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Volksstimme-Serie Mord und Totschlag: Feurige Rache am Lynchmob

Die zweite Folge unserer Serie dreht sich um ein Verbrechen aus dem 16. Jahrhundert.

Von Marco Heide 13.09.2016, 01:01

Salzwedel l Lynchmord, 80 Häuser in Salzwedel in Flammen, erschlagene Frauen, auf dem Scheiterhaufen brennen die Täter und Helfer – das alles sind Bestandteile einer „Fürchterlichen Mordbrenner Geschichte“, über die die Salzwedeler Zeitung im Januar 1900 berichtet. Allerdings liegen die Ereignisse selbst bereits etwas länger zurück, haben sich jedoch in einer Chronik erhalten.

Im Jahr 1581 wütet die Pest in der Stadt. Eine alte Frau mit dem Namen „Vicke“ wollte den schwarzen Tod mit „phantastischen und abergläubischen Mitteln“, so steht es in der Zeitung, vertreiben. Doch das misslang ihr und sie zog sich damit den Zorn der Menschen auf sich. Zur Strafe musste die vermeintliche Wunderheilerin an den Schandpfahl und wurde obendrein aus der Stadt verwiesen. Doch das war dem wütenden Mob nicht genug. Sie verfolgten die Alte, steinigten sie vor den Toren der Stadt und verscharrten ihre Leiche auf dem Schindanger.

Die Söhne der Ermordeten erhoben Anklage. Die Brüder konnten zwei Täter benennen – darunter der Sohn eines Predigers. Das Verfahren verlief im Sande. Zur Rechenschaft für den Lynchmord wurde damals niemand gezogen. Doch die Brüder Vicke schworen sich, Rache an Salzwedel und den Bürgern der Stadt zu nehmen.

Am 16. Dezember 1594 brannten drei Häuser in der Altstadt. Doch den Söhnen der Ermordeten war das Feuer - die Rache - noch zu klein. Mehr als ein halbes Jahr später, am 26. August 1595, brach in Salzwedel gegen 13 Uhr ein Inferno aus. Wie die Zeitung berichtet, legten die Brüder eine brennende Lunte in die mit Stroh gefüllte Krippe eines Hinterhauses. 80 Häuser gingen in Flammen auf.

Die Täter wurden kurz darauf gefasst und in der Scharfrichterei am Bockhorner Tor eingekerkert. Die Geschichte der Mordbrenner Hans und Palm Vicke, Henning Neubauer aus Henningen, Hans Müller aus Barnebeck und Andreas Ahlemann war damit noch nicht beendet. Den Männern gelang am 8. Dezember 1595 die Flucht aus dem Kittchen. Statt einfach das Weite zu suchen, töteten sie laut Aufzeichnungen drei Frauenzimmer sowie ein Mädchen und türmten im Anschluss über die Stadtmauer.

Doch die Bande blieb nicht lange auf freiem Fuß. Am 18. Januar 1596 kassierten sie die Wachen wieder ein und am 27. Februar ging es den Tätern aus heutiger Sicht brutal an den Kragen. Hans Vicke, der Vater der beiden Brüder, landete bei lebendigem Leibe auf dem Scheiterhaufen, weil er seine Söhne zu der Tat angestiftet haben soll. Palm und Hans Vicke jr. teilten das Schicksal ihres Vaters. Allerdings malträtierte der Scharfrichter die beiden Männer mit glühenden Zangen, bevor er sie dem Feuer übergab. Anne Vicke, die Schwester von Palm und Hans jr., musste ebenfalls den Feuertod sterben.

Sie unterstütze ihre Brüder aktiv bei der Brandstiftung und soll außerdem geplant haben, das Haus ihres Dienstherren abzufackeln. Hans Müller aus Barnebeck brannte einige Wochen später. Erst 1597 erhielt Henning Neubauer seine Strafe in Magdeburg, weil er an der Pest erkrankt war. Auch er wurde mit glühenden Zangen gequält und anschließend verbrannt.

Das persönlich härteste Urteil erhielt wohl Andreas Ahlemann. Er war in keiner Weise aktiv an den Taten beteiligt, wusste aber von ihnen und meldete die Rachepläne der Brüder nicht. Er musste zwar nicht lebendig auf dem Scheiterhaufen schmoren. Doch ohne Kopf, den ihm der Scharfrichter abschlug, lebte es sich trotzdem schlecht.