Fund dank glücklicher Umstände in Bibliothek der Salzwedeler Katharinenkirche Jahrsauer Altarfiguren wiederentdeckt
Drei Jahrsauer Altarfiguren sind wiederentdeckt worden. Sie galten schon als verloren. Pfarrer Matthias Friske fand die Figuren in der Bibliothek der Katharinenkirche.
Salzwedel l Kaum noch etwas erinnert an das kleine Altmark-Dorf Jahrsau in der Nähe von Jeebel. Den Ort gibt es nicht mehr, aufgrund seiner damaligen Grenzlage wurde es in den 70er Jahren geschleift. Schon in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs war die Kirche stark zerstört worden. Von ihr und von den Höfen des Ortes gibt es keine Spur mehr. Heute erinnert noch eine Tafel an das Schicksal von Jahrsau.
Und doch ist nun etwas wieder aufgetaucht, besser gesagt, wiederentdeckt worden, das auf ganz besondere Weise an diesen verschwundenen Ort erinnert: die verschollen geglaubten Altarfiguren der Jahrsauer Kapelle. Sie stammen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert und befinden sich in der Bibliothek der St. Katharinen-Kirche in Salzwedel. Wahrscheinlich stehen sie dort oben schon seit Ende der 1950er Jahre. Dass es sich um die Jahrsauer Figuren handelt, ist nur durch Zufall und Forscherdrang herausgekommen.
Gesucht hatte Dr. Peter Knüvener aus Berlin nach ihnen schon lange. Im Rahmen seiner Doktorarbeit machte sich der Berliner Kunsthistoriker auf Spurensuche in der Altmark.
Er orientierte sich am umfangreichen Aufsatz von Wilhelm Stapel von 1913, der nahezu alle Flügelaltäre dieser Region beschrieb. "Ich versuchte, möglichst all diese Orte ebenfalls aufzusuchen, um festzustellen, was noch vorhanden ist", erinnert sich Knüvener. Vor gut einhundert Jahren hatte Stapel keine Fotografien verwendet, sondern formulierte höchst exakt und beschrieb mit großem Wortreichtum die einzelnen Kunstwerke. Und fast alle konnte Knüvener wiederfinden. Zu den wenigen, die fehlten, gehörte der Jahrsauer Altar.
Eine umfassende Recherche begann, der Kunsthistoriker wurde zum Schatzsucher. Fündig wurde Knüvener erst im Archiv der Landeskirche in Magdeburg. Dort stieß er immerhin auf einen behördlichen Vorgang, der allerdings schon in den 1950er Jahren endete. Da verlor sich auch die Spur. Bis vorigen Sommer, als die Pfarrstelle von St. Katharinen in Salzwedel neu besetzt wurde: mit Matthias Friske, einem alten Studienfreund Knüveners. Und der staunte damals nicht schlecht, als er beim Rundgang durch die Bibliothek auf die auffälligen Schnitzfiguren stieß. "Die waren hier wie zur Dekoration aufgestellt und nirgendwo erwähnt", erinnert er sich. Friske, selbst promovierter Historiker, dachte gleich an seinen Freund in Berlin, griff kurzerhand zur Kamera und schickte die Aufnahmen per E-Mail an Knüvener. "Da kamen sofort ziemlich begeisterte Reaktionen zurück", sagt Friske: "Das waren genau die Figuren aus der Beschreibung von 1913!" Dass sie überdies höchst qualitätsvoll sind, steht für den Kunsthistoriker Knüvener außer Frage.
"Das war damals der letzte Schrei"
Kunsthistoriker Peter Knüvener
Besonders auffällig ist die ganz phantasievolle Kopfbedeckung, die im Stil der Mode des spätmittelalterlichen Burgunds, des künstlerischen Zentrums in Nordeuropa, gefertigt ist. "Das war damals der letzte Schrei", so Knüvener. Er hofft nun, vielleicht auch noch weitere Figuren der Heiligen Familie vom Jahrsauer Altar zu finden. Dass es sich tatsächlich um diese handelt, hatte inzwischen auch ein Bild aus dem Danneilmuseum bestätigt. Wie allerdings die Figuren nach Salzwedel gekommen sind, konnte bisher nicht rekonstruiert werden. Die Pfarrer, die damals in St. Katharinen arbeiteten, sind längst verstorben.
Noch sind die Figuren in der Bibliothek von St. Katharinen und nur für wenige Menschen sichtbar. Das soll sich ändern, sagt Pfarrer Friske. Er möchte sie zugänglich machen und plant dafür einen Ort am Westvorbau, der derzeit restauriert wird. Dann sollen sie auch in der korrekten Aufstellung als Altar wieder in Zusammenhang gebracht werden.