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Gewaltprävention Halt, das will ich nicht!

Ein böses Wort oder eine unangebrachte Geste: Schnell können Situationen entgleisen. In Depekolk setzt man auf ein Sozialkompetenztraining.

Von Alexander Rekow 28.11.2019, 12:48

Depekolk l „Du blöde Kuh“, sagt ein Grundschüler. Nicht aber zu einem Mitschüler, sondern zu Thomas Lohan. Der großgewachsene Kampfsportler reagiert völlig gelassen: „Was ist denn blöd an einer Kuh?“, fragt er. Darauf weiß der Dreikäsehoch keine Antwort und Lohan schleicht sich davon. „Seht ihr, nach einer Beleidigung könnt ihr eine Frage stellen und so aus dieser Situation kommen“, erklärt er den Grundschülern.

Thomas Lohan muss es wissen. Der Teamleiter von „Gewaltfrei Sachsen-Anhalt“ ist ein Profi in Sachen Deeskalation. Und genau deshalb ist er nun für zwei Tage im altmärkischen Depekolk, um sein Wissen an Schüler, Lehrkräfte, Erzieher und Eltern weiterzugeben.

„Ist dir das zu nah?“, will Pädagoge Lohan wissen und stellt sich dicht vor ein Mädchen. Etwas eingeschüchtert nickt sie. „Halt“, ruft der Trainer laut. Selbst die Lehrkräfte zucken zusammen. „Seht ihr, was passiert? Ein deutliches und lautes ‚Halt, ich will das nicht‘, reicht häufig schon aus.“ Und wieder üben die Schüler in einem Rollenspiel das gerade Gezeigte. Es sind die Grundregeln des Miteinanders, die Lohan den Schülern vermittelt. Nein sagen, aus der Situation gehen, deutliche Gesten.

Auch das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt der Trainer für Deeskalation und Gewaltprävention. „Du Affe“, ruft er einem Jungen zu. Doch wie soll er reagieren? Mit drei einfachen Sätzen, erklärt er. „Ich bin wie ich bin. Wie genau meinst du das? Was ist so schlimm daran?“ Auf eben jene Erwiderung hätten gerade Kinder oft keine Antwort. Dies erlaube es dem potenziellen Opfer, sich der Situation zu entziehen. Und auch das Entkommen aus bedrohlichen Szenen, wie das Packen des Arms, verdeutlicht der Kampfsportler spielerisch mit einfachen Bewegungsmustern.

Die Freie Schule Altmark in Depekolk hat“ keinen brennenden Anlass“, stellt Sachunterrichtslehrer Henning Britsch klar. Doch bevor es dazu komme, biete die Schule ihren Schülern und Lehrkräften das Training an. „Beim letzten Mal hatten wir ein Anti-Mobbing-Training“, erläutert er. Das sei aber schon etwas länger her. Daher nun das Sozialkompetenztraining.

Aber auch dabei belässt es die Bildungseinrichtung nicht. „Das soziale Miteinander ist uns ein sehr wichtiges Anliegen“, bekräftigt Henning Britsch, deshalb beginne jedes Schuljahr mit der Vermittlung der Regeln für ein harmonisches Miteinander. Dass die Herangehensweise funktioniert, würde die private Einrichtung von den weiterführenden Schulen erfahren. „Dort kommt positive Rückmeldung“, erzählt der Lehrer.

Neben den Kindern und Pädagogen der Schule werden auch die Eltern der Schüler in das Sozialkompetenztraining mit eingebunden. „Das war auch explizit so gewünscht“, sagt Britsch. Schließlich gehöre das häusliche Leben ebenso zum sozialem Miteinander, wie der Alltag an der Grundschule.

Übrigens: Das Geld für das Zweitägige Training sammelten zu 50 Prozent die Eltern der Kinder. Zu den Gönnern gehören unter anderem die Lady Lions, weiß der Sachkundelehrer.

Unterdessen probieren die Schüler sich aus einer Umarmung zu befreien. Der Trainer weiß, wie schnell eine unbehagliche Situation für die Mädchen und Jungen entstehen kann und gibt ihnen Tipps mit auf den Weg, wie sie sich daraus befreien können. Denn niemand muss sich anfassen lassen. Stattdessen haben alle das Recht Nein zu sagen; selbst zu entscheiden, welche Nähe zugelassen wird und welche nicht. „Und nochmal: sagt Stop!“, rät Thomas Lohan den Kindern.