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Justiz Vom Dilemma eines Zeugen und Vaters

Vor dem Stendaler Landgericht ist der Berufungsprozess wegen Nazi-Schmierereien fortgesetzt worden.

Von Arno Zähringer 21.04.2016, 03:00

Salzwedel/Stendal l Überraschung am zweiten Verhandlungstag in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Stendal in Sachen Nazi-Schmierereien: Die mit Spannung erwartete Aussage des Vaters des Angeklagten, der seinem Sohn vor dem Amtsgericht Salzwedel ein Alibi für die Tatzeit gegeben hatte, wurde am Mittwoch nicht gehört. Grund: Der Zeuge solle ausreichend Zeit haben, sich Gedanken über seine Aussagen zu machen.

Für einen Paukenschlag hatte in diesem Zusammenhang die Staatsanwaltschaft gesorgt. Deren Vertreterin teilte kurz vor der Vernehmung des Zeugen zur Überraschung von Richter Gundolf Rüge und des Verteidigers mit, am Dienstag Anzeige gegen den Gastwirt wegen uneindlicher Falschaussage am Amtsgericht Salzwedel erstattet zu haben.

Der Verteidiger des 23-Jährigen, dem das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie Sachbeschädigungen in der  Nacht zum 3. Oktober 2013 vorgeworfen werden, sprach in diesem Zusammenhang von einem Manöver der Staatsanwaltschaft, das „den Zeugen verunsichern soll“. Schließlich wisse man ja, was von dieser Aussage abhängt. Die Staatsanwältin konterte allerdings, dass der Zeuge bereits in der Verhandlung vor dem Amtsgericht gewusst habe, dass ihm weder Richter Klaus Hüttermann noch die Vertreterin der Anklage geglaubt hatten.

Auf Richter Gundolf Rüge machte der Vater des Angeklagten aufgrund der neuen Sachlage nicht den Eindruck, mit der Situation überfordert zu sein. „Auf mich wirken Sie wie ein gestandener Mann“, sagte der Vorsitzende Richter. Dies sah der Verteidiger des 23-Jährigen allerdings anders, der sich vehement dafür einsetzte, dass die Vernehmung des Zeugen unterbrochen und ihm ein Rechtsbeistand zur Seite gestellt wird.

Das Dilemma des Zeugen wegen der Anzeige der uneidlichen Falschaussage war offensichtlich: Gibt er zu, vor dem Amtsgericht nicht die Wahrheit gesagt zu haben, dann sitzt er in der Patsche. Bleibt er bei seiner bisherigen Version und dem Sohn werden die ihm vorgeworfenen Taten nachgewiesen, ist seine Situation auch nicht viel besser.

„Brauchen Sie einen Rechtsbeistand? Das kann eine Vertrauensperson oder ein Anwalt sein“, fragte Rüge den Zeugen. Der fühlte sich von der neuen Lage überfordert und nahm das Angebot der Unterbrechung dankend an. Für die Staatsanwaltschaft war allerdings klar, dass der Rechtsbeistand nicht auf Staatskosten erfolgt. „Das soll er selbst bezahlen“, sagte die Staatsanwältin. Nun hat der Mann bis kommenden Dienstag Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, ob und was er aussagen oder ob er von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen will. Das Strafmaß für eine uneidliche Falschaussage liegt übrigens bei einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

Zum Auftakt der Sitzung hatte das Gericht drei Zeugen geladen, die zwar der Beteiligung an der Tat angeklagt waren, gegen die das Strafverfahren aber nicht eingeleitet worden war. Die drei Männer im Alter von 25, 23 und 20 Jahren verweigerten allesamt die Aussage.

So nahm die Vernehmung eines Polizisten breiten Raum ein, der bei der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten dabei war. Auf die Frage, wo der Sohn zur Tatzeit gewesen sei, habe der Vater nicht antworten wollen, sich aber ansonsten kooperativ und den Polizisten den Wohnbereich gezeigt.

Der Prozess wird am Dienstag, 26. April, 9.30 Uhr, im Landgericht Stendal fortgesetzt. Dann werden 15 Zeugen aufgerufen.