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Coronavirus Salzwedel: Gastronomen vor dem Aus

Die Gastronomie erlebt ihre wohl schwerste Prüfung: Manche halten noch durch, anderen droht das Aus. Die Hilferufe werden lauter.

Von Alexander Rekow 22.04.2020, 01:01

Salzwedel l „Ich habe Hartz IV beantragt“, sagt Uwe Schwieger, Inhaber der Kneipe „Crazy World“, „ich habe null Euro Umsatz.“ Nur mit der Soforthilfe für Selbstständige existiert die Kultkneipe am Eingang zu Salzwedels Stadtzentrum noch. Wann er und seine Kollegen in der Gastronomie wieder öffnen dürfen, steht in den Sternen. Doch lange hält Schwieger nicht mehr durch.

Seine Musikkneipe steht vor dem Aus. „Bis Ende Mai würde ich es noch schaffen, danach müsste ich schließen.“ Miete, Nebenkosten und Krankenversicherung reißen große Löcher in seine Börse. Uwe Schwieger, den viele nur „Zappa“ rufen, hofft nun, dass er spätestens am 4. Mai wieder öffnen darf. „Es geht ja auch den anderen Kollegen in der Branche nicht besser“, sagt er, viele stünden mit dem Rücken zur Wand. „Das ist einfach scheiße“, bringt er seine Gemütslage auf den Punkt.

„Im Zweifel schließe ich auch“, sagt Lutz Winkelmann von „Lutzes Butze“ in der Burgstraße. Er habe bis dato noch keine finanzielle Unterstützung erhalten. „Es gibt Städte, da demonstrieren Gastronomen“, erzählt er. Sie würden ihre Stühle auf die Straße stellen und so auf das Gastronomie-Sterben aufmerksam machen. „Wenn hier auch demonstriert würde, wäre ich dabei.“ Denn auch Lutz Winkelmann hat weiter laufende Kosten und muss sein Sparschwein plündern. „Ich arbeite doch nicht ein Leben lang, um das Ersparte jetzt aufzubrauchen.“ Von der Politik erhofft sich der Kneiper nun Hilfe für die gesamte Branche.

Nils Krümmel von der „Grünen Laterne“ ist „stinksauer“. Erst der Straßenbau des Südbockhorns seit rund einem Jahr, der seine Kneipe bis heute beutelt, und nun die Pandemie. „Eigentlich kann ich sofort zuschließen.“ Auf dem Konto sei gähnende Leere. „Ich bin tief im Dispo.“ Sein Groll richtet sich gegen die Landesregierung. Denn die Soforthilfen seien eine Mogelpackung. „Am Freitag hatten die erst 2700 von 26  000 Anträgen bearbeitet.“ Das ist in seine Augen „eine Schweinerei und Frechheit sondergleichen“. „Und dann stellen die sich noch wie die großen Gönner dar.“ Er benötige genau jetzt Hilfe, sonst sei es das gewesen. Sollte die Bearbeitungszeit weiter schleppend verlaufen, so Krümmel, würde die Hälfte aller Gastronomiebetriebe im Land „kaputt gehen.“

Das Virus habe ihm von heute auf morgen die Existenzgrundlage entzogen, sagt Lars Wolfram, Mitinhaber des „heimart“ im Salzwedeler Kunsthaus. Vier Jahre lang hätten er und sein Geschäftspartner jeden Cent umgedreht, um sich neben dem „heimart“ ein zweites Standbein zu schaffen. „Wir haben gelebt wie die Mäuse“, betont er. Und jetzt verliere der Betrieb jede Woche Unsummen. Gespartes Geld, das in der Firma gelassen wurde und das bereits versteuert sei. Es sollte investiert werden in einer wirtschaftlich schwachen Region wie der Altmark, betont er. „Wir haben hier etwas Besonderes gemacht und werden hängen gelassen“, sagt er.

Von der versprochenen Soforthilfe sei bis jetzt kein Cent an sie geflossen. Sachsen-Anhalt sei dahingehend das langsamste Land. Ähnlich sehe es beim Kurzarbeitergeld aus. Die Ausgaben, wie beispielsweise Miete und ähnliches, seien dennoch weiter zu tragen.

Er habe Hartz IV beantragen müssen. Dabei seien ihm ganze 73,60 Euro bewilligt worden. „Die Politiker stopfen sich die Taschen voll und für uns gibt es keine Hilfe“, schimpft er. Alles müsse aus privaten Töpfen beglichen werden. Kredite seien keine Lösung, denn auch sie müssten irgendwann zurückgezahlt werden.

Dass der Mittelstand, immer als Rückgrat der Wirtschaft bezeichnet, so im Regen stehen gelassen werde, sei ein Skandal. Die Beschränkungen des öffentlichen Lebens findet er unverhältnismäßig. Gerade im Altmarkkreis mit nur wenigen Infektionsfällen. „Sie sind nicht nur existenzbedrohend, sondern fast eine Zwangsenteignung“, sagt er. Das Restaurant sei gut geeignet, um Sicherheitsabstände und Hygiene zu gewährleisten. Sein Team hätte das gepackt, ist er sicher. Zwar sei ein Außerhausverkauf angelaufen, aber er lohne sich nicht. „Wir sind hier nicht in Berlin oder Hamburg“, so Wolfram.

Das sieht auch Einar Krause, Inhaber des Restaurants im Kulturhaus so. Die Maschinerie hochzufahren, Leute zu beschäftigen für nur wenige Essen, sei keine Lösung. Da helfe das Sparen von Strom, Wasser und Lohn mehr. Seine Mitarbeiter seien in Kurzarbeit. Da in absehbarer Zeit weder Veranstaltungen noch Familienfeiern möglich seien, bleibe momentan nur, den Betrieb auf Null zu fahren. Er bereite sich auf eine mögliche Wiedereröffnung seines Restaurants und die damit verbundenen Abstands- und Hygieneregelungen vor. „Ich arbeite daran, alles so zu optimieren, dass die Sicherheit der Gäste und des Personals gewährleistet sind“, sagte er.

In der Küche des Restaurants „Olympia“ an der Arendseer Straße wird weiter gebrutzelt. Zwischen fünf und 30 – manchmal mehr – Essen werden zubereitet und ausgeliefert oder abgeholt. „Ich musste einfach etwas tun, mich bewegen“, sagt der Inhaber der Gaststätte mit griechischen und kroatischen Spezialitäten, Ivan Ninic. Damit hat er Neuland betreten. Vor der Krise gab es keinen Außerhausverkauf. „Wir machen trotzdem minus“, sagt er. Es sei ein Zeichen an die Gäste, „dass wir noch da sind.“

Er und nur ein Koch halten das Geschäft aufrecht, um Kosten zu sparen. Nach und nach komme es in Schwung. Er habe es zu Hause nicht ausgehalten. Zu arbeiten sei „gut für den Kopf, sonst bekommt man Depressionen“, ist er sich sicher. Jetzt fährt er schon mal bis Arendsee oder Brome. Und freut sich, seine Stammkunden trotz der Schließung zu sehen.

Auch in Gardelegen leiden Gastronomiebetriebe unter der Situation. Den Bericht dazu gibt es hier.