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"Nobody Knows" präsentiert in Osterburger Bibliothek Lyrikprogramm "Und wieder im Anzug" Wenn die "Loreley" auf Sächsisch erklingt

Von Nico Maß 05.03.2012, 05:27

Mit "Und wieder im Anzug" präsentierte die Stendaler Folkband "Nobody Knows" am Freitagabend ihr aktuelles Lyrikprogramm in der Osterburger Stadt- und Kreisbibliothek.

Osterburg l Am späten Freitagabend musste das Maskottchen dran glauben. "Nobody Knows"-Frontmann Max Heckel wies verschmitzt lächelnd auf eine kleine Plüschfigur in seiner Nähe und befand: "Erich muss ins Bett".

Doch Heckels Hoffnung, die sechs Musiker könnten nach einem rund zweieinhalbstündigen Auftritt in der Stadt- und Kreisbibliothek den Platz hinter ihren Instrumenten verlassen, erfüllte sich nicht. Denn das rund 60-köpfige Publikum kannte keine Gnade mit der Plüschfigur. Es forderte insgesamt vier Zugaben ein, bevor sich "Nobody Knows" schließlich mit einer Lesung das Recht auf die Bettruhe des Maskottchens "erkaufte". Die Musiker griffen sich wahllos Bücher aus den Regalen der Bibliothek, schlugen jeweils Seite 139 auf und zitierten kurze Passagen. Klar, dass das ganz schön wirr klang. Doch gerade diese Aktion aus dem Stegreif zeigte, mit welcher Lockerheit und welchem Spaß die Stendaler Folkband in Osterburg bei der Sache war. Spaß, der von Anfang an auf das Publikum überschwappte.

Dazu trug ganz sicher auch bei, dass sich "Nobody Knows" bei der Präsentation ihres bereits dritten Lyrik-Programmes "Und wieder im Anzug" abseits der gewohnten Konzert- oder Auftrittspfade bewegte. Denn bei dem, was die Musiker inszenierten, war kaum etwas von einem fest vorgeplanten Programmablauf zu spüren. Ganz im Gegenteil. Der Abend hatte etwas von einer Party, zu der ein paar Freunde Klampfe und Co mitbringen und einfach drauflos spielen. Dies gekonnt, mit ganz viel Gefühl und noch mehr Leidenschaft.

Von wenigen Ausnahmen wie zum Beispiel einem Abstecher zu Johnny Cashs Country-Song "Ring of fire" einmal abgesehen, sang und musizierte sich das Sextett hauptsächlich durch acht Jahrhunderte deutscher und französischer Poesie. Angefangen von einer Dichtung des Mittelalter-Barden Walther von der Vogelweide über Texte von François Villon, Heinrich Heine oder Johann Wolfgang von Goethe reichte die Bandbreite der interpretierten Lyrik bis zu aktuellen Stücken des Liedermacher-Duos "Bänkelsängers Nachtgesicht". Umrahmt von modernen Melodien und wiedergegeben durch ausdrucksstarke Stimmen, war wildromantische Lyrik wie der ursprünglich von Villon stammende und später von Paul Zech bearbeitete "Erdbeermund" ebenso zu hören wie von der Vogelweides "Tandaradei" oder Goethes "Heideröslein". Viele Zuhörer schnippten, klatschten oder sangen bei bekannten Textpassagen mit. Und auch das Lachen kam nicht zu kurz. Besonders amüsant, dass sich die von Heinrich Heine adaptierte "Loreley" nicht entscheiden konnte, ob sie am Rhein nun im hochdeutschen Dialekt (gesungen von Max Heckel) oder im schönsten Sächsisch (Thor Klein) Schiffer umgarnt und Kähne versenken spielt.

Bei allem Spaß nahm sich "Nobody Knows" aber auch die Zeit für Nachdenkliches. So gab die Band beispielsweise das Badische Wiegenlied wieder. In dem Text von Ludwig Pfau beklagt eine Kriegerwitwe den Tod des Vaters ihres Kindes. Max Heckel, der diese Poesie bewegend interpretierte, beeindruckte am Freitagabend jedoch nicht nur mit seinem Gesang. Der Frontmann der Stendaler Folkband überzeugte auch als gut aufgelegter Moderator, der immer mal wieder launig kurze Anekdoten erzählte. Oft im Zusammenspiel mit Besuchern des Lyrikabends. Aber auch mit der eigenen Band, die in Osterburg in der Besetzung Ronny Heckel (Gitarre, Mandoline, Mundharmonika), Max Heckel (Gitarre, Banjo, Geige, Bassbalaleika), Thor Klein (Bass, Flöte, Schalmei), Georg Marth (Geige), Maximilian Heinrichs (Piano, Keyboard) und Aron Thalis (Schlagzeug, Percussion, Cajón) auftrat und das Publikum begeisterte.

Am Ende des Programms bedankte sich "Nobody Knows" beim Gastgeber des Abends, der Bibliothek. Mit einer Empfehlung. "Schockt eure Eltern. Lest ein Buch!" riefen die Musiker lächelnd ihrem Publikum zu, bevor die Besucher den Heimweg antraten.