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Tradition Das leise Sterben der Schützengilde

Die Schützengilde der Stadt Salzwedel blickt auf eine 545-jährige Geschichte zurück. Trotz der langen Tradition schwinden die Mitglieder.

Von Alexander Rekow 08.07.2020, 11:50

Salzwedel l Etwa 700 Menschen tanzen in einem 3000 Quadratmeter großen Zelt, der Zapfhahn im Dauerbetrieb, es wird zünftig gespeist, Musikanten aus Bayern singen Volkslieder, ein Japaner jodelt, Fahrgeschäfte halten die Sprösslinge bei Laune: Es klingt wie ein Ausschnitt vom Münchner Oktoberfest. Doch es war das Schützenfest im Jahr 1992 in Salzwedel auf dem Festplatz Kämmereiteiche. „In dem Jahr war unser erster großer Umzug seit der Neugründung 1990“, sagt Nils Krümmel. „Von der Thälmannstraße bis zum Perver war das ein riesiger Festplatz.“ Krümmel ist Gründungsmitglied und der aktuelle 1. Gildemeister der Salzwedeler Schützen – quasi der Chef. Doch viel ist vom alten Glanz nicht geblieben.

„Etwa im Jahr 2000 ging es steil bergab“, erinnert sich Nils Krümmel. Erst sei es ein schleichender Prozess gewesen, dann der rapide Abfall. Besonders an den Mitgliederzahlen ist dies abzulesen. Denn zählte der Verein Anfang der 1990er Jahre noch weit mehr als 400 Mitglieder, sind es heute kaum mehr als 100. „Ohne die Bogenschützen, die seit drei Jahren zu uns gehören, hätten wir keine 100 Mitglieder mehr“, so Krümmel. Wehmut schwingt in seinen Worten mit.

Kaum ein Verein kann auf so eine lange Tradition zurückblicken wie die Salzwedeler Schützen. 1475 wurden sie erstmals urkundlich erwähnt, ehe 1570 in Salzwedel erstmals das Königsschießen abgehalten wurde – festgelegt vom brandenburgischen Kurfürsten. 1763 schlossen sich beide Gilden, aus Alt- und Neustadt, zu einer zusammen. Traditionalisten haben an der Chronik ihre Freude. Doch die fetten Jahre sind längst vorbei.

„Der Traditionsverein in Uniform – das sind vielleicht noch 45 Leute“, so der 1. Gildemeister: „1992 waren es noch rund 400.“ Als Grund hat Krümmel unter anderem den wirtschaftlichen Zerfall ausgemacht. Das Geld sitze einfach nicht mehr so locker. „Damals, wenn jemand eine Runde ausgegeben hat, hat der 1000 Mark auf den Tisch gelegt.“ Heute würden viele schon vom Mitgliedsbeitrag abgeschreckt. „Männer zahlen bei uns 120 Euro im Jahr, Frauen 60 und Kinder 40.“

Aber auch der fehlende Wunsch nach Geselligkeit spiele dem Niedergang in die Karten. „Es war ein Hauptgrund, um ins Vereinsheim zu kommen.“ Heute aber würden viele lieber unter sich bleiben und, wenn überhaupt, nur für den reinen Schießsport zum Verein kommen. Kinder und Jugendliche hätten ohnehin kaum Interesse dafür. „Die zocken doch lieber am Computer.“

Was bleibt, ist ein geschrumpfter Verein mit abgespeckten Veranstaltungen. „Die gewohnten Schützenfeste wird es aufgrund der wenigen Teilnehmer nicht mehr geben“, bedauert Nils Krümmel. Zuletzt kamen nur noch knapp 70 Leute. Dies aber stünde nicht im Verhältnis zum finanziellen Aufwand. Daher gab es 2019 bereits nur noch einen Schützentag – ohne -umzug.

Nun hat die Corona-Pandemie die Lage abermals verschärft. Aus dem Schützentag wird nun ein überschaubares Sommerfest. Denn befreundete Schützenvereine haben ihr Kommen für 2020 entweder abgesagt oder nur eine sehr kleine Delegation angekündigt. Doch auf das Sommerfest will der Verein nicht verzichten. So können sich Interessenten am Schützenhaus an der Kleinkaliber-Pistole unter Anleitung ausprobieren. Ein Menschenkicker steht bereit. Das Technische Hilfswerk wird Spiel und Spaß für die Jugend bereithalten. Zu Live-Musik kann Schwein vom Spieß gegessen werden. Los geht‘s am Sonnabend um 13 Uhr. Volljährige zahlen 10 Euro Eintritt, können dann aber kostenlos speisen. Kinder haben freien Eintritt.