Begegnung im Grünen Mit Käfers Hilfe: „Seehausen links“ schaut hinter Konflikt um Waldbesetzer und A14
Was passiert hier eigentlich? Ausgelöst von der Waldbesetzung bei Losse erlebt die beschauliche Region Seehausen eine enorme Zuspitzung, was das Für und Wider des A-14-Baus betrifft. Die Initiative „Seehausen links“ möchte die Konfrontation mit Schützenhilfe von „Karl dem Käfer“ ins große Ganze einordnen und Begegnung fördern. So ausprobiert am Sonnabend.

Seehausen - „Lärmende Maschinen überrollen den Wald, zerstören den Gesang der Vögel schon bald“, heißt es im 1983 erschienenen im Lied „Karl der Käfer“. 2021 besetzen junge Menschen ein Waldstück bei Losse, damit genau dies nicht passieren soll. Abholzung, hier im Zuge des A-14-Baus. Bernd Kloss, Sprecher der Initiative „Seehausen links“, sprach am Sonnabend von „zivilem Ungehorsam“. Dies in der Nähe des Grünen Klassenzimmers, wohin auf Einladung der Initiative rund 40 Leute gekommen waren. Außerdem Vertreter von Polizei und Ordnungsamt.
„Die beschaulich-ländliche Region Seehausen hat eine enorme Zuspitzung erfahren, eine neue Konfrontation“, sagte Kloss. Und wenn man sicher über die Art und Weise des Protests streiten könne, über das, was dahinter steht, könne man es nicht. So jedenfalls die zentrale Botschaft dieses Sonnabendnachmittags: Das, was da gerade passiert, geht uns alle etwas an. Oder wie der aus Berlin angereiste Referent für sozialökologischen Umbau bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Steffen Kühne, es formulierte: „Diese Zukunftsfragen sind hässlich, kein freundliches Thema, aber wir haben keine Wahl.“ In Sachen Klimawandel sei es bereits fünf nach zwölf und der Mensch müsse sich jetzt ändern, weil es sonst nur noch schlimmer wird. In festen Häusern lebend könnten wir die Klimakrise bei uns bislang noch halbwegs weglächeln, dabei werde sie auch in unseren Breiten „keinen Stein auf dem anderen lassen“.
„ADAC fortschrittlicher als der Verkehrsminister“
Während sich etwa in den Bereichen Industrie und Landwirtschaft in puncto CO2-Einsparung allmählich etwas bewege, sei die Verkehrspolitik ein harter Brocken. „Man muss sich nur mal vorstellen, dass der ADAC progressivere Vorschläge macht als Verkehrsminister Andreas Scheuer“, so Kühne. In Deutschland komme ein Auto auf 1,6 Menschen. „Wir sind ein rohstoffarmes Land und nehmen die Rohstoffe anderer Länder für unseren Wohlstand in Anspruch“, so Kühne. Auf oberer politischer Ebene werde allenfalls die „Antriebswende“ diskutiert. Öl, Wasserstoff oder Elektro. „Aber der Elektro-SUV ist nicht die Antwort auf die Klimakrise. Wir brauchen einen generellen Umbau der Mobilität. Die individuelle Automobilität ist nicht die Zukunft.“ Mehr Bahn, Inlandflüge verbieten, eine bessere öffentliche Verkehrsanbindung auch auf dem Land, wo es laut Kühne auch immer Autos geben werde, „aber viel weniger“. Im Übrigen sei die Marktwirtschaft als Steuerungsinstrument für die Verkehrswende nicht geeignet, „sie muss politisch gesteuert werden, das regelt sich nicht über die Preise“. Zumal öffentlicher Nahverkehr auf dem Lande zunächst oder gar nicht gewinnbringend sei.
Wenn es in Zukunft zwangsläufig weniger Autos gibt, brauche es nicht mehr Straße, zumal Deutschland schon viel mehr Autobahnen als andere Länder habe. Auch für Kühne üben die Losser Waldbesetzer mit ihrem zivilen Ungehorsam eine doch „friedliche Form des Protests“ aus. Kloss erinnerte daran, dass viele gesellschaftliche Umwälzungen genau so begannen. Mit Ungehorsam und Empörung darüber.
Delegation aus dem Wald mit Fahrrad angereist
Mit diesen Positionen liefen die beiden in Seehausen zumeist oder nur offene Türen ein. Bis auf den Bürgermeister der Gemeinde Zehrental, Michael Seide, waren keine Kommunalpolitiker vertreten. „Einige sind aber auch wirklich verhindert“, sagte Kloss. Gerne hätte auch er es gesehen, wenn A-14-Befürworter und -Gegner miteinander ins Gespräch kommen, was ausblieb. Eine kleine Delegation „aus dem Wald“ war mit dem Fahrrad angereist.
Äußerungen aus dem Publikum, unter das sich auch Seehäuser und Osterburger gemischt hatten, wurden trotzdem laut. Milan Bölke gab zu Bedenken, dass man ohne eine gewisse Konfrontation gar nichts in Bewegung bringen würde. „Nicht Eskalation, nicht Gewalt, aber Konfrontation“, äußerte er. Eine junge Frau „fordert“ von den Lokalpolitikern ein, dass sie sich im aktuellen Zusammenhang öffentlich gegen Gewalt aussprechen. „Gewalt von Rechts.“ Sie wünscht sich außerdem, „dass die Menschen aus ihrer Komfortzone herauskommen“. Allein durch regionale Fahrgemeinschaften sei schon sehr viel möglich. Kloss zitierte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), der gesagt habe, „die Menschen hier sind veränderungsmüde“. Da sei sicher etwas dran, aber es helfe nichts. Im Übrigen wisse Kloss gar nicht genau, ob Karl der Käfer wirklich ein Marienkäfer ist, wie man vielleicht am ehesten denkt. „Vielleicht ist es auch ein Borkenkäfer.“ (Und er übt ein bisschen Rache.)

