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Ärztemangel Praxisübernahme mit Hindernissen

Ärztin Karin Willert hat in Salzwedel für ihre Praxis eine Nachfolgerin gefunden - und Probleme.

Von Alexander Rekow 18.09.2019, 12:07

Salzwedel l Wer über Hausärzte in Salzwedel spricht, kommt an Karin Willert nicht vorbei. Seit 1979 praktiziert sie schon in der Jeetzestadt. Doch die Zeichen stehen auf Abschied. Die Allgemeinmedizinerin steht vor ihrem Ruhestand. Gerade in der vom Ärztemangel geprägten Zeit eine Hiobsbotschaft für ihre Patienten. Doch Karin Willert hat mit Edita Pociute-Kurlaviciene eine Nachfolgerin gefunden. Wer nun aber glaubt, dass die Litauerin aufgrund des Ärztemangels mit offenen Armen begrüßt wurde, irrt. Ganz im Gegenteil: Noch heute hat die junge Ärztin nach eigenen Angaben mit der Bürokratie im Altmarkkreis zu kämpfen.

Die DDR hat noch existiert, als Karin Willert ihre Arbeit als Medizinerin in Salzwedel aufnahm. Ab 1979 in der Poliklinik, später im Neubaugebiet. In der Straße der DSF (Deutsch-Sowjetischen-Freundschaft), heute Lindenallee, bezog sie 1986 ihre Praxis. Anfang der 1990er zog sie schließlich in die neu errichtete Altmark-Passage in der Buchenallee, wo noch heute ihre Praxis zu finden ist.

Langsam aber sicher müssen sich gerade ihre langjährigen Patienten auf den Abschied einstellen. Am 1. April 2020 geht sie in den Ruhestand. Daher praktiziert ihre neue Kollegin bereits in der Praxis.

„Ab dem 1. Oktober 2019 ist es die Praxis der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)“, erklärt die erfahrene Medizinerin: „Dann arbeiten wir hier vorerst beide.“ So würden sich die Patienten langsam an die neue Ärztin gewöhnen können und sich die Medizinerin an die Gepflogenheiten. Doch fast wäre nichts daraus geworden.

Bis April dieses Jahres war keine Nachfolge in Sicht. Dann ging alles ganz schnell. Die KV schlug vor, die Litauerin in die Altmark zu lotsen. Mit einigen Versprechungen überzeugte man die junge Ärztin, ab Mai 2019 bei Willert zu hospitieren. Es ging um zugesicherte Kita- und Hortplätze für ihre Kinder, um kostenlosen Deutschunterricht für ihren Mann oder auch um Unterstützung bei der Wohnungssuche. Doch es sollte kompliziert werden und zum Teil auch weiterhin bleiben.

Beispiel: der versprochene Deutschunterricht für ihren Mann. Der Litauer ist studierter Mathematiklehrer. In Zeiten, in denen der Lehrermangel ebenso gravierend ist wie der Ärztemangel, eine Situation, in der alle Beteiligten gewinnen sollten. „Doch dann sollte er den Kurs selbst bezahlen“, sagt die junge Litauerin. 2500 Euro, das war für die Familie nicht zu stemmen, schließlich verdiente die Ärztin noch kein Geld und beide kamen mehr oder minder mittellos in Salzwedel an. Das Ärzte-Honorar in Litauen ist zudem nicht annähernd mit dem in Deutschland zu vergleichen. „Mittlerweile ist das Problem nach vielen Laufereien erledigt“, sagt Edita Pociute-Kurlaviciene. Ihr Mann kann den Sprachunterricht kostenfrei besuchen.

Doch damit nicht genug. „Seit Mai kämpfe ich um Kindergeld“, erzählt sie weiter. Denn seit April gibt es auch keines mehr aus Litauen. Nur durch die finanzielle Unterstützung der Familie kommt das junge Paar über die Runden. Wohl bemerkt in Zeiten, in denen Ärzte und Lehrer in Sachsen-Anhalt händeringend benötigt werden. Die Familienkasse würde den Ball zum Jobcenter schieben und andersrum.

Aber auch damit nicht genug. Weitere Steine werden den beiden in den Weg gelegt. „Es gibt auch Probleme mit meinem Ehestand“, sagt die junge Frau. Denn ihre Ehe wird nicht anerkannt. Und das, obwohl die Eheurkunde anwaltlich geprüft und notariell beglaubigt wurde, so die gebürtige Litauerin. Nun wird sie als ledig geführt. Ein Unding für eine verheiratete Frau und Mutter zweier Kinder. „Das wirkt sich ja auf ihre Steuerklasse aus“, ärgert sich Karin Willert. Die beiden Medizinerinnen können es nicht fassen, wie schwer der Weg trotz Ärztemangels ist. Nun braucht sie eine international anerkannte Eheurkunde. Ihr Vater bemüht sich derzeit in der alten Heimat darum.

Übrigens: Litauen wurde im Jahr 2004 Mitglied der EU. Seit dem 21. Dezember 2007 ist Litauen obendrein Teil des Schengener Raums.

Positiv sei erwähnt, dass die zugesagte Hilfe bei der Betreuung der Kinder eingehalten wurde. Auch eine Unterkunft ist nach einigem Hin und Her gefunden. Edita Pociute-Kurlaviciene hofft nun, dass auch die weiteren Probleme zeitnah gelöst werden. Denn eigentlich möchte sie sich auf die Patienten und ihre Arbeit konzentrieren, statt ständig Ämter aufzusuchen. Immerhin werden pro Quartal etwa 2000 Patienten in der Praxis von Karin Willert betreut. Damit dürfte sie zu den Praxen mit den meisten Patienten in der Einheitsgemeinde Salzwedel gehören.

Für die Patienten ändert sich eigentlich nichts. „Die Sprechstundenzeiten bleiben unverändert“, verspricht Karin Willert. Jeder werde weiterhin behandelt. Auch der Standort bleibt. Der Fahrstuhl und die vielen Parkplätze seien ein Vorteil. Nur an das neue Gesicht und den etwas sperrigen Namen der Litauerin müssen sie sich gewöhnen. Dafür haben sie aber noch einige Monate Zeit.

Noch kann sich Karin Willert eine Zeit ohne Praxis nicht vorstellen: „Das war ja immer mein Job.“ Doch sie freut sich darauf, wieder mehr Zeit fürs Lesen zu finden, auf Reisen zu gehen und ihren blumenreichen Garten zu pflegen.