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Handwerk Schwarzkunst erfolgreich in Diesdorf bewahrt

Drucker zu werden, das war für Harald Peggau aus Diesdorf vorherbestimmt. Schon sein Großvater übte den Beruf aus.

Von Anke Pelczarski 04.08.2020, 15:00

Diesdorf l  "Gott grüß die Kunst“: Das ist der Buchdruckergruß, der noch heute in der einstigen Werkstatt von Harald Peggau zu lesen ist. Der Diesdorfer hat vor 50 Jahren erfolgreich seine Meisterprüfung absolviert.

„1961, als ich die Mittelschule beendete, war eine Zeit, in der Handwerkerjungs nicht alles lernen konnten“, erinnert sich der heute 75-Jährige. Also entschied er sich, Schriftsetzer zu lernen. In der Volksdruckerei Stendal, Außenstelle Salzwedel, dem heutigen Volksstimme-Gebäude, eignete er sich den Umgang mit den Bleilettern und das Zusammensetzen der Wörter in Spiegelschrift an. In Schwerin holte er sich in der zentralen Lehrwerkstatt das theoretische Rüstzeug. Anschließend drückte er weiter die Schulbank, um auch Buchdrucker zu werden.

1967, nach der Armeezeit, begann er, bei seinem Vater Günther in der kleinen Druckerei zu arbeiten. Doch das war ihm nicht genug: Er wollte mehr wissen, startete im Jahr darauf das Meisterstudium. Harald Peggau lieferte gleich drei Meisterstücke ab: eine Urkunde, eine Einladung und eine Broschüre.

Bei seinem Vater hat er Berufserfahrung gesammelt. „,Wir drucken alles, außer Geld‘, das war unser Spruch“, erinnert er sich mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Die kleine Druckerei in Diesdorf hatte immer gut zu tun. Schließlich sei sie die einzige in der westlichen Altmark gewesen. „Es gab Aufträge ohne Ende. Wir mussten sogar mal ein Schild in die Tür hängen, dass wir keine mehr annehmen: nur für den Todesfall, die Hochzeit oder wenn die LPG etwas Wichtiges braucht“, erzählt Harald Peggau. Irgendwie seien alle Wünsche erfüllt worden, stellt er zufrieden fest.

Mit dem Preis konnten die Buchdrucker zu DDR-Zeiten nicht spielen: Denn es habe eine Verordnung gegeben, in der festgeschrieben gewesen sei, was wie viel zu kosten habe. „In der DDR gab es eine Riesen-Bürokratie. Aber gegen die Bürokratie von heute war das ein leichter Frühlingswind“, schätzt er ein. Der 75-Jährige fügt hinzu: „Auch ans Papier, unseren Werkstoff, war manchmal nicht so leicht heranzukommen. Die Mengen wurden zugeteilt. Dann wurden Spargel und Bretterknaller eingepackt, zum Werk gefahren, und schon konnten wir unsere Reserven etwas aufstocken.“

Im Jahr 1983 hat er die Druckerei von seinem Vater übernommen. „Ich habe Maschinen aus dem Bestand eines volkseigenen Betriebes gekauft, die dort ausgesondert worden sind. Die haben wir wieder in Stand gesetzt“, sagt Harald Peggau. Das Geschäft florierte, auch über die Wende hinaus.

Aber: Von einem Tag zum anderen war alles anders. „Bleisatz und Offsetdruck waren Geschichte. Der Digitaldruck hielt Einzug. Den kannten wir zuvor nicht“, nennt er eine der Herausforderungen, vor der er stand. Er habe sich selbst beigebracht, wie mit einem Computer gearbeitet werde, wie Drucksachen auf diese Weise zu gestalten seien. „Es ging sehr gut“, merkt der Diesdorfer an.

Dass der Bleisatz plötzlich nicht mehr gefragt war, daran musste er sich erst gewöhnen. In seiner einstigen Werkstatt stehen noch die Kästen mit den Lettern aus vergangenen Zeiten. „Das hat sich fest eingeprägt, in welchem Fach welcher Buchstabe zu finden ist. Das kann ich heute noch, ohne hinzugucken“, blickt er auf das Erinnerungsstück aus der Buchdruckergeschichte.

Mit der neuen Zeit kam auch die Hektik hinzu. Und nicht jeder war gewillt, seine Zeche zu zahlen. Harald Peggau erinnert sich an einen Zirkus, der in Diesdorf Station machen wollte und den Druck von Eintrittskarten sowie Plakaten in Auftrag gegeben hat. „Ich habe die ganze Nacht gearbeitet, damit alles pünktlich fertig wird“, erinnert er sich. Am nächsten Tag seien die Zirkusleute mit dem Opa im Rollstuhl gekommen und schilderten, dass sie kein Geld zum Bezahlen hätten. „Sie haben so lange geredet, bis ich ihnen das Gedruckte kostenfrei überlassen habe, gegen zwei Freikarten“, sagt der 75-Jährige. Allerdings seien er und seine Frau die einzigen Besucher gewesen: Die Vorstellung sei ausgefallen.

Ein Landsmann „von nebenan“ wollte nach der Wende testen, ob der Diesdorfer auch Visitenkarten machen könne. Beim Abholen habe er ihm einen Beutel Apfelsinen in die Hand gedrückt. Mit der Bemerkung, das reiche wohl, fügt er stirnrunzelnd an.

Vor drei Jahren hat Harald Peggau seine Druckerei zugemacht. „Eine Maschine ist kaputt gegangen. Diese zu ersetzen, hätte ein Vermögen gekostet. An der Lust am Arbeiten hat es nicht gelegen, die hätte ich auch heute noch“, sagt er und spricht von „einem Wink des Schicksals“. Allerdings – mehr als 50 Arbeitsjahre seien ausreichend. Jetzt bleibe Zeit für die Enkel, das Grundstück, aber auch für Fahrten durch die schöne Altmark. „Wir machen sonntags immer unsere Radtour, meist mit Picknick“, schwärmt er von den Ausflügen mit seiner Frau Christa.

Langweilig sei ihm nicht, gesteht der Diesdorfer. Ehrenamtlich bringe er sich in den Diesdorfer Gemeinderat und den Rat der Verbandsgemeinde Beetzendorf-Diesdorf ein, gehöre dem Heimatverein Diesdorf und dem Tourismusverein der Region Beetzendorf an. „Wichtig ist es, im Ruhestand nicht untätig zu werden“, ist seine Maxime.