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Was künftig noch wächst Kiefer und Co: Angesichts zunehmender Dürre spielt Baumartenwahl in der Wische immer größere Rolle

Die Kirchengemeinde Goldbeck hat auf das richtige Pferd gesetzt, als sie vor fünf Jahren 11000 Kiefern eigenhändig in den Waldboden steckte. Pinus sylvestris ist gut angewachsen. Von anderen Baumarten indes muss sich angesichts des Klimawandels auch die Wische verabschieden. „Die Landschaft wird sich massiv verändern“, sagt Revierförster Gunnar Schulze .

Von Karina Hoppe Aktualisiert: 22.06.2021, 09:24
Der Revierförster der Wische auf einer Fläche der Kirchengemeinde Goldbeck, aufgeforstet mit Kiefer.
Der Revierförster der Wische auf einer Fläche der Kirchengemeinde Goldbeck, aufgeforstet mit Kiefer. Foto: Karina Hoppe

Wische - Seit gestern gilt im Landkreis Stendal die Waldbrand-Warnstufe V. Das gab es immer, wird es aber in Zukunft noch häufiger geben. Davon ist auch angesichts der jüngst von der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt Göttingen aufgezeigten klimatischen Wasserbilanz der Zukunft auszugehen. Gibt das Institut für Sachsen-Anhalt für den Zeitraum von 1981 bis 2010 eine Wasserbilanz von -211 Millimeter an, prognostiziert es für 2041 bis 2070 eine Wasserbilanz von -354 Millimeter, bei gleichzeitig steigender mittlerer Temperatur. Kurzum: Das pflanzenverfügbare Wasser nimmt stark ab. Sehr wahrscheinlich seien ferner eine Zunahme von Witterungsextremen wie Trockenperioden, Starkregenereignissen oder Stürmen. „Entscheidend sind immer die Niederschlagsdefizite während der Vegetationszeit“, sagt Gunnar Schulze, Revierförster der Wische. Und: „Unsere Landschaft wird sich massiv verändern.“ Die Aufforstung von damals ist nicht mehr die Aufforstung von heute und morgen.

11000 Kiefern in die Erde gesteckt

Das Land Lachsen-Anhalt gab den Waldeignern gerade – von genannter Versuchsanstalt erarbeitete – „Entscheidungshilfen zur klimaangepassten Baumartenwahl“ an die Hand. Danach hat die Kirchengemeinde Goldbeck vor fünf Jahren eine richtige Wahl getroffen. Im Dreieck zwischen Goldbeck, Plätz und Bertkow steckte sie 11000 Kiefern eigenhändig auf rund einem Hektar Kirchenacker. Das Bild heute kann sich sehen lassen, bis auf wenige Schäden vom Fegen der Rehböcke, ist der junge Wald gut angewachsen. „Die Kiefer wird auch der Brotbaum der Altmark bleiben“, sagt Schulze. Indes werde man sich hier von Fichten, Buchen und Eschen verabschieden müssen. „Die Buche wird sich künftig in den Harz und Vorharz zurückziehen.“ Den Eschen macht das Eschentriebsterben den Garaus, die Fichten als Flachwurzler haben dem gerade in den Dürrejahren extrem gesunkenen Grundwasserspiegel nichts entgegenzusetzen. Und geschwächte Fichten (Bäume überhaupt) sind ein Eldorado für Schädlinge.

Roteiche ist robuster als Stieleiche

In den vergangenen Jahren wurden auch hiesige Waldflächen kartiert, deren Bodenbeschaffenheit von sogenannten Standorterkundern ermittelt. In Zusammenhang mit den gerade veröffentlichen „Entscheidungshilfen...“ bekommen Waldbesitzer nun je nach Bodenart ganz bestimmte Bestandszieltypen vorgeschlagen. Genau für ihr Waldstück. Neben der Kiefer spielt dabei auch die Douglasie eine große Rolle, die Küstentanne, der Spitzahorn und die Roteiche. Die Roteiche ist laut Schulze weitaus trockenresistenter als die Stiel- oder die Traubeneiche. Letztere müsse man aber nicht abschreiben. Die alten Eichen, die aktuell überall krank mit lichten Kronen zu sehen sind, waren gleich zweimal großen Veränderungen ausgesetzt. Einmal, als zu DDR-Zeiten in Folge von Meliorationsarbeiten der Grundwasserspiegel ad hoc sank und einmal durch die jüngsten Dürrejahre. „Das Wurzelsystem ist nicht auf den neuen Grundwasserspiegel ausgelegt, das schwächt die Bäume.“ Werden aber etwa Stieleichen jetzt neu gepflanzt, passen sie sich an die jetzigen Gegebenheiten an und können durchaus gut wachsen.

Zukunft gehört den Mischkulturen

In allen Fällen werden für Aufforstungen Mischkulturen empfohlen. „Das haben wir aber auch schon in den vergangenen Jahren so gemacht, zumal bei geförderten Aufforstungen“, sagt Schulze. Je nach Bodentyp – die meisten im Revier Wische sind „mittlere“ Böden – werden von der Versuchsanstalt verschiedene Waldgesellschaften vorgeschlagen. Doch in der Praxis hakt’s gerade: „Wir haben durch die extreme Trockenheit eine große Pflanzenknappheit, es gibt ein Hauen und Stechen um die Pflanzen.“ Schulze erkundige sich deshalb bei den Baumschulen, welche Jungpflanzen überhaupt zu bekommen sind.

Die Kirchengemeinde Goldbeck legte 2016 selbst Hand an und steckte 11000 Kiefern in die Erde. Aus Klimasicht eine gute Wahl.
Die Kirchengemeinde Goldbeck legte 2016 selbst Hand an und steckte 11000 Kiefern in die Erde. Aus Klimasicht eine gute Wahl.
Archivfoto: Karina Hoppe

Es gebe ein extrem hohes Aufforstungspotenzial. Im Herbst 2020 waren es 285000 Hektar deutschlandweit. Schulze selbst hat für acht Flächen von 0,3 bis 3 Hektar Förderanträge für Frühjahrspflanzungen gestellt. Spätestens drei Jahre nach einem Kahlschlag müssen die Wälder wieder aufgeforstet werden. Wobei dies auch für einen Wald gilt, der „weniger als 40 Prozent der normalen Bestockung aufweist“. Während deutschlandweit rund ein Drittel der Fläche Wald sind, sind es im Revier Wische nur zwölf Prozent. „Mehr Wald wäre gut, aber ein Boden kann eben nur einmal genutzt werden, als Grünland, Acker oder Wald.“ Durch ein Aufforstungsprogramm in den 1990er Jahren und Ausgleichsmaßnahmen vor allem im Rahmes des Deichbaus hat das Revier Wische im Vergleich zur Wende trotzdem rund 20 Hektar mehr Wald erhalten.

Förster und Waldeigner laufen den Schäden hinterher

„Seit 2011 laufen wir im Wald nur den Schäden hinterher“, sagt Schulze. Erst Schnee- und Eisbruch, dann schwere Stürme, dann die Trockenjahre. „So etwas haben die Förster in 100 Jahren nicht erlebt.“ Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates Goldbeck-Krusemark, Klaus Heinl, könne auf jeden Fall nur empfehlen, bei der Aufforstung selbst Hand an zu legen. „Es wird dadurch günstiger und man hat mehr Freude an den Bäumen.“