1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. Was Finnen von uns lernen können

Film-Dreh Was Finnen von uns lernen können

Der Altmarkkreis macht in Finnland Schule: mit dem Projekt „Tag in der Praxis“ des Vereins für berufliche Bildung (VfB) Salzwedel.

Von Antje Mewes 07.02.2018, 21:00

Salzwedel l Was haben Finnland und der Altmarkkreis gemeinsam? Wenig Einwohner. Während der Altmarkkreis mit 37 Einwohnern je Quadratkilometer in Deutschland zu den dünnbesiedeltsten Regionen gehört, steht er im Vergleich mit dem Land der tausend Seen noch gut da. Dort leben nur 16 Einwohner auf dem Quadratkilometer. Und auch dort gebe es wie in Deutschland eine wachsende Tendenz zur Urbanisierung, also zum Bestreben der Menschen, in die großen Städte und Ballungsräume zu ziehen, erklärt Tapio Nurminen.

Er ist als Korrespondent für verschiedene finnische Zeitungen und fürs Fernsehen tätig und lebt schon seit 24 Jahren in Berlin und München.

Der Altmarkkreis habe in jüngerer Vergangenheit als strukturschwache Region überregional Schlagzeilen gemacht, erzählt er. Weite Anfahrtswege bis zur nächsten Autobahn, Schwächen in der wirtschaftlichen Entwicklung und eine mangelnde Breitbandanbindung sowie eine fortschreitende Entvölkerung seien angeführt worden.

Für ihn ein Grund zu recherchieren, wie in der Westaltmark versucht wird gegenzusteuern. Und dabei sei er auf verschiedene konkrete Projekte gestoßen, die ihn interessieren und die vielleicht auf sein Heimatland übertragbar wären. „Es geht darum, wie es gelingen kann, eine Region trotzdem lebendig zu halten“, erklärt der Journalist seine Intention, eine Reportage über den Altmarkkreis zu schreiben und Berichte fürs Fernsehen zu drehen.

Neben der Organisation des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) mit seinem Rufbussystem ist ihm das Projekt „Tag in der Praxis“ aufgefallen. Es richtet sich an die Schüler der 9. Klassen. Sie verbringen alle zwei Wochen jeweils einen Tag in einem Unternehmen. Ziel ist, dass sie vielfältige Ausbildungsmöglichkeiten kennenlernen. Das soll die Abbrecherquote senken. „Und die Betriebe haben die Möglichkeit, sich darzustellen und den Kontakt zu den Jugendlichen zu halten, um sie als Auszubildende zu gewinnen“, erklärt Thomas Koberstein, Geschäftsführer des VfB.

Zudem ist ein Modellversuch mit der Plattform „Junge Köpfe – Karriere in der Altmark“ angelaufen, der darauf abzielt, Schülern, Studenten, Praktikanten und Fachkräften Möglichkeiten einer beruflichen Perspektive in der Altmark aufzuzeigen.

Für die Reportage ging es in Betriebe, in denen gerade Schüler ihren Tag in Praxis absolvieren. Begleitet wurde der finnische Journalist dabei vom Chef des VfB sowie von Projektleiter Dietrich Jahn. Beide hatten zuvor vom Ansatz berichtet, Schüler frühzeitig mit der Arbeitswelt und Ausbildungsbetrieben in Kontakt zu bringen und ihnen die Berufsorientierung zu erleichtern. Letztendlich geht es darum, sie nach erfolgreichem Abschluss in der Region als Fachkräfte zu halten.

Mit Thomas Koberstein wurde vor laufender Kamera auf dem VfB-Gelände noch ein Interview geführt, ehe es zur benachbarten Personenverkehrsgesellschaft Salzwedel (PVGS) ging. Dort verbrachte gerade ein Neuntklässler seinen Tag in der Produktion. Gleichzeitig wollte Tapio Nurminen den Aufbau des ÖPNV in einem Flächenlandkreis mit geringer Bevölkerungsdichte kennenlernen.

Am Morgen hatte er die Geschäftsstelle der Industrie und Handelskammer (IHK) besucht und war mit den Wirtschaftsjunioren ins Gespräch gekommen. Auch dabei drehte sich alles um den Fachkräftemangel und wie er zu bekämpfen ist. Ein weiteres Thema sei die Breitbandanbindung und ihre Bedeutung für die Entwicklung der Region gewesen. Dabei sei herausgearbeitet worden, dass es gelingen muss, die jungen Leute schon beim Übergang von der Schule in den Beruf an die Region zu binden. Gleichzeitig gehe es darum, auch qualifizierte Arbeitsplätze für Studienabsolventen anbieten zu können.

Themen, die auch in den ländlichen Regionen Finnlands eine zunehmende Rolle spielten, erklärte Tapio Nurminen. Obwohl er überwiegend in Deutschland lebt, verbringt er regelmäßig Zeit in seiner Heimat. „Zu etwa 70 Prozent bin ich in Deutschland und zu 30 Prozent in Finnland“, erzählt er.