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Gerichtsverfahren Prozess gegen Salzwedler "Reichsbürger" läuft

Am Landgericht Stendal ist der Prozess um einen Angeklagten aus Salzwedel gestartet, der der Reichsbürger-Bewegung nahestehen soll.

Von Wolfgang Biermann 30.08.2018, 09:52

Stendal/Salzwedel l Ein Mann aus Salzwedel soll bei einer Razzia wegen des Verdachts auf Rauschgiftbesitz am 12. Oktober 2016 in seiner Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in Tötungsabsicht ein Beil auf einen Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) des LKA Magdeburg geworfen haben. Seit Dienstag, 28. August 2018, steht der in Fuß- und Handfesseln vorgeführte, als renitent geltende sowie polizei- und gerichtsbekannte 45-Jährige wegen versuchten Totschlags und acht weiterer Straftaten vor dem Landgericht.

Er steht im wahrsten Sinne des Wortes, umringt von acht Justizwachtmeistern, denn er weigerte sich während des gesamten Gerichtstages, Platz zu nehmen. Zudem erklärte er in der Manier der sogenannten Reichsbürger das Gericht und die Richter für nicht zuständig: „Ich lehne das Gericht ab.“

Der Vorsitzende Richter Ulrich Galler solle ihm ein Schreiben vorweisen, das ihn legitimiere, Recht zu sprechen. Was der Angeklagte zur Begründung anführt, geht in einem teils heftig geführten Wortwechsel zwischen ihm und Richter Galler unter.

Mitangeklagt ist die 36-jährige Ehefrau. Auch sie weigert sich, auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Als Richter Galler ihr anbietet, zumindest die Handfesseln abzunehmen, lehnt sie aus Solidarität zu ihrem Ehemann ab.

Die Staatsanwaltschaft Stendal legt der iranischen Staatsbürgerin in zwei Anklagen Beleidigung und falsche Verdächtigung zur Last. Die Verlesung der Anklage wird zur Tortur für die Prozessbeteiligten und die Zuschauer, denn der Angeklagte stört permanent und lautstark. Nur Bruchstücke sind vernehmbar. Demnach stürmte das vom Polizeirevier Salzwedel zur Unterstützung angeforderte SEK kurz nach 6 Uhr morgens am 12. Oktober 2016 die Wohnung des Ehepaares.

Dazu brachen die Beamten die Wohnungstür mit einer Ramme auf und warfen eine sogenannte Irritationsgranate. Das Ehepaar fanden sie im Bett vor. Unvermittelt habe der Angeklagte das Beil auf ihn geworfen, sagte der SEK-Beamte mit der Kennziffer 101 gestern als Zeuge aus. Das Beil habe ihn wohl am Oberkörper getroffen, aber dank der Schutzweste sei er unverletzt geblieben. Der Name des Beamten blieb aus polizeitaktischen Gründen auch vor Gericht geheim.

Bei dem Einsatz fand die Polizei wie vermutet Rauschgift: gut 90 Gramm Cannabis. Später beschuldigte das angeklagte Ehepaar die durchsuchenden Beamten des Diebstahls. Diese sollen unter anderem 5000 Euro sowie diverse Handys und Tablet-Computer bei der Razzia aus der Wohnung gestohlen haben. Die SEK-Beamten sowie Polizisten des Polizeireviers Salzwedel waren bei diesem Einsatz sowie bei anderen Gelegenheiten immer wieder übelsten Beschimpfungen durch die Angeklagten ausgesetzt.

Beleidigungen mussten auch Mitarbeiter des Bürgercenters Salzwedel über sich ergehen lassen. Dazu kommen laut Anklage Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Bedrohung und Körperverletzung. So soll der Angeklagte einem vermeintlichen Nebenbuhler einen heftigen Faustschlag versetzt haben. Schläge erhielt demnach auch ein Gartenbesitzer in Salzwedel.

Zum ersten Prozesstermin im Februar 2018 waren die Angeklagten nicht erschienen. Haftbefehl wurde erlassen. Zielfahnder hefteten sich daraufhin an ihre Fersen. Zwischenzeitlich hatten sie sich dem Vernehmen nach ins Ausland abgesetzt. Am 8. Mai 2018 erfolgten Festnahme und Inhaftierung.

Eine Überraschung gab es am Ende des ersten Verhandlungstages. Während sich der Angeklagte und seine Frau zu Beginn nicht zu den Vorwürfen einließen, gab die 36-Jährige an, dass nicht ihr Mann, sondern sie das Beil geworfen habe. Sie sei im Krieg im Iran aufgewachsen. Deshalb habe sie aus Angst immer eine Waffe am Bett.

Als das SEK unangekündigt in ihre Wohnung gekommen sei, will sie das Beil geworfen haben, weil sie sich bedroht gefühlt hätte.

Sieben Verhandlungstage hat das Landgericht Stendal bislang angesetzt. Nach derzeitigem Stand ist das Urteil für den 19. September geplant. Übrigens lehnen die Angeklagten nicht nur das Gericht, sondern auch ihre Pflichtverteidiger ab.