Nach Messerangriff Psychologische Hilfe nicht angekommen
Nach dem Messerangriff an einer Salzwedeler Schule wird das Geschehen aufgearbeitet. Es gibt Kritik am Landesschulamt.
Salzwedel l Lehrer der Comeniusschule sind enttäuscht: Auch Tage nach der Messerattacke ist aus Magdeburg keine Hilfe für die Schüler in Salzwedel angekommen. Lehrkräfte sind bemüht, das Geschehen mit den Kindern und Jugendlichen aufzuarbeiten. Doch es fehlt ein Psychologe.
Der Messerangriff auf einen 14-Jährigen durch eine Mitschülerin am Montag (23. November) in der Comeniusschule hat das Kollegium und besonders die Kinder und Jugendlichen schwer mitgenommen. Daher kann Lehrerin Angelika Hergesell nicht verstehen, dass das Landesschulamt die Situation darstellt, als sei alles geregelt. Im Gegenteil. „Nichts ist in Ordnung“, ärgert sie sich. Und Kollegen geht es ähnlich. Denn die benötigte psychologische Hilfe sei bis heute nicht in Salzwedel angekommen.
„Von außen ist überhaupt niemand auf uns zugekommen“, bestätigt auch die Klassenlehrerin der betroffenen 9. Klasse, in deren Beisein sich die Tat ereignete. Von einer schulpsychologischen Hilfe vor Ort, wie vom Landesschulamt am Dienstag gegenüber der Volksstimme bestätigt wurde, könne nicht die Rede sein. Vielmehr habe sich eine ehemalige Religionslehrerin, ausgebildet als Notfallseelsorgerin, freiwillig gemeldet, um zu unterstützen, heißt es aus dem Kollegium.
Offensichtlich ging man im Landesschulamt in Magdeburg nach einem Telefongespräch mit der Schulleitung davon aus, dass mit der ausgebildeten Notfallseelsorgerin bereits professionell Hilfe vor Ort organisiert ist.
Der Unterricht an der Comeniusschule steht derzeit mehr unter dem Motto Aufarbeitung. „Wir reden viel miteinander“, sagt Angelika Hergesell, „besonders mit der betroffenen Klasse.“ Zusätzlich zur Notfallseelsorgerin und dem Schulsozialarbeiter.
„Das war für alle ein Schock“, bringt die Klassenlehrerin der 9. Klasse die Gemütslage in der Schule auf den Punkt. Daher sei es ihr ein großes Anliegen, Lob der betroffenen Klasse auszusprechen. „Sie sind alle ruhig geblieben und geordnet rausgegangen.“
Zwei Schüler hätten unmittelbar nach der Tat sofort weitere Lehrkräfte informiert. Ihrem Klassenkameraden gegenüber würden sie viel Mitgefühl zeigen und als Klasse hinter ihm stehen.
„Es ist eine funktionierende Klasse.“ Mit der Tat hatte keiner der Jugendlichen gerechnet. „Alle fühlten sich sicher.“ Wohl gerade deshalb sitzt der Schock tief. Gestern habe ihr die Klasse signalisiert, dass die Situation noch nicht aufgearbeitet sei.
Verstörend hätte vor allem die Aussage aus dem Landesschulamt auf Schüler und Lehrer gewirkt, dass es derzeit noch offen sei, ob die 15-Jährige an die Schule zurückkehren könnte. Begründet hatte das Schulamt diese Aussage mit den derzeit noch laufenden Ermittlungen.
„So was kann man doch am Tag danach nicht sagen“, ärgert sich der stellvertretende Schulleiter Werner Blattner: „Wie will man beruhigen, wenn das in Aussicht steht?“
Nach Ansicht der Klassenlehrerin sei die Schülerin nicht gemobbt worden. Von der Staatsanwaltschaft gab es dazu bislang keine Angaben. Ebenso nicht zum Motiv. Auch die Klassenlehrerin kann ein Motiv nicht erkennen. Ihrer Kenntnis nach gebe es auch keine Vorgeschichte. Die Jugendliche habe wenig Interesse am Klassenverbund gezeigt, sagt sie. Trotz ihrer Bemühungen sei sie verschlossen gewesen.
Besonders ans Herz geht es Angelika Hergesell, dass das Sicherheitsgefühl nicht mehr da ist. Am Tag nach der Tat sagte ihr ein Schüler, er habe sich in der Schule immer in Sicherheit gefühlt. Nun sei Lehrern wie Schülern der Boden unter den Füßen weggezogen worden.
Alle hoffen jetzt auf zügige Unterstützung aus Magdeburg. „Wir sind ja keine Psychologen, und die Schüler warten auf Hilfe“, so Hergesell.
Unterdessen ist wohl auch im Landesschulamt angekommen, wie dringend der Einsatz eines Psychologen ist. Via Mail erfuhr Blattner am Mittwoch, dass sich um schnellen Ersatz bemüht werde. Ursprünglich wollte sich wohl erst kommende Woche Donnerstag telefonisch ein Schulpsychologe melden.
Die Schülerin sitzt aktuell in Untersuchungshaft.