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Reparatur Wenn Schrauben sich nicht lösen

Der Salzwedeler Reiner Tomalik haucht defekten Elektrogeräten neues Leben ein.

30.03.2020, 02:00

Salzwedel l Auf der alten Werkbank liegt ein betagtes Elektrogerät. Man sieht dem kleinen, orangefarbenen Schwingschleifer an, dass er schon viele schwere Arbeitsstunden hinter sich hat. Das Gehäuse ist aufgeschraubt, Kabel schauen heraus und der kleine Motor liegt frei. Mit etwas Glück und vor allem Fingerspitzengefühl kann der handliche Helfer bald wieder treue Dienste in den Händen eines Handwerkers leisten. Doch nicht mehr alle Maschinen oder Haushaltsgeräte können heutzutage so einfach wieder belebt werden.

Reiner Tomalik, Elektromaschinenbaumeister aus Salzwedel, kennt das Problem nur allzu gut. Kunden kommen in seine kleine Werkstatt in der Alten Jeetze und wollen ein defektes Elektrowerkzeug oder auch eine Kaffeemaschine reparieren lassen, die in der Anschaffung nur rund 20 bis 30 Euro gekostet haben. „Zum Beispiel günstige Akkuschrauber vom Discounter“, sagt Tomalik im Gespräch mit der Volksstimme. „Dabei sind einzelne Akkus als Ersatzteil manchmal teurer als ein neues Gerät komplett im Koffer“, weiß Tomalik. Das gelte teilweise auch für werthaltigere Markengeräte. „Wir versuchen es aber immer erstmal“, betont der Handwerker, doch immer häufiger musste er zuletzt passen und dem Kunden mitteilen, das er nicht helfen kann.

Nun will die Europäische Union dafür sorgen, dass neue Elektrogeräte länger halten und vor allem bei Defekten leichter reparierbar sind. Am 11. März verabschiedete die EU-Kommission einen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. In der Pressemitteilung dazu hieß es, dass dieser Plan „einer der wichtigsten Bausteine des europäischen Grünen Deals“, sei. Der sogenannte „Green Deal“, vorgestellt im Dezember 2019, ist das Konzept der Kommission, die Treibhausgase in der EU bis 2050 auf null zu reduzieren. Der dazugehörige Aktionsplan soll in Zukunft sicherstellen, „dass in der EU in Verkehr gebrachte Produkte so konzipiert sind, dass sie über eine längere Lebensdauer verfügen, leichter wiederverwendet, repariert und recycelt werden können.“

Reiner Tomalik unterstützt diese Idee. Denn Produkte, die er eigentlich wieder in Gang bringen könnte, machen ihm zuweilen allein mit ihrer Außenhülle das Leben schwer. Zwar hat er sich schon zahlreiche Tricks angeeignet, doch manchmal scheitert das Vorhaben an einer einfachen Schraube. „Es gibt Schrauben, die lassen sich nur in eine Richtung drehen, also nur fest“, erzählt er. Will man diese lösen, rutscht der Schraubendreher über, weiß der Fachmann. „In den letzten Jahren nimmt das zu“, berichtet er im Gespräch mit der Volksstimme.

Zu DDR-Zeiten sei die Reparatur vieler Dinge einfacher gewesen. „Hausgeräte wurden vom DLK (Anm. der Redaktion: Dienstleistungskombinat) repariert“, erinnert sich Tomalik. Kleinere Dinge wurden auch in seinem Geschäft wieder auf Vordermann gebracht. „Damals betrug der Stundenlohn aber nur 2,50 Mark. Da konnte man sich den ganzen Tag mit einer Maschine beschäftigen“, schränkt er ein.

Bei der geplanten EU-Regelung glaubt Reiner Tomalik allerdings nicht, dass diese auch bei Billigartikeln Wirkung zeigt. „Die günstigen Geräte haben eine um 60 bis 80 Prozent höhere Ausfallquote“, meint er im Vergleich zu teureren Markenprodukten. Bisher könnten diese meist als Garantiefall, zum Beispiel beim Discounter, zurückgegeben werden. Tomalik stellt in Frage, dass die Geräte unter einem Verkaufspreis von 20 bis 30 Euro überhaupt so produziert werden könnten, dass sie länger halten.

Dennoch: Die EU will genau dies verhindern. Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius sagt dazu plakativ: „Wir haben nur einen Planeten Erde, aber bis 2050 wird unser Verbrauch ein Niveau erreichen, als hätten wir drei davon.“ Mit dem EU-Plan werde dem Verbraucher nun ein „Recht auf Reparatur“ gegeben.

Für Reiner Tomalik muss dabei aber auch ein Umdenken bei seinen und vielen anderen Kunden stattfinden. „Bei den jungen Leuten ist der Gedanke schon drin: ‚Das lohnt sich nicht‘“, meint er. Bei Älteren sei das, vielleicht auch aus der Erfahrung zu DDR-Zeiten noch anders. „Da musste repariert werden“, betont Tomalik.

Und etwas zu Hause selbst reparieren? Dabei rät der Handwerker, nicht nur aus Eigensinn, zur Vorsicht. „Es gibt Leute, die versuchen alles“, weiß er. Doch es gebe Grenzen, wenn zum Beispiel ein spannungsführendes Teil an die Masse gerate. „Das ist lebensgefährlich“, warnt er. „Ich gehe ja auch nicht an meine Gas- oder Wasserleitung.“