1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Salzwedel
  6. >
  7. "Totschläger" und Patronen im Kinderzimmer

Verhandlung nach Waffenfund in Klötzer Kinderzimmer "Totschläger" und Patronen im Kinderzimmer

Von Wolfgang Biermann 16.04.2013, 01:13

Stendal l Da staunten die Polizeibeamten nicht schlecht, als der Sprengstoffspürhund bei einer gezielten Hausdurchsuchung wegen vermuteter illegaler Waffengeschäfte am 26. Januar vorigen Jahres in einem Klötzer Kinderzimmer - neben Barbiepuppen-Spielzeug - einen sogenannten Morgenstern, eine Pistole sowie 19 Patronen des Kalibers "22 mm long - Winchester" fanden.

Die Erklärung des 35-jährigen Hausherrn und Kindesvaters war simpel: Das Zimmer wurde öfters als sogenanntes Herrenzimmer für Spieleabende genutzt. Und dabei müsse wohl einer der Herren diese Sachen in einem Schrank versteckt haben. Das sei "lebensfremd", hieß es dazu im Urteil des Amtsgerichtes Gardelegen. Es verurteilte den Wohnungsinhaber am 25. Juli 2012 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen à 70 Euro (3150 Euro). Und das, obwohl es sich bei der Pistole um eine erlaubte Waffe zum Verschießen von Diabolos (Luftgewehr-Munition) handelte. Ein Schusswaffenexperte des Landeskriminalamtes (LKA) hatte bezüglich des "Morgensterns" befunden, dass es sich im Sinne des Waffengesetzes um eine erlaubte Hieb- und Stichwaffe handeln würde. Der Besitz der 19 Randfeuerpatronen vom Kaliber 22 - sogenanntes Kleinkaliber - war indes nicht erlaubt. Für den Amtsrichter wog im Urteil besonders schwer, dass der Angeklagte zuvor schon neunmal mit dem Gesetz in Konflikt geklommen war, wenn auch nicht einschlägig.

"Nicht auf einem türkischen Basar"

Er wolle eine Verfahrenseinstellung gegen Zahlung einer Geldauflage von 1000 Euro, erklärte der Verteidiger vor der Verhandlung vor der Berufungskammer am Landgericht Stendal. Er halte das erstinstanzliche Urteil für überzogen. Gleichwohl er betonte, "nicht auf einem türkischen Basar" zu sein, erhöhte der Anwalt sein Angebot auf 2000 Euro, als der Staatsanwalt forderte, dass "mehr auf den Tisch" müsse. Grundsätzlich könne er dem Antrag aber zustimmen. Offensichtlich hatte der Verteidiger aber die Rechnung ohne den eigentlichen Wirt gemacht.

Der Vorsitzende Richter Gundolf Rüge verwies darauf, dass die Definition des LKA-Schusswaffenexperten hinsichtlich des "Morgensterns" im Sinne des Waffengesetzes falsch sei. Vielmehr handele es nach dem hier anzuwendenden Strafgesetzbuch um einen "Totschläger". Und der sei nun mal nicht erlaubt. Da habe der Sachverständige vom LKA einen falschen Schluss gezogen. "Ein Morgenstern im Kinderzimmer ist was anderes als Patronen in der Schublade", machte Richter Rüge klar.

"Die Rücknahme der Berufung wäre das Passende", beendete er das Rechtsgespräch, bevor die Verhandlung begonnen hatte. Unter diesem Aspekt sah auch die Staatsanwaltschaft keinen Spielraum mehr für eine Prozesseinstellung. Zähneknirschend nahmen der Verteidiger und der Angeklagte daraufhin die Berufung zurück. Es bleibt dabei, der Angeklagte muss die 3150 Euro Geldstrafe zahlen und dazu noch die Gerichtskosten beider Instanzen.