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Corona-Pandemie Hunderte Kilometer im Dienst der Kultur

Die Düsseldorfer Theatermitarbeiter Laura Kuhlen und Meik Gudermann pilgerten auf ihrer Kulturtour auch nach Salzwedel ins Hanseat.

Von Oliver Becker 22.06.2020, 10:57

Salzwedel l Der beliebte Jakobsweg führt von der französischen Grenzstadt Saint-Jean-Pied-de-Port bis in das rund 800 Kilometer entfernte spanische Santiago de Compostella. Es ist der Wunsch der zahllosen Pilger, wieder zu sich selbst zu finden.

Laura Kuhlen und Meik Gudermann haben von der Entfernung her fast dieselbe Distanz ins Auge gefasst, um so auf die schwierige Lage der privaten Theater und Veranstalter, bedingt durch die Corona-Pandemie, aufmerksam zu machen. Beide sind selbst im Live-Entertainment-Sektor beschäftigt und befinden sich seit der Schließung der Theater in Kurzarbeit. Sie absolvieren in 21 Tagen eine Strecke von 750 Kilometern und besuchen 21 Spielstätten in 21 Städten.

Ihnen wurde nach der Schließung der Theaterstätten schnell bewusst, dass ein langer und beschwerlicher Weg vor dieser Branche liegen wird, bevor der Theaterbetrieb wieder in die Normalität zurückfinden wird.

Und damit meinten sie nicht nur das reine Theater, sondern alle Unterhaltungsstätten, ob nun Musicalhäuser, Konzertsäle, Musikklubs, freie Künstlergruppen oder auch den Zirkus. Eben Stätten oder Orte, in denen Menschen für Menschen Unterhaltung bieten. Sie machten sich von Köln aus auf eine 750 Kilometer lange Wanderung bis in die Hauptstadt Berlin. Und zwar stellvertretend für alle Menschen in diesem Kultursektor, die nicht nur auf der Bühne stehen, sondern auch für die vielen unsichtbaren Mitwirkenden, die abseits der Bühne agieren. Und dazu gehören auch sie, die im Marketingsektor arbeiten.

Wenn auch der Weg der Wanderung ein weiter ist, so war der Weg von der Idee bis zur Umsetzung doch ein recht kurzer. Ihre Idee von der Wanderung für die Kultur stieß bei ihrem Arbeitgeber, der Düsseldorfer Mehr-BB-Entertainment-Gruppe, auf offene Ohren. Mit einem kleinen Budget ausgestattet, begab sich das Duo Kuhlen/Gudermann auf die große Wanderschaft um „Kulturkilometer“, so auch der Name ihrer Aktion, zu absolvieren und auf dieser viele Spielstätten zu besuchen und mit deren Mitarbeitern in Kontakt zu treten.

Es wird sich ausgetauscht, nach gemeinsamen Lösungswegen aus der Corona-Krise gesucht. Es werden Interviews mit den Betreibern und Mitarbeitern geführt und diese täglich im Livestream über Instagram und Facebook gesendet. So wird den Betroffenen ein Gesicht gegeben.

Begleitet werden die beiden jungen Leute auf ihrer Wanderung durch die deutsche Kulturlandschaft von Julia Marten, die die organisatorischen Fäden in der Hand hält, und Ralf Dursk, dem Fahrer des Fahrzeuges für alle Fälle. Dass sie von einem Auto begleitet werden, darauf hatte die Geschäftsführung bestanden, aber bis zum Zwischenstopp in Salzwedel mussten die wanderlustigen Kulturbotschafter noch nicht darauf zurückgreifen.

Ja, auch die Hanse- und Baumkuchenstadt war eine Station ihres großen Marsches. Zuvor machten sie Station im Capitol Theater Düsseldorf, im Starlight-Express-Theater Bochum, in Deutschlands größtem Freilichttheater Tecklenburg, im Metropol-Theater Bremen und im Neuen Schauspielhaus Uelzen, um nur einige zu nennen. Spielstätten, die sie bei ihrer Planung zur Wanderung sorgfältig ausgewählt hatten. Wie sie am Donnerstag im Hanseat in einem Gespräch informierten, hatten sie sich zunächst auf die täglich zu absolvierende Strecke festgelegt. Innerhalb eines Tages ließen sich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von fünf Kilometern je Stunde 40 Kilometer zurücklegen. Dabei war Köln als Start- und Berlin als Zielpunkt festgelegt. Auf dem Rücken hat jeder einen Rucksack mit acht Kilogramm Gewicht. Beide sind zudem noch relativ unerfahren in puncto sportlicher Aktivitäten.

„Schon der zweite Tag war die Hölle“, gestand Meik Gudermann freimütig. „Blasen an den Füßen überall, selbst unter den Zehennägeln“. Da sie jeweils die kürzeste Strecke zwischen den einzelnen Stationen wählten, führte ihre Wanderung entlang viel befahrener Bundesstraßen. Wenn ein Radweg vorhanden war, schätzten sich die beiden Wanderer schon glücklich. Dieser Luxus wurde ihnen auch auf der Strecke von Uelzen nach Salzwedel geboten.

„Wir hätten so gern einmal den Weg abseits der viel befahrenen Straßen gewählt, aber wenn die Füße und der Rücken schmerzen, dann wählt man den kürzesten Weg“, gab Laura Kuhlen unumwunden zu. Zudem bildeten die harten Böden der Bühnen oder die im Backstagebereich den Untergrund, auf dem sie abends ihre Isoliermatte ausrollten und sich in ihre Schlafsäcke hüllten. Somit symbolisierte Nähe zur Kultur auf eine ganz besondere Weise. Letztendlich hätte aber die Begeisterung der einzelnen Spielstättenmitarbeiter für ihre Idee und die stets überaus herzliche Aufnahme schnell alle Qualen und Schmerzen vergessen lassen.

So auch am Donnerstag im Salzwedeler Hanseat. Dessen Chef Marian Stütz empfing das Quartett im nahezu ausgeräumten Haus, denn die Mitarbeiter nutzen die spielfreie Zeit, um den Klub zu renovieren. Die Sitzbänke erstrahlen schon im neuen Glanz und die Bar im Saal wurde entfernt. Sie wird durch eine neue ersetzt.

Stütz hofft, dass das Hanseat seine Spielzeit im September fortsetzen kann. Von dem Wanderduo war doch etwas Vorstellungskraft gefordert, um sich den Salzwedeler Kulturtempel im laufenden Betrieb vor Augen halten zu können. Zudem war es für sie der erste Kontakt mit dem Norden Deutschlands. Uelzen, Salzwedel und Stendal – noch nie zuvor hatten sie von diesen Städten gehört. Allerdings der Baumkuchen war ihnen ein Begriff und den wollten sie auch unbedingt noch probieren. Zwischenzeitlich hatte sich auch Andreas Leitel vom Offenen Kanal Salzwedel (OKS) dazu gesellt. Gemeinsam mit Marian Stütz führte er durch die Räume des OKS und die von Aktion Musik. Die beiden Gäste vom Rhein zeigten sich erstaunt, dass die doch recht kleine Stadt ein so großes Kulturangebot vorhalten kann.

Am Dienstag endet die Wanderung, die sie nach Salzwedel noch über Kalbe und Stendal führen wird, in der Hauptstadt. Auf die Frage, ob sie noch einmal diese Strapazen auf sich nehmen würden, sind sich beide einig. Für die Kultur? Auf jeden Fall! Wenn sie dieses privat machen würden, dann allerdings auf anderen Wegen. Aber da sie nun den nördlichen Kulturbogen abgewandert sind, vielleicht könnte es noch einmal einen südlichen geben. Und Salzwedel steht nun auch auf ihrer Liste der Städte, der sie noch einmal einen Besuch abstatten möchten.

Weitere Informationen im Internet unter: http://www.gb-kommunikation.com/kulturkilometer/