Ralf von Hagen aus Werder erinnert sich an das Elbe-Hochwasser von 2002 zurück "Mit zwei blauen Augen davongekommen"
Zehn Jahre ist es her, dass das Jahrhunderthochwasser der Elbe auch die Altmark erreichte. Kritisch war die Lage auch in Beuster-Werder. Ralf von Hagen erinnert sich noch sehr genau an die damalige Situation.
Beuster-Werder l "Wir haben 2002 zum Glück rechtzeitig mitbekommen, welche Wassermassen sich auf uns zubewegen. Alles war aus den Nachrichten zu erfahren. Und aus vorhandenen Daten konnten wir selbst den hier zu erwartenden Wasserstand errechnen. Uns blieben also mehrere Tage Zeit, uns auf die Flut vorzubereiten", sagt Ralf von Hagen.
Nach den vorliegenden Daten und Berichten in den Medien sei jedenfalls klar gewesen, dass da eine Flutwelle heranrollt, die es bis dato in Werder wohl noch nie gegeben hat. Obwohl die Einwohner des Ortes, der mitten im Überschwemmungsgebiet der Elbe liegt, das Leben mit dem ständig wiederkehrenden Hochwasser seit vielen Generationen kennen, gab es 2002 wohl niemanden, der sich keine Sorgen machte.
Mussten 2002 erstmals Dinge nach außen in Sicherheit bringen
Familie von Hagen wohnt seit den 1970er Jahren in Werder. "2002 mussten wir erstmals Dinge nach außen in Sicherheit bringen. Wir räumten zunächst alles Wichtige aus den Schränken. Das waren vor allem Papiere und jede Menge Bücher. Vieles wurde in Wittenberge eingelagert. Der verbliebene Inhalt der Schränke und eine Menge anderer Gegenstände wurden im Haus nach oben geräumt. Aus Wittenberge hatten wir außerdem große Mengen Paletten mitgebracht. Aus denen bauten wir im unteren Bereich des Hauses sozusagen einen um 90 Zentimeter erhöhten Fußboden. Darauf wurden alle Teppiche und Schränke geräumt. Auch die Heizung musste ausgebaut werden. Zum Glück hatten wir für all diese Arbeit viele freiwillige Helfer. Ohne sie hätten wir es nicht geschafft", erinnert sich von Hagen.
Die besagten 90 Zentimeter hatte Familie von Hagen nicht von ungefähr gewählt. Denn dies entsprach damals dem Niveau der Deiche bei Beuster (plus etwa zehn Zentimeter Reserve). "Wenn das Wasser also bis zur Deichkrone gestiegen wäre, wären theoretisch unsere Möbel nicht abgesoffen. Und höher hätte das Wasser nicht steigen können, weil es dann über die Deiche gelaufen wäre.
Aber so schlimm kam es zum Glück nicht. Das Wasser blieb auch etwas unter dem ursprünglich prognostizierten Pegel. Das lag daran, dass weiter südlich so viele Deiche gebrochen sind", ist sich Ralf von Hagen sicher.
Am Ende kam es aber auch für die Werderaner heftig genug. Am 20. August 2002 um 22 Uhr erreichte das Elbehochwasser in Wittenberge den historischen Scheitel von 7,34 Metern. An von Hagens Haus stieg das Wasser bis zum Schwellbalken. Das heißt, der Fußboden im gesamten Haus stand komplett unter Wasser. Ähnlich ging es damals auch den meisten anderen Werderanern. Hagens selbst waren in diesen Tagen aus ihrem Haus ausgezogen, bei Verwandten und Freunden untergekommen.
Die Familie und ihre Helfer hatten seinerzeit noch eine weitere Maßnahme getroffen. Rings um das Haus legten sie Folie aus, auf die dann ein Wall aus Sandsäcken gestapelt wurde. Diese Maßnahme, so der Werderaner, brachte jedoch nicht viel, denn das Wasser drückte von unten ins Haus. Immerhin - mithilfe der Sandsäcke wurde Schmutzwasser abgehalten.
Nach einigen Tagen begann das große Auffräumen. "Unter anderem musste der komplett durchgeweichte Holzfußboden ausgetauscht werden. Natürlich war das Wasser auch in den Wänden. Entfeuchter kamen zum Einsatz, was sehr kostenintensiv war. Außerdem wurde die Heizung wieder eingebaut - 1,20 Meter höher, um für künftige Hochwässer gewappnet zu sein. In der nachfolgenden Zeit erhöhte Familie von Hagen außerdem das Geländeniveau rund um ihr Haus. Das, so von Hagen, sei ein kleiner Schutz - aber nur gegen Hochwässer mit kurzen Scheitelpunkten.
Von Hagen: "Wir sind 2002 gerade noch mit zwei blauen Augen davon gekommen. Aber schon wenige Monate später kam das nächste Hochwasser - im Januar 2003. Der Pegel in Wittenberge stieg damals bis auf 6,71 Meter. Dieses Hochwasser war mit starkem Eisgang verbunden und damit war es für uns gefährlicher als das Sommerhochwasser 2002. Denn Eisgang bringt viele Unwägbarkeiten mit sich. Unter anderem kann durch Stauungen das Wasser plötzlich ansteigen.
Und das Eis hat eine große Zerstörungskraft. Brenzlige Situationen erlebten die Werderaner in den folgenden Jahren noch mehrmals. Zum Beispiel im April 2006, als der Pegel in Wittenberge auf 7,20 Meter anstieg. Und noch einmal im Januar 2011, als die Elbe schon wieder knapp das Niveau von 2002 erreichte. 7,30 Meter hoch stieg der Pegel in Wittenberge - am 22. Januar 2011.
Als Konsequenz aus dem Jahrhunderthochwaser 2002 wurden entlang der Elbe überall die Deiche erhöht und stabilisiert. "Die Deiche in der Region Beuster wurden um rund einen Meter erhöht. Sie sind nun zwischen 8,40 und 8,45 Meter hoch. Allerdings liegt auch der Freibord bei rund einem Meter.
Das heißt, das Wasser darf theoretisch nur bis etwa 7,45 Meter steigen. Die obere Deichkrone dient als Schutz gegen das Überlaufen, etwa bei starkem Wellengang. Wie das tatsächlich gehandhabt wird, sollte es einmal zu einem solchen Hochwasser kommen, bleibt abzuwarten", so Ralf von Hagen.
Wichtig wäre die Schaffung größerer Überflutungsflächen
Und er fügt hinzu: "Die Deicherhöhungen finden wir in Werder natürlich nicht so toll, weil es uns dadurch künftig noch heftiger treffen kann. Aber selbstverständlich bin auch ich für einen effektiven Hochwasserschutz. Aber mindestens ebenso wichtig wie höhere Deiche wäre meiner Meinung nach die Schaffung größerer Überflutungsflächen für die Flüsse."
Wie auch immer - die Werderaner werden auch künftig mit den wiederkehrenden Hochwässern der Elbe umgehen und dann wie immer mit Booten zwischen ihren Häusern und dem "Festland" verkehren - es sei denn, Eisgang sorgt wieder einmal dafür, dass sie von der Außenwelt abgeschnitten werden.