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Kommunalpolitik Digital: Eine Frage des Alters?

Warum finden in Corona-Zeiten in Salzwedel noch immer politische Sitzungen mit vielen Stadträten statt? Meinungen gehen auseinander.

Von Alexander Rekow 18.02.2021, 00:01

Salzwedel l „Ist es möglich, die Ausschüsse digital stattfinden zu lassen?“, will Cathleen Hoffmann wissen. Ihre Frage richtet sich an Bürgermeisterin Sabine Blümel und die Salzwedeler Stadtverwaltung im kürzlich stattgefundenen Verkehrsausschuss. Und die Antwort hat ihr beinahe die Sprache verschlagen. „Warum?“, will Salzwedels Stadtoberhaupt wissen und eröffnet damit ein kleines Wortgefecht zwischen den beiden. „Ansteckungsgefahr?!“, erwidert Hoffmann, überrascht von der Frage.

Sabine Blümel beruft sich daraufhin auf den in den vergangenen Tagen gesunkenen Inzidenzwert im Altmarkkreis. „Das sagt doch nichts darüber aus, wer hier infiziert ist“, so die Grünen-Politikerin, deren Vorstoß an diesem Abend bei den anderen Ausschussmitgliedern auf wenig Interesse stößt. Also macht Hoffmann ihren Frust noch während der Sitzung auf Twitter Luft: „Und jetzt weiß ich auch nicht mehr“, schließt ihr Tweet.

Auch einen Tag nach der Sitzung will Cathleen Hoffmann im Gespräch mit der Volksstimme nicht in den Kopf, weshalb es nicht einmal in Erwägung gezogen, geschweige denn darüber diskutiert werde. „Wir sind mitten in einer Pandemie, die Lage wird sich wohl auch so schnell nicht ändern“, sagt sie. Sie selber nutze die Plattform „Zoom“ für Konferenzen seit etwa einem Jahr. Probleme habe es dabei nie gegeben. „Man muss es nur wollen.“ Und genau an der Stelle will die junge Stadträtin auch den Knackpunkt erkannt haben: „Das Alter.“

Nicht wenige Räte in Salzwedel sind längst im Rentenalter, sitzen viele Jahre im höchsten Gremium. „Die technische Affinität und Offenheit für Neues sinkt im Alter“, sagt Cathleen Hoffmann. Doch gerade für jüngere Menschen könne dies eine Möglichkeit sein, Familie und politisches Engagement unter einen Hut zu bekommen. „Vielleicht engagieren sich dann mehr junge Leute in der Politik oder verfolgen die Entscheidungsprozesse.“ Denn das sei bei einer digitalen Variante möglich. Die Sitzungen ließen sich live auf Videoplattformen wie Youtube übertragen, Einwohner würden vom Computer zuhause Fragen stellen können. Demnach sieht Cathleen Hoffmann nicht nur den Schutz der Räte vor dem Virus, sondern obendrein einen Mehrwert für die Bevölkerung.

Technisch sei es obendrein einfach umzusetzen. „Man benötigt nur einen Computer, Laptop oder Smartphone“, sagt sie. Und letzteres würden heute ohnehin alle Stadträte haben. „Wir müssen ja auch E-Mails verschicken.“

Dass der Vorstoß von Cathleen Hoffmann nicht völlig aus der Luft gegriffen ist, kann auf Kreisebene beobachtet werden. So tagte am 8. Februar in einer nichtöffentlichen Sitzung der Kreisausschuss mit zwölf Mitgliedern in einer Videokonferenz. Themen: aktuelle Lage in der Pandemie, Haushalt, Kreisentwicklungskonzept. Mit Powerpoint-Dateien und allem Pipapo.

Fest steht, dass es der Stadt Salzwedel - wie dem Kreis - bereits seit dem 2. November 2020 rechtlich erlaubt ist, Sitzungen städtischer Gremien auch digital abzuhalten. Zum genannten Datum wurde das Kommunalverfassungsgesetz des Landes geändert. So heißt es nun im Gesetz, dass bei „Feststellung einer pandemischen Lage“ Beratungen und Abstimmungen per Videokonferenz anstelle von Präsenzsitzungen durchgeführt werden können. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hatte zuletzt am 5. Februar die pandemische Lage um drei weitere Monate verlängert.

Um digital zu tagen, muss der Stadtrat allerdings die Hauptsatzung und die Geschäftsordnung dahingehend ändern. Einige Kommunen in Sachsen-Anhalt haben diese Voraussetzung für digitale Ausschusssitzungen schon geschaffen – darunter die Verbandsgemeinde Egelner Mulde im Salzlandkreis und der Gemeinderat des Sülzetals (Landkreis Börde).

Mit einem Erlass des Innenministeriums Sachsen-Anhalts vom 18. Januar 2021 wird klargestellt, dass Videositzungen nur dann zulässig sind, wenn alle Teilnehmer der Ausschüsse und Gemeinderäte „ständig und gleichzeitig durch die Bild- und Tonübertragung an der Beratung und Beschlussfassung beteiligt sind“. Die Entscheidung, ob digital getagt wird, liegt laut Erlass beim Ausschussvorsitzenden - „ein Einverständnis der Mitglieder der Vertretung oder des Ausschusses ist (...) nicht notwendig“.

Weiter wird klargestellt, dass auch die Öffentlichkeit an der Sitzung teilhaben muss. Dabei wird auf Live-Übertragungen im Internet verwiesen, wie Cathleen Hoffmann bereits erläuterte.

In Halle (Saale) gab es unterdessen zwiespältige Erfahrungen mit digitalen Sitzungen. So tagten Ausschüsse (Haupt- und Finanzen) ohne größere Probleme via Videokonferenz. Die digitale Stadtratssitzung am 28. Januar musste allerdings abgebrochen werden. Einzelne Stadträte hatten Probleme mit der Technik moniert. Dazu gab es teils heftige Kritik mit dem Vorwurf, die Betroffenen hätten sich im Vorfeld nicht mit der Video-Technik auseinandergesetzt, hieß es in der Mitteldeutschen Zeitung.

„Die pandemische Lage wurde vom Landtag festgestellt“, weiß man auch im Salzwedeler Rathaus. Allerdings müsse die ordnungsgemäße Durchführung vor Ort „unzumutbar“ sein, so Stadtsprecher Andreas Köhler auf Nachfrage: „Nach Abwägung der Faktoren ist entschieden worden, dass derzeit keine Situation vorliegt, welche die Teilnahme an Sitzungen der Vertretung oder der Ausschüsse unzumutbar macht.“ Man werde aber die Lage weiterhin beobachten und jeweils vor der Sitzung abwägen.

Grundsätzlich hat die Stadtverwaltung für ihre Sitzungen Vorkehrungen und Hygienemaßnahmen ergriffen. „Am Tag der Sitzung wird eine Anwesenheitsliste ausgefüllt, diese ist beispielsweise für eine notwendige Rückverfolgung hilfreich“, so Köhler, der noch ergänzt: „Vor Ort steht Handdesinfektion bereit, ebenso liegen Einmalhandschuhe für jeden parat.“ Die Tische würden zudem so aufgestellt, dass der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern eingehalten werden könne. Die Räumlichkeiten, in denen die Ausschüsse und der Stadtrat tagen, würden den erlaubten Quadratmeterzahlen pro Teilnehmer entsprechen. „Ebenso werden die Räume vor und nach den Sitzungen gereinigt“, versichert der Stadtsprecher.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der 1,5-Meter-Abstand nicht von allen eingehalten wird. Denn wie in den Salzwedeler Gremien regelmäßig zu sehen ist, sitzen Ausschussmitglieder teils dicht an dicht und tragen beim Sitzen, bis auf Ausnahmen, wie Cathleen Hoffmann, keine entsprechende Schutzmaske.