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Pilzausstellung Zwischen Hexenei und Lorchel

Pilzduft am Landhotel Mehrin: Die Ausstellung der Waldgewächse lockte Kenner und Liebhaber an die Tische.

Von Helga Räßler 12.10.2015, 03:00

Mehrin l Mit gefüllten Korb am Arm kam der Güssefelder Carsten Schulz am Sonnabendvormittag zur Eröffnung der traditionellen Pilzausstellung am Landhotel Mehrin. Neben Wiesenchampignons und Rotkappen hatte er auch eine Herbstlorchel und einen Klapperschwamm mitgebracht. Zusammen mit dem Pilzberater Gerhard Schnüber aus Klötze bestimmte der junge Mann sie genauer. „Beide sind eigentlich Speisepilze, aber vom Verzehr der Lorchel würde ich abraten“, so Schnüber.

Er hatte zusammen mit seiner Frau Margrit und Michael Arens von der Fachgruppe Vienau des Naturschutzbundes zur Ausstellung eingeladen. Auf den liebevoll dekorierten Tischen hatten sie unzählige Fruchtkörper der beliebten Waldgewächse drapiert. Neben den bekannten Maronen, Stein-, Birken- und Sandpilzen waren auch Hallimasch, der an Eichen wachsende Leberpilz (Ochsenzunge genannt) oder Krause Klucken zu finden.

Nach einem kleinen Streifzug durch die Pilzgeschichte, die Arten der Fruchtkörper und die weit verzweigten Mycele unter dem Boden - teilweise bis zur Größe eines Fußballfeldes - eröffnete Arens die besondere Exposition. „Wir präsentieren hier 120 verschiedene Arten. Insgesamt gibt es in Europa 5400, davon sind 180 giftig“, erklärte er.

Der Pilz sei keine Pflanze, die Chlorophyll bilde. Er bilde eine Symbiose mit dem Baum. „Der Baum bietet ihm Wasser, Phosphat und Stickstoff, der Pilz liefert Kohlenhydrate“, beschrieb Arens. Manche Exemplare könnten auch Schäden verursachen wie zum Beispiel der Hausschwamm. „Und wieder andere bewegen sich sogar wie die Schleimpilze.“Arens ließ aber auch die Rolle der Pilze als Schwermetallspeicher nicht unerwähnt. Blei und Kadmium fänden sich besonders in Riesenschirmlingen oder Bovisten.

„Beim Schirmling, der direkt an der Straße steht, ist das nachvollziehbar, aber beim Bovist nicht, der mitten im Wald wächst“, machte Gerhard Schnüber deutlich. Er erinnerte die Besucher an ein anderes Phänomen: Nach der Atomreaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986 seien besonders Maronen und Steinpilze radioaktiv durch Cäsium 37 belastet. „Anfangs wurde der Grenzwert von 600 Becquerel erreicht, zurzeit sind es nur noch 300“, sagte er. Alle zwei bis drei Jahre werde der Zustand untersucht. Deshalb solle nicht mehr als ein Kilogramm Pilze pro Woche gegessen werden. „Aber so eine Menge muss ja auch erst einmal gesammelt werden“, sagte er.

Beim Fachsimpeln mit den Gästen gab er Tipps zum Bestimmen der Arten, zu Besonderheiten und zur Verwechslungsgefahr. Der schmackhafte Wiesenchampignon zum Beispiel sehe dem grünen Knollenblätterpilz, dem giftigsten aller Pilze, sehr ähnlich. „Aber der Champignon hat rosa und graue Lamellen, der Knollenblätterpilz weiße“, betonte er. Außerdem habe der Champignon einen gerade gewachsenen Stiel, der andere eine Knolle, umgeben von einer Hülle.

Interessant war die Geschichte vom Fliegenpilz, der seinen Namen von seiner Wirkung auf Fliegen haben soll. „Früher legte man die roten Hüte mit den weißen Punkten in Milch ein“, berichtete er. „Die Fliegen, die davon naschten, starben an dem enthaltenen Gift.“

Ebenfalls nicht essbar weil steinhart, ist der Zunderschwamm, der als graues Exemplar mit Jahresringen wie ein Baum auf einem der Tische lag. „Von ihm ist das Sprichwort ,etwas brennt wie Zunder‘ hergeleitet“, wusste Arens. Dazu müsse der besondere Pilz aber erst getrocknet, zermahlen und schließlich mit Salpeter oder Urin vermischt werden. „Und wenn das Gemisch dann erneut getrocknet ist, ist es tatsächlich sehr leicht entzündbar“, verriet der Kenner. Aus dem Internet habe er zudem erfahren, dass aus dem Naturmaterial in Rumänien Hüte und Westen hergestellt würden.

Die von verschiedensten Pilzfreunden immer gern diskutierte Frage, ob man die Pilze abschneiden oder lieber herausdrehen sollte, ließen beide Fachleute offen. Wenn es ums Bestimmen einer Art gehe, sei drehen, ansonsten sei schneiden legitim.