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Amtsgericht Unfall am Bahnübergang in Pretzier: War die Schranke unten oder oben?

Diese Frage konnte vor dem Amtsgericht in Salzwedel noch nicht endgültig geklärt werden. Der Beschuldigte besteht darauf, dass die Schranke geöffnet war. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

Von Martin Höfig Aktualisiert: 22.4.2021, 06:41
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand.
Eine Statue der Justitia hält eine Waage in der Hand. Foto: dpa

Salzwedel. „Der Bahnverkehr hat immer Vorrang, auch wenn die Warnlichter am Bahnübergang nicht brennen“, betont Amtsrichter Klaus Hüttermann mehrere Male. Auf der Anklagebank sitzt ein 68-Jähriger aus Wustrow, der des fahrlässigen Eingriffs in den Bahnverkehr beschuldigt wird. Er soll am 14. März 2020 auf der Kreisstraße 1389 in Pretzier mit seinem Audi samt Anhänger trotz geschlossener Halbschranke auf den Bahnübergang gefahren sein.

Weit kam er nicht, denn in diesem Moment rauschte der Regionalexpress von Uelzen in Richtung Stendal heran, mit 150 Stundenkilometern. Der Fahrer des Audi hatte großes Glück, denn die Lok streifte sein Auto nur. So zerriss es dem Audi zwar die komplette Vorderseite, doch dem damals 67-Jährigen passierte nichts.

Glück im Unglück für den Autofahrer

„Wäre ich schon 50 Zentimeter weiter vorn gewesen, säße ich heute nicht hier“, sagt der Beschuldigte. Er streitet vehement ab, dass die Schranke unten war. „Ich bin langsam darauf zu gefahren, dann auf den Bahnübergang und dann streifte mich die Lok“, erinnert er sich.

Der Richter bleibt misstrauisch und zeigt zuerst eine Google-Earth-Aufnahme des Bahnübergangs und dessen Umgebung. „Man fährt vor dem Übergang etwa 600 Meter fast parallel mit dem Zug. Dazu kommt, dass die Regionalbahn feuerrot ist und auch noch doppelstöckig. Wie kann man die übersehen?“, fragt er nicht nur sich selbst.

Beim Zeigen weiterer Bilder vom Unfallort verweist der Richter darauf, dass der Beschuldigte den Bahnübergang auf der linken Spur befahren hat. „Nur dort sind Abriebspuren der Reifen zu sehen“, stellt er fest. Das würde bedeuten, dass der Beschuldigte tatsächlich die heruntergelassene Halbschranke umfahren hätte.

Harte Befragung durch den Verteidiger

Der Lokführer des betreffenden Zuges erklärt im Zeugenstand: „Ich kann sagen, dass die Schranke auf jeden Fall nicht oben war. Ich bin mir sicher, dass ich sehen würde, wenn sie oben wäre.“ Dem Verteidiger des Beschuldigten ist das zu viel Konjunktiv. Er befragt den Lokführer daraufhin hart: „War die Schranke unten?“ Doch der 31-jährige Lokführer bleibt lediglich in der Verneinungsform und sagt: „Sie war nicht oben.“

Der nächste Zeuge, ein Angestellter der Deutschen Bahn Netz AG, bestätigt deutlicher, dass die Schranke unten gewesen sein muss. „Nach dem Auslesen aller relevanten Daten der jeweiligen Rechner war die Anlage an dem Tag störungsfrei“, gibt er zu Protokoll.

Am Ende dieses Verhandlungstages ziehen sich Richter, Amtsanwältin und Verteidiger zu einem kurzen Rechtsgespräch zurück. Dabei heraus kommt, dass noch eine Kripo-Beamtin, die den Unfall aufgenommen hat, gehört sowie ein Gutachten von einem Sachverständigen erstellt werden soll.

Dann wird die Verhandlung unterbrochen, Fortsetzungstermin ist der 27. April. Die Fahrerlaubnis des Beschuldigten bleibt bei den Akten. Daraufhin äußert sich der 68-Jährige, der sonst alles seinem Anwalt überlässt, nach langem Schweigen: „Ohne meinen Führerschein bin ich nichts auf dem Land.“