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Heute Sitzung des kreislichen Schulausschusses / Beratung zur Friesschule im nichtöffentlichen Teil Advokatengeschwätz und Hinterzimmerpolitik: Barbyer befürchten die Schließung ihrer Schule

Von Olaf Koch 13.09.2012, 05:14

Die mögliche Schließung der Barbyer Sekundarschule "Jakob Friedrich Fries" ist seit einigen Wochen Stadtgespräch. Als Begründung für das Aus werden inoffiziell ein mangelhafter Brandschutz und zurückgehende Schülerzahlen genannt.

Barby/Bernburg l Mit Humor hat das nichts mehr zu tun. Der Witz beim Schulleiter der Barbyer Sekundarschule "Jakob Friedrich Fries", Klaus Vorreier, ist einem Sarkasmus gewichen. Spricht er derzeit über die Zukunft "seiner" Schule, ergießt sich beißender Spott. Auf die Frage der Volksstimme, warum das Weiterbestehen der Schule in der Elbestadt in den Sternen steht, moniert der erfahrene Schulleiter: "Das wüsste ich auch gern. Ich höre hier nur noch Advokatengeschwätz."

Heute tagt auf Landkreisebene der Schul- und Kulturausschuss in Bernburg. Im nichtöffentlichen Teil steht eine Mitteilungsvorlage auf der Tagesordnung, die sich inhaltlich mit der Friesschule beschäftigt. Wer sich länger mit dem Thema auseinandersetzt und versucht, Licht ins amtliche Dunkel zu bekommen, stößt auf ein kollektives Schweigen. Sollen Lehrer, Eltern und nicht zuletzt die Schüler - so hat es den Anschein - für dumm verkauft werden?

Der Salzlandkreis als Träger der Schule, die er mit Beschluss des Kreistages mit Wirkung vom 1. Juli dieses Jahres zurückübertragen bekam, praktiziert erneut eine Geheimpolitik. Neun Fragen der Volksstimme schmettert die Kreisverwaltung in einer 08/15-Antwort in diktatorischer Pjöngjang-Manier ab.

1 In der Vorlage verweist der Landkreis, dass die Schule "Bestandsschutz" habe. Was bedeutet das? Keine Antwort des Landkreises.

2 Ist es richtig, dass Auflagen des Brandschutzes den Kreis zwingen, zunächst das Obergeschoss zu schließen und nach Abschluss des laufenden Schuljahres die komplette Schule? Anwort des Landkreises: "Erste Analyse zur Schule ergab Handlungsbedarf."

Was aber sich hinter dem Begriff "Handlungsbedarf" versteckt, teilte der Landkreis nicht mit. Volksstimme-Recherchen ergeben, dass damit unter anderem gemeint ist, dass die Aula nur noch im Einzelfall auf Antrag genutzt werden darf, das Obergeschoss für die schulische Nutzung geschlossen wird, alle Brandlasten aus den Rettungswegen und dem Dachboden zu entfernen sind, spezielle Treibriegel an den Außentüren angebracht werden müssen, der Einbau von Funk-Rauchmeldern im Dach- und zweiten Obergeschoss erfolgen muss und eine ständig besetzte Stelle im Sekretariat während der Schulnutzung vorgehalten werden soll.

Ob die Schule demnächst komplett geschlossen werden muss, dazu äußert sich der Landkreis nur knapp: "Blick auf Schülerzahlen ergab zeitlich begrenzte Existenz der Schule."

3 Welche Brandschutzauflagen sind erforderlich? Wie hoch sind die Kosten? Keine Antwort des Landkreises.

4 Ist es richtig, dass die Stadt weiter Eigentümer des Gebäudes ist, der Kreis lediglich die Schulträgerschaft übernommen hat? Keine Antwort des Landkreises.

Nachfragen der Volksstimme an anderer Stelle als beim schweigenden Landkreis ergaben die Richtigkeit der Vermutung. Dies ist wohl auch der Grund, warum der Landkreis nötige Investitionen ablehnen wird.

5 Warum wird das Thema im Ausschuss nichtöffentlich behandelt? Antwort des Landkreises: "Schule ist stets ein sehr sensibles Thema, deshalb wollte die Verwaltung Schulausschuss und Kreistag zeitnah über den aktuellen Sachstand informieren, aber vor Schuljahresbeginn Schüler, Eltern und Lehrer nicht verunsichern, deshalb nicht öffentliche Informationsvorlage."

Dass der Landkreis aber mit seiner Geheimniskrämerei bei diesem "sensiblen Thema" genau das Gegenteil erreicht, scheint sich den Verantwortlichen vermutlich zu entziehen. Eltern, Schüler und Lehrer sowie die Bürger der Stadt sind aufgebracht. Sie wollen die Fakten wissen, denn Gerüchte gibt es schon genug. Zudem verstößt der Landkreis gegen den Paragrafen 39 der Landkreisordnung, der vorschreibt, welche Themen öffentlich und welche nichtöffentlich zu behandeln sind.

6 Wie viele Schüler besuchen derzeit die Schule? Keine Antwort des Landkreises. Schulleiter Klaus Vorreier hilft der Volksstimme weiter. Es sind derzeit 190 Kinder und Jugendliche.

7 Wie hoch ist die Mindestschülerzahl zum Betrieb einer Sekundarschule? Keine Antwort des Landkreises. Auskunftsfreudiger ist dagegen gestern das Kultusministerium gewesen. "An Einzelstandorten von Sekundarschulen sind laut Schulentwicklungsplanungsverordnung mindestens 20 Schüler für die Bildung einer Anfangsklasse (5) notwendig, sofern die Mindestschülerzahl 180 nicht unterschritten wird", so Sprecherin Karina Kunze.

8 Welche Schulen gibt es in der Umgebung, die die Barbyer Schüler nach einer möglichen Schließung aufnehmen könnten? Keine Antwort des Landkreises.

Infrage kommen die Sekundarschulen in Calbe und Schönebeck. Auch die Schule in Förderstedt soll schon Interesse bekundet haben. In der kommenden Woche gibt es unverbindliche Gespräche mit der Johannesschulstiftung, die auch in Gnadau und Großmühligen Privatschulen betreibt.

9 Muss die Schule wegen Brandschutzauflagen und zurückgehenden Schülerzahlen zum Ende des Schuljahres geschlossen werden? Keine Antwort des Landkreises.

Das selbst auferlegte Schweigelübde muss der Kreis bald brechen. Heute tagt der Schulausschuss in Bernburg, am kommenden Montag kommt der städtische Hauptausschuss in Barby zusammen.