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Salzwedel Mantrailing: Immer der Nase nach

Wenn Personen vermisst werden, kommen oft Hunde zum Einsatz. In Salzwedel sind nun die erforderlichen Prüfungen dafür abgelegt worden.

Von Alexander Rekow 19.10.2020, 01:30

Salzwedel l Noch etwas verlassen steht Fabienne Bögel auf der Kreuzung Lön- und Tuchmacherstraße in Salzwedel. Der Himmel ist wolkenverhangen, es nieselt. Doch gleich geht es für die 35-jährige Schönebeckerin und ihren Beagle Pico ums Ganze. Drei Jahre haben sich die beiden auf diesen einen Moment vorbereitet. Es geht um nicht weniger, als eine vermisste Person zu finden – das sogenannte Mantrailing.

„Es gibt hier vier Abgänge“, sagt Andreas Speck, Bereitschaftsleiter der Rettungshundestaffel des Kreisverbandes Salzwedel, mit Blick auf den Kreuzungsbereich. Er koordiniert diesen Prüfungstag. Nachdem sich Fabienne Bögel bei den Prüfern über die Lage informiert hat, geht es auch schon los. Ihr Hund bekommt eine Geruchsprobe der vermissten Person. „Das kann ein Schal, ein Handschuh oder auch Bettwäsche sein“, so Speck. Dann nimmt das Tier die Fährte auf. Mit Seifenblasen versucht die Schönebeckerin vorab die Windrichtung auszumachen, um Störungen zu vermeiden. Um den richtigen Weg zu finden, bleiben der jungen Frau und ihrem Hund nur 20 Minuten. Aber Pico hat bereits etwas gewittert und setzt sich in Bewegung. „Man muss die Leine locker lassen“, so die Schönebeckerin, die ehrenamtlich für das Deutsche Rote Kreuz (DRK) arbeitet. Nur so könne der Hund die Richtung vorgeben und wird nicht vom Hundeführer fehlgeleitet. Denn genau das führte bei einer Prüfung zuvor zum Durchfallen.

Pico läuft voraus, Fabienne Bögel versucht, Schritt zu halten. Schnellen Ganges läuft das Tier auf die Kreuzung Tuchmacherstraße zum Abzweig Gartenstraße in Richtung Bahnhof. Ein Schnüffler, einmal das Bein zum Pinkeln gehoben, dann dreht der Hund wieder ab. Er läuft wieder zurück. Fabienne Bögel ist die Nervosität nun anzumerken. Läuft der Hund wirklich in die richtige Richtung?

„Es ist ein großes Gebiet mit einem Radius von etwa 1,5 Kilometern“, erklärt Andreas Speck. Gartenstraße, Lönstraße, Schillerstraße, An den Kampstücken, Kragener Weg, Am Karlsfeld, Karl-Gaedcke-Straße. Überall könnte die vermisste Person auf Hilfe warten. „Wir waren am Vortag mit der gesuchten Person in dem Bereich unterwegs“, verrät der Bereitschaftsleiter. Aber durch umherfahrende Autos werde Geruch weitergetragen, bleibe in Innenhöfen stecken oder wandere entlang von Gassen und Hecken. Bis zu einer Woche würden gut ausgebildete Hunde die Fährte aufnehmen können. Die Profi-Spürnasen auch länger.

Beagle Pico hat derweil wieder die Fährte aufgenommen. „Er läuft gerade parallel zu den eigentlichen Straßen“, so Speck. Das zeige, wie der Wind die Fährte leite. Von der Schillerstraße läuft er querfeldein in den Friedrichgrund. Die erfahrene Prüferin Annette Quant aus Greifswald und Silke Ahlquist aus Norderstedt bleiben Fabienne Bögel und ihrem Hund dicht auf den Fersen, notieren sich die Arbeit des Teams.

Zuvor gab es an diesem Tag schon Prüfungen in Brietz und an der Gardelegener Straße in Salzwedel. Doch bestanden haben die Prüflinge dort nicht. Einer der Hunde habe die Fährte verloren, so Andreas Speck. Für ihn wenig verwunderlich, da es sich bei dem Tier um einen Hütehund gehandelt hat. „Es ist selten, dass Hütehunde die Mantrailing-Prüfung bestehen.“ Der andere war ein Schäferhund, bei dem der Hundeführer die besagte Leine nicht locker genug ließ. Andras Speck weiß, wovon er spricht. Er selbst hat erst vor 14 Tagen die Flächenprüfung mit seinem Labrador Mexx (5) abgelegt. Zuvor war er jahrelang mit seinem anderen Rettungshund Jack (12) im Einsatz. „Der ist jetzt im Ruhestand.“ Grundsätzlich müssen alle Hundeführer ihre Mantrailing-Prüfung alle zwei Jahre wiederholen, erläutert er.

Pico ist mittlerweile auf der Zielgeraden und läuft An den Kampstücken entlang. „Er ist von den falschen Wegen die beste Alternative gelaufen“, sagt Prüferin Annette Quant. Denn die Spürnase sollte den Beagle nicht täuschen. Wenige Meter weiter, am Krangener Weg, hockt die vermisste Person hinter einem Gebüsch. Eine Stunde hatte Fabienne Bögel dafür Zeit – Pico reichten etwa 30 Minuten, trotz Irrwegen. Nachdem die Schönebeckerin den Zustand der Vermissten durchgegeben und die Koordinaten der Leitstelle übermittelt hat, ist die Prüfung an der Stelle beendet.

Ende 2016 haben Fabienne Bögel und ihr Freund Martin Knockx den Beagle aus einem Tierheim geholt. Bei der Hundeschule sei schnell klar gewesen: Bei Pico reicht es zum Fährtenhund. Und so übten die beiden seit 2017 regelmäßig, kauften sich Bücher und holten sich Rat. Nun, in Salzwedel, also der krönende Abschluss: Eine Urkunde und eine Plakette berechtigen das Team, im Ernstfall nach vermissten Menschen zu suchen.

Übrigens: Nur mit der Praxis ist es nicht getan. Zuvor müssen sich die Hundeführer auch einer Theorieprüfung stellen. Aber auch die hat Fabienne Bögel bestanden und wird künftig mit Beagle Pico in Sachsen-Anhalt und den angrenzenden Bundesländern in Notfällen zum Einsatz kommen.