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Diskussionsrunde Zu wenige Mediziner bleiben hier

Ein Hausarzt für das Gesundheitszentrum in Winterfeld ist noch nicht in Sicht. Verschiedene Varianten wurden bei einem Forum angesprochen.

Von Anke Pelczarski 23.03.2018, 02:00

Winterfeld l „Wie geht es weiter mit der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum?“: Zu diesem Thema hatten die Friedrich-Ebert-Stiftung Sachsen-Anhalt und der SPD-Ortsverein Beetzendorf am Mittwochabend ein Forum organisiert, das im Winterfelder „Wieseneck“ stattfand. „Wir haben 150 Stühle gestellt“, sagte der Ortsvereins-Vorsitzende Henning Lehmann. Doch diese reichten nicht aus. Zusätzliche Sitzplätze mussten her.

Harald Josten, Bürgermeister des Flecken Apenburg-Winterfeld, erinnerte daran, dass im Rat vor fast zehn Jahren der Gedanke aufgekommen sei, etwas für die Gesundheitsversorgung zu tun. „Wir haben zwar in Winterfeld die Zweigstelle eines Hausarztes. Aber langfristig ist abzusehen, dass dieser mal in Rente geht“, sagte er. Als im Jahr 2010 der Zusammenschluss zum Flecken erfolgt sei, sei der Hausarzt in Apenburg weggefallen. Damit rückte der Gedanke wieder in den Vordergrund. Doch wie ein Gesundheitszentrum finanzieren? „Der Durchbruch kam mit dem Leader-Programm. Dieses unterstützt die Daseinsvorsorge im ländlichen Raum mit Fördergeldern“, erklärte Harald Josten. Eine Immobilie hinstellen sei das eine, sie mit Leben zu erfüllen das andere. „Für die Physiotherapie haben wir schon einen Spezialisten gebunden, für die Hausarzt-Stelle noch nicht. Uns geht es um die Sicherstellung der medizinischen Grundversorgung im ländlichen Raum. Wie, da sind wir flexibel“, sagte der Bürgermeister. Das Budget für den Bau des Gesundheitszen-trums sei gesetzt. Jetzt gehe es darum, das Geld sparsam und gewissenhaft auszugeben.

Michael Ziche, Landrat des Altmarkkreises Salzwedel, lobte, dass die Kommune die sächlichen Rahmenbedingungen schaffen würde. Er erinnerte aber auch daran, dass der Kreis vor fünf, sechs Jahren einen Kooperationsvertrag mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) geschlossen habe, um die Situation der Hausärzte in der Region zu verbessern. „Der Erfolg blieb bislang leider aus“, sagte er.

Gute Erfahrungen habe der Kreis dagegen mit den medizinischen Versorgungszentren gemacht, die an die beiden Krankenhäuser angedockt seien. Im Jahr würden dort 40.000 Patienten betreut. „Wir kooperieren mit der Medizinischen Hochschule in Brandenburg. Sechs Studenten konnten wir mittlerweile integrieren. Mit der Fachhochschule Plauen arbeiten wir auf dem Gebiet der Medizinischen Assistenten zusammen. Seminare der Fakultät der Medizinischen Hochschule Magdeburg finden hier vor Ort statt“, listete der Landrat Bemühungen des Kreises auf. Er fügte hinzu: „Wir sollten eigene Kinder ausbilden. Dann ist wohl garantiert, dass sie wiederkommen.“

Dass Ärzte Mangelware sind, bestätigten auch Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Soziales und Integration des Landes Sachsen-Anhalt, sowie Dr. Burkhard John von der KV des Landes. Es würden zwar 400 künftige Mediziner pro Jahr in Halle und Magdeburg ausgebildet. „Aber davon kommen 70 Prozent nicht aus Sachsen-Anhalt. Und diese bleiben nur selten hier“, machte Burkhard John deutlich. Da müsse von Seiten des Landes etwas geändert werden. Er verwies zudem darauf, dass die KV pro Semester zwei Medizinstudenten an der Universität Witten/Herdecke in Nordrhein-Westfalen mit einem Stipendium unterstütze. „Warum nicht an den Ausbildungsstätten hier im Land?“, wollten Zuhörer wissen. „Weil wir in staatlichen Universitäten keine Unterstützung geben dürfen, nur in privaten“, antwortete er. „Das sehe ich nicht ein“, entgegnete Petra Grimm-Benne, die sich für eine Änderung dieser Vorgabe einsetzen wolle.

Notwendig sei auch, sich vom Abitur-Durchschnitt von 1,0 zu lösen, um für ein Medizinstudium zugelassen zu sein, merkte Burkhard John an. Kai-Uwe Dobberkau, Hausarzt in Osterburg, schlug vor, dass jeder, der Medizin studieren wolle, vorher ein Jahr in der Pflege arbeiten müsste. „Dann lassen sich die richtigen Bewerber finden, die fähig für diesen Beruf sind. Bislang ist ja fast nur die Note ausschlaggebend“, fügte er hinzu.

Heutzutage gibt es neue Möglichkeiten, um Ärzte anzulocken. In Letzlingen gebe es eine Filialpraxis, für die eine junge Ärztin gewonnen werden konnte, in Osterburg ein Stipendium für einen Nachwuchsmediziner, nannte Petra Grimm-Benne zwei Beispiele. Die KV unterstütze bei der Weiterbildung nach dem Studium, helfe mit Startkapital für eine Praxis, erklärte Burkhard John.

„Und wir haben auch angestellte Ärzte“, fügte er hinzu. Einer davon ist Matthias Strecker aus Salzwedel, der in Klötze praktiziert: „Mit fast 57 Jahren war ich nicht gewillt, einen Kredit aufzunehmen. So bin ich angestellt und muss mich nicht zwingend um die Abrechnungen kümmern.“ Die KV sei deutschlandweit führend mit diesem Modell.

Susanne Mattig, Ärztin in Salzwedel, liebt ihren Beruf immer noch. Aber als sie vor fünf Jahren eine Praxis übernommen habe, sei sie „plötzlich eine Wirtschaftsunternehmerin gewesen, ein knallharter Kapitalist“. Beim Medizinstudium lerne man nicht, wie Abrechungen zu schreiben seien. „Die Bürokratie macht etwa 20 Prozent meiner Arbeit aus“, sagte sie.