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IP-Garten Hoffnung auf virtuelle Ernte 2020

Das Interesse am virtuellen Gärtnern ist groß - allein, es braucht noch mehr Investoren. Ein Blick nach Lindenberg.

Von Karina Hoppe 28.08.2019, 23:01

Lindenberg l Kürbisse sollten gerade über die Parzellenränder wuchern, Schlangengurken sich durchs grüne Blatt schlängeln und Petersilie ins Kraut schießen. Stattdessen: Nichts! Das heißt, bis vor ein paar Tagen standen im IP-Garten (Internetprotokoll) Lindenberg noch Wildblumen. „

Wir wollten den Acker nicht ungenutzt lassen, wenigstens etwas für die Insekten tun“, sagte gestern Boris Wiesmayr von der IPGarten GmbH. Jener GmbH, die zunächst auf Warnauer (Havelberg) und dann auf Lindenberger Grund etwas Innovatives wagte, das sich für das Jahr 2018 wie folgt in Zahlen ausdrückte: Von dem einen Hektar Acker, gepachtet von Bio-Landwirt Marius Wöllner, waren 150 Parzellen à 16 Quadratmeter „gebucht“. Und zwar von Kunden aus Berlin, die via Internet ihren Garten auf dem Land bestellen, bewässern, jäten.

Möglich dadurch, dass sie ihn via Kamera permanent sehen können und die Handlungsanweisungen vor Ort von Gärtnern umgesetzt wurden. Das Wässern geht automatisch, aber das jäten – nein, es braucht auch beim virtuellen gärtnern noch Hände. Was geerntet wurde, geht ungewaschen und unverpackt per Kühlwagen täglich nach Berlin, wo sich 30 Prozent der Kunden ihre Ernte an einer Sammelstelle abholen und die anderen sich das Gemüse für einen Aufpreis direkt an die Tür liefern lassen.

Der verbrauchte Strom für die ganze Saison in Lindenberg war jener einer fünfköpfigen Familie. 450 Euro kostet das Online-Gärtner die Kunden pro Jahr. Oder kostete, denn 2019 wuchs ja kein Bio-Gemüse in Lindenberg. Und das, „obwohl wir bereits im Herbst 2018 gute 250 Anmeldungen für 2019 hatten. Und unsere Erfahrung ist, dass die Leute erst im Frühjahr wieder auf den Trichter mit dem Gärtnern kommen“, sagt Martin Kruszka, der Geschäftsleiter der IPGarten GmbH.

Steigendes Interesse und kein Gemüse? Ja. Die Investoren möchten das Projekt gerne auf weiteren Schultern verteilen. So ist es auch jetzt noch Kruszkas und Wiesmayrs Job, Investoren zu gewinnen. 500 000 Euro seien ihnen schon zugesichert, 790 000 Euro brauchen sie, damit es erstmal weitergeht. Insgesamt 1 Million Euro seien in den letzten drei Jahren bereits in das Projekt IP-Garten geflossen. Zu den Förderern der ersten Stunde gehörte auch der Landkreis Stendal, der über das Bundesmodellvorhaben „Land(auf)Schwung“ gut 23 000 Euro für den IP-Garten locker machte. Landrat Carsten Wulfänger (CDU), der sich das Areal gestern anschaute, schätze den innovativen Ansatz desselben. „Nun gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es läuft oder nicht.“ Laufen im Sinne von schwarze Zahlen schreiben, werde der IP-Garten ab einer Kundenzahl von 2000. Der Garten in Lindenberg sei bis zehn Hektar ausdehnbar – Platz ist das, was in Warnau fehlte.

Es handele sich nicht nur um „einen verrückten ferngesteuerten Garten“, sagt Martin Kruszka. „Schauen sie sich die Bäume überall an, das ist demnächst Wüste hier. Wir müssen weg von der klassischen wieder hin zu einer kleinteiligeren Landwirtschaft. Wenn ich sehe, wie mein Gemüse aufwächst, bin ich auch bereit, dafür mehr Geld zu zahlen.“ Man zahle eben nicht nur für eine Gemüsekiste, sondern sei Teil des Projekts. Biodiversität ist ein großes Stichwort, das Projekt schärfe den Blick für die landwirtschaftlichen Probleme. Und habe weltweit die Neugierde geweckt. Südkorea sei sehr interessiert, auch die Schweiz.

Die Investoren wollen häufig „eine wahnsinnige Rendite“, aber es gebe Grenzen. Kruszka: „Wenn ich die Gärtner nicht vernünftig bezahlen kann, höre ich auf.“