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Coronavirus Das Dilemma mit der Notbetreuung

Eigentlich sind die Kindertagesstätten in Salzwedel dicht. Eigentlich. Manche Einrichtungen sind bis zu 70 Prozent belegt.

Von Alexander Rekow 05.02.2021, 10:53

Salzwedel l Die einen können die Notbetreuung in Anspruch nehmen, andere nicht. Und gerade letztere sehen sich deshalb mit Problemen konfrontiert. Doch wie sieht es nun wirklich in den Kindertagesstätten in Salzwedel aus? Die Volksstimme hörte sich in einigen Einrichtungen um.

Von Notbetreuung im eigentlichen Sinn könne in manchen Kindertagesstätten kaum die Rede sein, sagt Doris Gensch, Leiterin des Kita-Eigenbetriebs der Hansestadt. Die Auslastung reiche momentan in den Einrichtungen von 20 bis 70 Prozent. Im Schnitt seien es 35 bis 40 Prozent. Manchmal grenze es schon fast an einen Normalbetrieb, schätzt die Kita-Eiegnbetriebsleiterin ein.

Das liege daran, dass die geltenden Regeln vorsehen, dass Kinder in die Kita gebracht werden können, wenn ein Elternteil eine systemrelevante Arbeitsstelle hat und der andere in seinem Betrieb unabkömmlich ist. Beides schätzen die Arbeitgeber ein, die die Anträge auf Notbetreuung bestätigen müssen. Das werde zum Teil großzügig ausgelegt und sei kaum kontrollierbar. Deshalb seien manche Kitas „überdimensional“ frequentiert. Zudem sei vorgesehen, die üblichen Betreuungszeiten anzubieten. Sie reichen im Eigenbetrieb abhängig von der jeweiligen Kita von 6 bis 17 Uhr. Alle Einrichtungen sind für den Notbetrieb geöffnet. Es sei eine Gratwanderung zwischen der Notwendigkeit, die Kinder zu betreuen und andererseits die Vorgaben zur Pandemie-Eindämmung einzuhalten.

Natürlich gingen viele Arbeitgeber und Eltern sorgfältig und verantwortungsvoll damit um. Es sei halt eine schwierige Situation für alle. „Wir arbeiten die Anträge so zügig wie möglich ab“, sagt die Eigenbetriebsleiterin. Dennoch sei es ein hoher Organisationsaufwand, zumal manche Kinder nicht jeden Tag in die Kita gebracht werden. „Die Anwesenheit ist unterschiedlich. Wir haben viel Dynamik in den Gruppen“, sagt Doris Gensch. Die Jungen und Mädchen könnten meist nicht von ihren Bezugserziehern, die sie aus dem normalen Kita-Alltag kennen, betreut werden. Die Mitarbeiterinnen hätten viel Kontakte, weil Kita-Kinder, anders die Grundschüler im Hort, Körperkontakt suchen. Damit gingen die Kolleginnen ein besonderes Risiko ein. „Natürlich versuchen wir, sie so gut wie möglich zu schützen“, betont die Leiterin. Es gelten die Hygienkonzepte und das Schleusensystem. Niemand außer dem Personal dürfe die Einrichtungen betreten. Ausnahmen gebe es nur für vorher terminierte Elterngespräche. „Bisher sind wir mit einem blauen Auge davon gekommen“, schätzt sie ein.

28 von 75 Kindern werden derzeit in der Kita Rappelkiste in Salzwedels Wollweberstraße betreut, weiß Cornelia Kurowski, Geschäftsführerin beim Träger der Einrichtung, das Kinder, Jugend- und Familienwerk. „Wir sind auch relativ straff bei der Genehmigung für die Notbetreuung und prüfen recht genau.“ Doch einfach sei das nicht. „Unser Problem ist, dass die Firmen die Notwendigkeit auf Notbetreuung bestätigen, obwohl die Eltern nicht systemrelevant sind.“ So seien auch Kinder in Betreuung, deren Eltern im Homeoffice arbeiten oder krank zuhause sind.

Doch unterm Strich sei nichts zu machen: „Wenn sie es glaubhaft versichern, müssen wir es gewähren.“

Für die Mitarbeiter in der Kita sei es eine Belastung. Denn aufgrund der Situation sei man gezwungen, Streitgespräche mit den Eltern zu führen und das bis dahin gute Verhältnis untereinander leide darunter. Doch es gehe nicht anders. „Wir müssen ja auch unsere Kollegen schützen“, so die Geschäftsführerin. Umso länger sich der Lockdown und damit die Notbetreuung ziehe, umso schwieriger werde es. „Die Eltern stoßen mehr und mehr an ihre Grenzen.“ Daher sollte aus Sicht von Cornelia Kurowski entweder zum eingeschränkten oder vollen Regelbetrieb übergegangen werden.

Gerade auch für jene Kinder, die die Notbetreuung nicht wahrnehmen können, sei die Situation belastend. „Die einen Kinder spielen in der Kita und die anderen drücken sich am Zaun die Nase platt.“

Grundsätzlich funktioniere die Notbetreuung im Kinderhouse gut. 26 von 54 Kindern würden dies in Anspruch nehmen. Jene Kinder, wovon sechs Geschwister sind, würden aber ihre Freunde aus der Kita vermissen. „Wir sind bemüht, den Alltag abwechslungsreich zu gestalten“, so die Leiterin Kathrin Klähn. Für die Kinder außerhalb würden die Kinder mit den Erziehern Bastelanleitungen erstellen oder auch Videogrüße senden.

In der Kita Goethepark befinden sich 29 von 54 Kindern in der Notbetreuung, erklärt der pädagogische Abteilungsleiter vom Träger Lebenshilfe Altmark, Christian Mehlicke.

In der Kita Am Feuerwehrplatz, die ebenfalls in seinen Verantwortungsbereich fällt, seien es 13 von 31.

Unterm Strich funktioniere die Notbetreuung. „Wir würden uns aber freuen, wenn bald wieder mehr Leben einzieht“, so Mehlicke. Nicht nur für die Kinder, sondern auch, um Väter und Mütter wieder zu entlasten. „Dies ist eine hohe Belastung in den Haushalten“, so der pädagogische Abteilungsleiter.