Solidarität Ein Nehmen und Geben

Solidarität braucht Mut - das ist die Erfahrung von Grit Friebe. Die Salzwedelerin ist Vorsitzende der Ortsgruppe Salzwedel (IG BCE).

Von Uta Elste 06.02.2019, 11:27

Salzwedel l Die Grundfrage der Volksstimme-Serie „Solidarität - gibt es die noch?“ beantwortet Grit Friebe ohne zu zögern mit einem klaren Ja. Schließlich sei eine Gewerkschaft auch eine Solidargemeinschaft.
Aber die langjährige Gewerkschafterin der der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) weiß auch, dass im Arbeitsleben zur Solidarität mitunter auch Mut gehört - etwa der Mut, sich morgens in Zeiten von Arbeitskämpfen vor das Werktor zu stellen, sich offen zu bekennen und nicht nur in sozialen Medien anonym zu agieren.
„Als 2016 Fricopan geschlossen wurde, da sind die Leute auf die Straße gegangen, Vertreter aller gesellschaftlichen Bereiche haben mitgemacht, Politiker, Vertreter der Kirche ... da wurde Solidarität gelebt“, erinnert sie sich. Als jedoch im vergangenen Jahr die Kerzenfabrik in Salzwedel geschlossen wurde, kam ein vergleichbarer Protest nicht in Gang. „Wir haben viele Gespräche mit den Kollegen der Kerze geführt, ihnen Tipps für freie Jobs und für ihre neuen Bewerbungen gegeben“, blickt sie auf diese Wochen zurück.
Auch das sei Gewerkschaftsarbeit und damit Solidarität - nicht nur demonstrativ auf die Straße zu gehen, sondern auch interne Netzwerke in Gang zu setzen und zu pflegen.
„Dabei wissen viele Leute heute gar nicht mehr, was Gewerkschaften sind“, hat Grit Friebe festgestellt. In den meisten Familien werde kaum noch über dieses Thema gesprochen. „Früher haben häufig der Vater, der Sohn und der Enkel in derselben Firma gearbeitet, da hat sich das sozusagen vererbt.“
Im Bergbau, einer Branche mit viel Tradition, sei das auch immer noch so. Das werde vor allem bei Zechenschließungen für die breite Öffentlichkeit sichtbar. Die Chemieindustrie dagegen sei im Norden Sachsen-Anhalts nicht so stark vertreten wie im Süden des Bundeslandes.
Solidarität sei jedoch nicht nur eine Sache unter Arbeitnehmern, sondern auch zwischen diesen und dem Arbeitgeber. Das Synonym für Solidarität sei dann die Öffnungsklausel in Tarifverträgen, um im Krisenfall zunächst die Arbeitsplätze zu sichern, oder der Abschluss eines Haustarifvertrages.
„Dass das auch Solidarität ist, ist vielen gar nicht bewusst“, sagt Grit Friebe. Solidarität sei eben ein Nehmen und Geben, das auf Gegenseitigkeit beruhe und nicht ausgenutzt werden dürfe.
Gewerkschaften mussten sich nach der Wende erst wieder entwickeln, blickt die Salzwedelerin zurück. Zu DDR-Zeiten waren viele Menschen Mitglied im Freien Deutschen Gewerkschaftsbund, kurz FDGB. „Der Beitrag wurde gleich vom Lohn abgezogen. Und dann wurden viele Unternehmen nach der Wende geschlossen, die Leute waren arbeitslos und fragten sich, was sie von der Gewerkschaft hatten.“ So habe die Solidarität zu DDR-Zeiten gelitten.
Heute haben viele Menschen Angst, sich als Gewerkschaftsmitglieder zu bekennen, obwohl der Arbeitgeber dieses in der Regel nicht wisse. „Wenn es um Hilfe bei Naturkatastrophen geht, dann halten die Menschen zusammen. In puncto Arbeit tun sie sich schwer“, so die grundsätzliche Erfahrung von Grit Friebe.
Das sei aber nicht überall so. Grit Friebe verweist als Beispiel auf Frankreich, wo Solidarität im Bereich der Arbeitswelt viel intensiver gelebt werde. In Deutschland seien die Menschen hingegen dafür oft zu bequem.