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Tierschutz Letzte Zuflucht in der Not

Pferde und Ponys, die ihren Besitzern aus Tierschutzgründen wegegenommen werden müssen, finden Zuflucht im Tierheim Ahlum.

Von Antje Mewes 08.02.2019, 00:01

Ahlum l Neugierig kommen die Islandponys ans Gatter zu Anja Deutsch. Sie streicht ihnen über die wuschelige Mähne und die Nüstern. „Das sind alles ganz liebe Pferde, jedes hat seinen eigenen Charakter“, sagt sie, ehe sich die Isländer wieder ihrem Futter zuwenden. Mit ihrem dicken Winterfell sehen sie urig aus. Doch als sie auf den Hof des Tierheims in Ahlum kamen war alles ganz anders. Zum Teil krank, mit ungepflegten Hufen, von Parasiten befallen und abgemagert wurden sie von den Anhängern geladen, erinnert sich Anja Deutsch.

„Das waren alles Hengste“, erzählt die Tierheimitarbeiterin und zeigt auf die Tiere, die getrennt in verschiedenen Bereichen im Offenstall mit großem Auslauf untergebracht sind. Wer sich mag und miteinander auskommt, ist zusammen auf einer Koppel. Inzwischen sind alle der männlichen Pferde kastriert und haben eine Herdenstruktur in ihren Gruppen aufgebaut. Damit sind sie deutlich ruhiger und ausgeglichener.

Im Dezember 2017 hat das Tierheim, das über drei Hektar Fläche verfügt, 17 Pferde auf einen Schlag aufgenommen, und im vergangenen Sommer neun. Zuvor waren es schon einmal zwölf Pferde, die dort Zuflucht fanden. „Das sind schon hohe Zahlen, davor hatten wir nur zwei Ponys“, erzählt sie.

Wenn es schnell gehen muss und der Entzug der Tiere kurzfristig erfolgt, heißt es zu improvisieren. „Wir haben ja auch nicht so viele Flächen“, sagt sie. Aber es sei noch immer gelungen, alle Pferde artgerecht unterzubringen. „Das ist dann schon aufregend, wir kennen die Pferde ja nicht und müssen erst herausfinden, was sie kennen und können“, beschreibt sie die Situation, wenn die Tierheimmitarbeiter plötzlich so vielen Großtieren gegenüber stehen, die auch noch in einem erbärmlichen Zustand sind. Manche hatten noch nie einen Hufschmied gesehen, kannten kein Halfter oder waren niemals in einem Stall. Da ist ganz klar, dass die Vierbeiner, die für sie ungewohnten Umstände erst einmal bewältigen müssen. Manchmal hilft nur eine medikamentöse Sedierung, um an sie heranzukommen.

Dann beginnt die Aufbauarbeit. Viele der Pferde müssen regelrecht wieder aufgepäppelt werden, sie bekommen Spezialfutter, um Mangelerscheinungen auszugleichen, erhalten eine intensive Pflege und umfangreiche tierärztliche und orthopädische Betreuung. Wenn es erforderlich ist, werden auch alternative Methoden wie Akupunktur angewendet.

Dann geht es daran wieder Muskeln aufzubauen, es wird geprüft, ob sie eine Ausbildung hatten und es werden ihnen die wichtigsten Dinge für einen problemlosen alltäglichen Umgang beigebracht. Das fängt manchmal schon damit an, ein Halfter zu tragen und sich am Strick führen zu lassen, erzählt die junge Frau, der die Arbeit großen Spaß macht. Auch Longenarbeit gehört dazu und es wird bei einigen probiert, ob sie eingeritten sind. „Dann kann es schon mal abenteuerlich werden“, sagt sie mit einem Lachen. Denn einen Reitplatz hat das Tierheim natürlich nicht.

Nicht immer geht es spontan zu, wenn Pferde aufgenommen werden. In einigen Fällen lässt sich schon absehen, dass neue Schützlinge auf Anja Deutsch und ihre Kollegen warten. Denn bevor es zu der drastischen Maßnahme kommt, dass Tiere fortgenommen werden, gibt es Kontrollen und Auflagen. Nur wenn sich die Tierhalter nicht daran halten, wird zum letzten Mittel gegriffen, erklärt Amtstierärztin Susanne Lehner im Volksstimme-Gespräch. Das Veterinäramt setzt sich dann rechtzeitig mit dem Tierheim in Verbindung und teilt mit, dass eine Unterbringung erforderlich sein könnte. In Ahlum ist die einzige Einrichtung im Kreis die auch Großtiere aufnehmen kann. Geplant ist, noch weitere Wiesen zu pachten, damit im Ernstfall genügend Platz vorhanden ist.

Momentan sind in Ahlum 17 Pferde vom Fohlen bis zum Senior im Alter jenseits der 20 Jahre zu betreuen. Der Kreis beteiligt sich auf Grundlage einer Kooperationsvereinbarung an den Kosten. Die Isländer stammen alle aus einem Zuchtbetrieb. Zunächst wurden nur einige der Pferde beschlagnahmt, da sich die Zustände nicht verbesserten mussten schließlich alle Tiere eingezogen werden. Weiterhin sind aktuell ein Shetlandpony und zwei Warmblüter unter den Tierheimpferden.

Abgegeben werden sie zu marktüblichen Preisen. Sie nur für eine Schutzgebühr zu vermitteln, damit habe das Tierheim schlechte Erfahrungen gemacht. Es sei ja auch sehr aufwändig und teuer die Pferde wieder in einen guten körperlichen und seelischen Zustand zu bringen. Das dauere mindestens eine halbes, manchmal länger als ein ganzes Jahr.

Bevor die Pferde und Ponys in ein neues Zuhause umziehen, wird genau geprüft, ob der künftige Besitzer in der Lage ist, sie artgerecht zu halten. Die Tierschützer nehmen den neuen Platz in Augenschein und besuchen nach dem Umzug ihre einstigen Schützlinge.

„Das sind alles sehr schöne Tiere, es lohnt sich, mal vorbeizuschauen“, sagt die Tierheimmitarbeiterin. Allerdings sollten die Interessenten, was den Ausbildungsstand anbelangt, nicht zu viel erwarten. Manche der Pferde hätten trotz fortgeschrittenen Alters nicht viel mehr als ihre Weide gesehen. „Aber dadurch sind sie unverbraucht und haben keine schlechten Erfahrungen gemacht“, betont sie.

Alle ihre Pfleglinge seien bereit etwas zu lernen. „Sie sehnen sich sogar danach zu zeigen, was in ihnen steckt“, schätzt sie ein. Wer sich darauf einlasse, einen Rohdiamant zu bekommen, könne in Ahlum unter den Ponys und Pferden einen Freund fürs Leben finden. Das gelte natürlich auch für die mehr als 30 Hunde, die dort derzeit sehnsüchtig auf ein liebevolles Herrchen oder Frauchen warten.