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Projekt Unterricht auf dem Bauernhof

Constanze Thomsen bringt Schützlingen der Osterburger Lebenshilfe den landwirtschaftlichen Betrieb ihrer Familie nahe.

Von Astrid Mathis 05.01.2020, 06:00

Düsedau l 1996 schloss die gebürtige Luckenwalderin Constanze Thomsen in Hohenwulsch die Zusatzausbildung „Grünes Erleben: Unterricht auf dem Bauernhof“ ab. Vom Referat Agrarwirtschaft des Landesverwaltungsamtes bekam sie am 8. Mai 2019 den aktuellen Schein als anerkannte Ausbilderin.

Als sie der Geschäftsführerin der Lebenshilfe Osterburg Sarah Maaß anbot, gern deren Schützlinge unter ihre Fittiche zu nehmen, stieß sie auf offene Ohren. „Lernorientiertes Modul - Leben mit der Natur und den Tieren“, heißt das Projekt, das nun seit September läuft. Ziel ist es, dass interessierte Lebenshilfe-Menschen das landwirtschaftliche Leben kennen und schätzen lernen. Alter spielt keine Rolle. „Sie sollen nicht zur Arbeit herkommen“, stellt Constanze Thomsen klar. Die Freude an den Tieren, den Umgang mit Alpakas, Rindern, Milchkühen (sie hat noch zwei, seit der Betrieb die Milchproduktion einstellte), Kälbern, das möchte sie vermitteln.

Und das sieht so aus: Zwei Gruppen mit maximal je fünf Teilnehmern kommen regelmäßig mittwochs um 9.30 Uhr für eine Stunde auf den Hof. Da passt es auch gut, dass Thomsens seit 1. November zusätzlich das Pflegepferd Laki haben, denn Laki ist aufgrund seines Alters nicht mehr fürs Reiten geeignet. Auf einem Reiterhof in Düsseldorf ausgebildet, hat das Warmblut seine besten Tage hinter sich. Laki darf verwöhnt und gestreichelt werden und soll in Düsedau sein Gnadenbrot bekommen. Ein Pferd zu führen, können die Teilnehmer des Projektes also auch lernen.

Doch zurück zu den Kühen. „Es ist so schön zu sehen, dass die Ängstlichen sich inzwischen trauen. Was sie unheimlich gern machen, das ist eben Tiere streicheln. Und das können sie hier“, berichtet Constanze Thomsen. „Außerdem freuen sie sich, immer mehr Zusammenhänge zu verstehen, sind wissbegierig und aufmerksam.“ Zum Beispiel haben die Teilnehmer erkannt, dass Milchkühe viel empfindlicher sind als Mutterkühe und überlassen die Fütterung lieber Familie Thomsen. „Aber natürlich dürfen sie auch füttern. Sie sollen ihren Erfolg sehen, erkennen, dass die Tiere Wasser und Schrot brauchen“, erzählt die erfahrene Landwirtin. Und dann erst die empfindlichen Alpakas! Das seien eben keine zutraulichen Lamas. Ihr Fell wird einmal im Jahr geschoren, in diesem Jahr wurden daraus Sohlen gemacht und in Osterburgs Jemüschtwarenladen angeboten. Alles Neuland für die Projektteilnehmer.

„Im Spätsommer haben wir Luzerne angeguckt. Dabei haben sie gelernt, dass sie mehrmals im Jahr geerntet werden kann. Nach jeder Stunde trugen die Teilnehmer zusammen, was sie in ihrem Erfahrungsschatz neu aufgenommen haben und was ihnen besonders gefiel.“ „Teamarbeit“, sagten sie einmal besonders stolz. Sich auf einem Hof abzusprechen, das ergebe für sie eben Sinn und hätte eine Wichtigkeit, die im Alltag manchmal gar nicht notwendig erscheine. Mit der Forke umzugehen, kann schon zu einer richtigen Aufgabe werden, fügte die Kursleiterin schmunzelnd hinzu. „Man darf nicht vergessen, dass man hier Menschen mit Einschränkungen an die Landwirtschaft heranführt“, merkte Constanze Thomsen an. Darum möchte sie die Gruppen auch klein halten, denn so kann sie viel besser auf jeden Einzelnen eingehen.

Arbeitsabläufe, wie das Einstreuen, zu erfassen und selbst auszuführen, seien Meilensteine. Statt um 6 einzustreuen oder zu füttern, wurde am Kurstag dieser Aufgabenbereich der Lebenshilfe überlassen. Zwischendurch wurde mal schnell Ehemann Jochen angerufen und gefragt: „Wo bist du auf dem Feld? Können wir kommen? Oder: Kannst du kommen? Bist du mit dem Mähdrescher um die Ecke?“ oder eben Sohnemann Julian, der sein letztes Ausbildungsjahr bei Papa im Betrieb absolviert.

Natürlich wünschen sich die Teilnehmer, einmal selbst Mähdrescher zu fahren (Traktor durften sie schon mit ihr), zu pflügen, Gras zu silieren und Mais zu drillen. Vor allem Klaus-Dieter Nagel, der zu DDR-Zeiten schon landwirtschaftliche Vorkenntnisse sammelte, blüht in Düsedau auf. „2020“, versprachen Thomsens.

Jetzt gab es zu Weihnachten erst mal Urkunden und Glückwünsche zu der erfolgreichen Teilnahme an dem Modul „Leben mit der Natur und den Tieren“. „Sie sind mir richtig ans Herz gewachsen“, bemerkt Constanze Thomsen. Schon jetzt freut sie sich darauf, dass es im März wieder los geht.