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Amtsgericht Notdurft oder Holzklau?

In Salzwedel wurde ein Mann aus Dolle des Diebstahls angeklagt - wegen eines angeblichen Wald-Toilettengangs.

19.01.2021, 02:00

Salzwedel l Hat da jemand etwas im Wald gelassen oder was gestohlen? Diese Frage sollte vom Amtsgericht Salzwedel geklärt werden. Ein 76-jähriger Rentner aus Dolle wurde beschuldigt, aus dem Wald nahe eines Arendseer Ortsteils Holz im Wert von 150 Euro gestohlen zu haben. Der Besitzer des Holzes will dies beobachtet haben.

Laut Angeklagtem handelte es sich aber um ein Missverständnis. Im Wald sei er gewesen – zusammen mit einem Beifahrer – aber aus anderen Gründen. Er habe dort nämlich seine „Notdurft“ verrichtet.

Unter Verdacht kam der Mann auch, weil er an dem Tag mit einem Anhänger voller Holz unterwegs war. Aber auch dafür gebe es eine Erklärung, erzählte er. Denn er habe das Holz von einem Bekannten aus Salzwedel geholt, der ihn zum Schlachtefest eingeladen habe.

Der direkteste Weg von Salzwedel nach Dolle führt eigentlich zunächst über die B 71, aber der Angeklagte fahre lieber den Umweg über Arendsee, um seinen dort begrabenen Sohn zu besuchen oder zumindest am Friedhof vorbeizufahren, erklärte er. Allerdings habe er das Fleisch vom Schlachtfest wohl nicht so recht vertragen, weshalb er neben dem Wald hielt, sich erleichterte und weiterfuhr. Auf dem Rückweg habe er dann einen Pkw bemerkt, der ihm nach Hause folgte. In diesem saß der Besitzer des angeblich gestohlenen Holzes.

Denn er hatte etwas ganz anderes gesehen und gehört, schilderte der Zeuge in seiner Aussage. Er habe dumpfe Geräusche vernommen – ähnlich denen, die man beim Aufladen von Holz hören würde – und am Wald einen Mann im roten Pullover gesehen. Er sei daher ins Auto gestiegen und habe den Angeklagten eingeholt, um ihm die etwa 70 Kilometer nach Dolle zu folgen.

Als er den Angeklagten zur Rede stellte, habe dieser entgegnet „Ist mir scheißegal!“.

In einer früheren Aussage gab er sogar an, der Angeklagte – ein Jäger – habe eine Schusswaffe am Gürtel getragen.

Der Zeuge habe zunächst Abstand genommen, denn „ich habe gesehen, was da für eine Fahne weht“, sagte er. Gemeint war eine schwarz-weiß-rote Reichskriegsflagge, wie sie in Zeiten der Weimarer Repu­blik verwendet wurde. Der Zeuge habe die Polizei informiert und Fotos vom Haus des Angeklagten sowie vom Holzstapel gemacht.

Der Angeklagte bestritt einige der Aussagen, wirkte teilweise sehr aufgelöst und unterbrach die Zeugenvernehmung, weshalb ihn Richter Klaus Hüttermann mehrfach aufforderte und fast verwarnte.

Einen roten Pullover habe er nie getragen, sagte der 76-Jährige, und bei der zitierten Aussage fehle der Kontext. Eigentlich laute sie: „Ich hab nichts gestohlen, was Sie hier sagen, ist mit scheißegal!“.

Dass das aufgeladene Holz aus Salzwedel stammte und der Stopp in Arendsee nur dem Toilettengang diente, gab auch der Beifahrer des Angeklagten an. Noch interessierter wirkte Hüttermann aber an seinen Angaben zur Grundstücksdekoration des Angeklagten, denn dass dort eine Reichskriegsflagge weht, bestritt der Zeuge. Doch auch mit der fragwürdigen Aussage des Beifahrers konnte dem Angeklagten keine zweifelsfreie Schuld nachgewiesen werden.

„Die Schlussfolgerung hätte sicher jeder gezogen“, zeigte die Staatsanwältin Verständnis für den Kläger, doch merkte sie an, dass er das Aufladen – den eigentlichen Diebstahl – nie gesehen hat. Daher beantragte sie Freispruch. Der Richter erklärte, dass weder Schuld noch Unschuld des Angeklagten nachzuweisen seien. Daher gelte das Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“, und damit hieß es: Freispruch.