräche wie das mit der Osterburger Volksstimme nur fernmündlich führt.

„Wir sind auf einem guten Stand, auch wenn die Entscheidungen in Bund und Land mitunter eine sehr hohe Dynamik aufwiesen, die uns schon überrascht hat“, so Klatschow vor allem mit Blick auf die Einführung der strengen Kontakteinschränkungen vor mittlerweile gut einem Monat. Wobei er die Zusammenarbeit im regionalen Netzwerk zum Beispiel mit Stadt und Verbandsgemeinde, Landkreis, Diakonie-Krankenhaus und sonst dergleichen ausdrücklich lobend erwähnt. Auch die täglichen Sitzungen des Firmen-Sonderstabes mit Beteiligung des Betriebsrates zum Thema Corona und die regelmäßigen Mitarbeiterinformationen hätten sich bewährt.

Krisenbedingte Stornierungen hat es beim Spezialisten für Lochbleche und Profilroste bisher kaum gegeben, höchstens mal eine Auftragsverschiebung, weil bei einigen ausländischen Abnehmern von Teilen und Baugruppen aus Seehausen die Werke stillstehen.

Die Bereitstellung von Rohmaterial läuft noch gut, da das meiste aus dem Inland kommt und Graepel nur von wenigen Lieferanten abhängig ist. Was wiederum nur deshalb möglich ist, weil die eigentliche Wertschöpfung vom Zuschnitt über das Formen bis zur Oberflächenveredlung für eine breit aufgestellte Produktpalette erst vor Ort und fast autark über die Bühne geht. Da gibt es wenige Abhängigkeiten.

Vielmehr ist es so, dass einige Kunden, die im Ausland bestellt haben, jetzt (wieder) bei Graepel anklopfen, wo sie zudem hohe und gleichbleibende Qualität erwarten dürfen. Was Andreas Klatschow nicht nur für Graepel und seine eigene Branche, sondern auch für andere Bereiche nach der Pandemie als zukunftsweisend sieht, in denen inzwischen eine hohe globale Abhängigkeit herrscht.

„Wir fahren noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau, sind voll lieferfähig und termintreu“, so der Geschäftsführer zur aktuellen Situation. Wobei er realistisch bleibt, was kommende Entscheidungen der Regierung oder die weltweite Entwicklung betrifft: „Ich weiß nicht, wie lange das noch so läuft. Wir können auch ganz schnell mal betroffen sein.“

Was Graepel in diesen Tagen eher zu schaffen macht, sind ein erhöhter Krankenstand, die Einschränkungen bei der Kinderbetreuung oder die mangelnde Bandbreite bei den Internetverbindungen, die die Mitarbeiter im Home-Office, aber auch die Leute im Werk zu spüren bekommen. Und deutliche Stromschwankungen werden seit einiger Zeit auch registriert.

Dankbar ist der Geschäftsführer über die Flexibilität der Mitarbeiter, die auch sonnabends Sonderschichten fahren. Dafür ist das Unternehmen den jungen Familien, die die Betreuung ihrer Kinder ab 16. März von heute auf morgen in Eigenregie organisieren mussten, allerdings auch entgegengekommen. Die betroffenen Eltern konnten in der ersten Woche Urlaub (bezahlt oder unbezahlt) nehmen, die Gleitzeitkonten nutzen beziehungsweise ihre Überstunden ab- oder Minusstunden aufbauen. Und weil es eine so schwierige Situation ist, bekamen sie von den fünf Tagen der ersten Woche einen Tag vom Arbeitgeber geschenkt.