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Stadtgeschichte Hoche hofft auf weitere Recherchen

Setzt das Osterburger Gymnasium die Nachforschungen zum früheren jüdischen Leben in der Stadt fort? Museumschef Frank Hoche hofft darauf.

Von Nico Maß 11.07.2016, 01:01

Osterburg l Vermutlich ab Ende September werden vier Stolpersteine vor ihrem einstigen Wohn- und Geschäftshaus an der Breiten Straße 54 an Moritz Less und seine drei Töchter erinnern. Setzen die Steine nun den Schlusspunkt hinter das Rechercheprojekt des Gymnasiums? Frank Hoche hofft das nicht. „Ich würde mich freuen, wenn das Projekt eine Fortsetzung erfährt“, sagt er.

Osterburger Kreismuseums­leiter lobt die Initiative aus der Schule, die ein dunkles Kapitel in der Stadtgeschichte ans Tageslicht befördert habe und die Erinnerung an die Verfolgung der jüdischen Einwohner durch die Stolpersteine dauerhaft wachhalte. Zugleich wünscht sich Hoche aber, dass die Gymnasiasten an dem Projekt festhalten und dabei auch über die Zeit des Dritten Reiches hinaus jüdisches Leben in Osterburg dokumentieren. Historische Quellen dafür gibt es.

So verweist Hoche auf Akten im Brandenburgischen Landeshauptarchiv, in denen von der Ansiedlung und Vertreibung jüdischer Familien in Osterburg berichtet wird. Auch im Stadtarchiv werden Spurensucher fündig. Wie der Museumschef selbst. Hoche hat zuletzt aufgrund des 100. Todestages des Chemikers Dr. Adolph Frank in der jüdischen Vergangenheit der Biesestadt recherchiert. Der namhafte Wissenschaftler Adolph Frank, am 20. Januar 1834 in Klötze geboren und am 30. Mai 1916 in Charlottenburg gestorben, gilt als Begründer der deutschen Kali- und Celluloseindustrie. Und hatte einen Bezug zu Osterburg. Seine Mutter stammt aus der Biesestadt, 1848 hinterließ Frank selbst Spuren in Osterburg. Er ging bei einem Apotheker in der Biesestadt in die Lehre und wohnte in dieser Zeit bei seiner Großmutter Dorothea Wolffstein. Diese Familie findet sich auch in einer historischen Akte wieder, die Stadtmitarbeiterin Anita Pinnecke im Archiv heraussuchte und dem Museumsleiter für seine Nachforschungen zur Verfügung stellte. Das Papier, ein Geburts-, Heirats- und Sterberegister der jüdischen Einwohner des 19. Jahrhunderts, half ebenso bei einer zweiten Nachforschung. „Dabei handelt es sich um eine Stolperstein-Initiative aus Magdeburg. Sie möchte an einen Ehrich Heinemann erinnern, der 1942 von der heutigen Landeshauptstadt aus gemeinsam mit seiner Ehefrau in das Warschauer Ghetto deportiert wurde“, sagt Hoche. Dank der Unterstützung aus dem Stadtarchiv konnte der Museumschef gegenüber den Stolperstein-Initiatoren bestätigen, dass Heinemann in Osterburg das Licht der Welt erblickte. Und zwar am 9. März 1885 als Sohn des Kaufmanns Emil Isaak Heinemann und seiner Frau Friederike Saalmann. Zehn Jahre später, 1895, zogen die Heinemanns nach Calbe um, dort übernahmen sie das zuvor von der Familie der Mutter betriebene Kaufhaus Saalmann.

Frank und Heinemann – nur zwei Beispiele für ein jüdisches Leben im Osterburg des 19. Jahrhunderts, das offenkundig deutlich stärker ausgeprägt war als im 20. Jahrhundert, ist Hoche überzeugt. „Das zeigt sich beispielsweise auch im jüdischen Friedhof, der 1811 eingeweiht wurde. Amtliche Unterlagen der Stadt zählen beispielsweise für 1846 insgesamt zehn jüdische Familien auf“, begründet der Museumschef. Nebenher zeigen erhaltene Schriftstücke aus dem 19. Jahundert auch auf, wie sich Teile dieser Familien später verzweigten. „Aus St. Gallen, Mailand oder den Vereinigten Staaten wurde beim Magistrat der Stadt Osterburg um Geburtsurkunden ersucht, weil in der Biesestadt Geborene dort heiraten wollten.“

Das im Stadtarchiv lagernde Material neben anderen Quellen zu erschließen und womöglich in der Perspektive zu einer Dokumentation über das jüdische Leben in der Stadt zusammenzufassen, sei doch ein lohnendes Projekt, meint Frank Hoche. Selbst zu einem fünften Stolperstein für einen geborenen Osterburger trägt das Aktenmaterial ein Stück weit bei. Den für Ehrich Heinemann, der seinen Platz in der Landeshauptstadt finden wird.