Gewaltverherrlichung? Squid-Game: Ein brutaler Trend auf dem Schulhof in der Altmark?
„Squid Game“ ist der Megaerfolg beim Streamingdienst Netflix. Wegen ihrer Gewaltszenen ist die Serie erst ab 16 Jahren freigegeben. Dennoch spielen Kinder die brutale Serie auch auf Schulhöfen in der Altmark nach. Das berichten Familien, Lehrer und Schulsozialarbeiter aus der Region.

Altmark - Große Pause auf dem Schulhof: Wer sich bewegt ist „tot“. Nicht wirklich natürlich: „Wir spielen das ja nur“ sagt Anni (10, Name geändert). Was sich anhört, wie das alte Kinderspiel „Steh Bock, steh“ oder „Herr Fischer, wie tief ist das Wasser“ hat allerdings einen gruseligen Hintergrund. Denn die Fünftklässler am Gardelegener Gymnasium spielen eine Serienfolge aus Squid Game nach. Und die hat es in sich. Die Reihe steht aufgrund ihrer brutalen Szenen in der Kritik. Freigegeben ist sie bei dem Streamingdienst erst ab 16 Jahren. Doch auch bei jüngeren Kindern und Jugendlichen ist sie längst angekommen.
Was ist „Squid Game“?
Worum geht es bei Squid Game überhaupt? Die südkoreanische Serie ist seit Mitte September bei Netflix verfügbar. Sie entwickelte sich für den Streamingdienst zu einem Megaerfolg. Netflix verzeichnete damit den folgreichsten Serienstart auf seiner Plattform überhaupt. Mehr als 100 Millionen Zugriffe wurden innerhalb des ersten Monats verzeichnet.
In der Serie werden hunderte Menschen gezwungen in einer Art Arena an Spielen teilzunehmen. Diese lehnen sich an koreanische Kinderspiele an. Dabei gilt: Wer verliert, stirbt. Teilnehmer werden dann von Aufpassern erschossen oder bringen sich gegenseitig um. Definitiv keine Vorlage für ein Spiel auf dem Schulhof.
Merchandise-Artikel werden von Jugendlichen getragen
Da sieht auch Carsten Ahlborn, Schulsozialpädagoge an der Comeniusschule in Salzwedel, so. Er berichtet, dass die Serie auch bei den Sekundarschülern in der Hansestadt bekannt ist und auch angesehen werde. „Manche tragen bereits Pullis der Serie und sie haben es auch geschaut“, erzählt er im Volksstimme-Gespräch. Dass die brutalen Szenen der Netflixreihe auf dem Schulhof nachgespielt werden, konnte er allerdings noch nicht feststellen. „Wir sollten die Kinder nicht unterschätzen“, meint der Sozialpädagoge. Sie könnten schon einordnen, was Realität und was filmische Illusion sei.
Angela Ritter-Hundt, Leiterin der Perver-Grundschule in Salzwedel, teilt auf Nachfrage mit, dass ihre Schule bereits eine Handreichung des Landesschulamtes zu der Thematik bekommen habe. „Ich selbst habe mit einer 3. Klasse darüber gesprochen. Die meisten Kinder kannten die Serie gar nicht“, erzählt die Schulleiterin. Im Gespräch mit den Kindern wurde auch klargemacht, dass „das eigentlich kein Spiel für den Schulhof“ ist.
„Bei uns ist davon noch gar nichts angekommen“, sagt Solveig Lamontain, Leiterin der Sekundarschule in Gardelegen. Auch die Schulsozialarbeiterin der Bildungseinrichtung habe zu „Squid Game“ bisher keine Rückfragen von Schülern oder Eltern gehabt. „Und nachgespielt wurde hier schon gar nichts“, betont Lamontain.
In anderen deutschen Schulen haben Pädagogen andere Erfahrungen gemacht: Wie unlängst die Tagesschau berichtete, gab es an Schulen in Bayern, Hessen oder Schleswig-Holstein Vorfälle bei denen Kinder andere Kinder ohrfeigten oder in anderer Form bestraften, weil sie ein Spiel verloren hatten. „Rotes Licht, grünes Licht“, heißt zum Beispiel das Spiel aus dem ersten Serienteil. Eine übergroße koreanische Puppe spielt darin eine wichtige Rolle. Sie steht mit dem Rücken zu den Teilnehmern, die um die Wette laufen. Dreht sie sich um, und jemand bewegt sich, ist das sein Todesurteil. Auch in Annis Beschreibung kommt eine Puppe vor: „Die steht dann an der Wand.“ Bei dem Ruf „See you“ müssen alle stillstehen. Strafen allerdings gebe es für niemanden, betont Anni.
Schulleiterin will Serie im Ethikunterricht ansprechen
Dass das Spiel auf dem Schulhof des Gardelegener Geschwister-Scholl-Gymnasiums bereits angekommen ist, ist für Schulleiterin Steffi Ros neu. „Das greifen wir aber auf jeden Fall auf und werden zeitnah tätig“, erklärt sie und hat dafür bereits den Ethikunterricht im Blick. Dort könne das vermeintlich harmlose Spielen thematisiert werden. „Wir lassen die Kinder damit nicht allein“, verspricht sie. Ros will aber auch erstmal im Kollegium besprechen, inwieweit es wirklich problematisch ist. So zieht sie im Volksstimme-Gespräch einen Vergleich zum Zwei-Felder-Ball im Sportunterricht. „Auch dort wird jemand abgeworfen und ist damit 'tot'“, sagt Ros. Dennoch: das Thema „Squid Game“ werde angesprochen, betont sie.
Konsequenzen gezogen haben auch Annis Eltern. „Wir kannten das gar nicht“, erzählt die Mutter der Fünftklässlerin. Auf einer Familienfeier hatte sich ihre Tochter mit einem anderen Kind über die Serie unterhalten. Daraufhin gab ihr dessen Mutter den Tipp, doch mal zu hinterfragen, was Anni da angeschaut hatte. „Wir haben dann sofort den Netflix-Zugang mit einer Kindersicherung blockiert“, versichert Annis Vater.