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Seltenes Hobby Als die Bilder laufen lernten

Der Barbyer Ralph Gaßler hat ein relativ seltenes Hobby: Er sammelt Filmprojektoren.

Von Thomas Linßner 10.04.2016, 11:00

Barby l „Die größte Überraschung war für mich“, hebt der 62-Jährige die Augenbrauen, „als ich einen Privatfilm von Stan Laurel erwarb.“ Der britischer Filmkomiker (1890-1965) wurde als Teil des legendären Komikerduos Laurel und Hardy („Dick und Doof“) weltberühmt. Ralph Gaßler bezeichnet den Drei-Minuten-Film als „Beikauf“. Er hatte einen Projektor zusammen mit einem Stapel Filmen via Internet erstanden. Darunter befand sich der Laurel-Streifen, der private Bilder zeigt. „Das ist etwa so, als würde man bei einer Haushaltsauflösung zufällig einen paar Briefe von Heinz Rühmann erwerben“, vergleicht der Barbyer die Situation.

In seinem kleinen Haus im Magdeburger Tor wird mittlerweile der Platz knapp. Filmprojektoren nehmen schließlich physikalisch bedingt einen gewissen Raum ein. Aus diesem Grund entfährt es Ralph Gaßlers Ehefrau Roswitha schon mal gequält: „Wenn der doch nur Briefmarken sammeln würde ...“ Der Rundfunkmechanikermeister erfreut sich an der alten Technik aber nicht nur aus ästhetischen Gründen. „Die Projektoren müssen funktionieren“, so der Tüftler. Es ist für ihn eine Herausforderung, 80 Jahre alte Geräte wieder zum Laufen zu bringen. Dabei geht er auch technische Kompromisse ein, wenn verschlissene durch moderne Bauteile dezent ersetzt werden.

Filmeaufnehmen war in den Vorkriegsjahren eine teuere Angelegenheit, die gewöhnlich gut betuchten Zeitgenossen vorbehalten war. Doch gab es auch Leute, die es mit einem kleinen Geldbeutel schafften. Sie bastelten sogar ihre eigenen Projektoren, die zuweilen mehr als ein Jahresgehalt kosteten.

Auch bis zur Wende waren die Schmalfilmer noch relativ unter sich. Zu ihnen zählte ­Ralph Gaßlers Vater Erwin, der in den 1950er und 1960er Jahren neben privatem Familiengeschehen auch das seiner Vaterstadt Barby festhielt. Seine Filme sind ein Spiegel ihrer Zeit. Der ebenfalls private Rundfunkmechanikermeister machte schon 1957 mit der „AK 8“ die ersten Aufnahmen. Das Besondere war, dass seine Filme eine Tonspur besaßen, also nachsynchronisiert werden konnten. In der Pionierzeit liefen Projektor und Tonbandgerät freilich parallel zueinander und mussten zum selben Zeitpunkt eingeschaltet werden. Später konstruierte Gaßler eine biegsame Welle, mit deren Hilfe das Tonband die Projektordrehzahl steuerte.

Allein die Entwicklung einer Fünf-Minuten-Filmrolle kostete 16 DDR-Mark und dauerte drei Wochen. Erwin Gaßler produzierte nur etwa zehn Prozent Ausschuss. Was verglichen mit heutigen Video-Drehweisen fast gar nichts ist. Sohn Ralph hat die Liebe zu den bewegten Fotos also im Blut. Nur filmt er nicht selbst, sondern ist von Technik fasziniert, die aus einer Zeit stammt, als die Bilder laufen lernten.

Zur Sammlung zählt auch ein Projektor, der Filme mit Mittelperforation abspielen kann. Pathé-Filme der Breite von 9,5 Millimeter wurden seit 1921 vorwiegend in Frankreich verbreitet. Die Perforationslöcher ermöglichen den Weitertransport des Filmstreifens in der Kamera und im Projektor. Durch die Platzierung der Löcher in der Mitte konnte beinahe die gesamt Filmbreite zum Bespielen genutzt werden.

Früher bestanden die Filmrollen aus Zelluloid, das in den Fünfzigern durch den weniger entflammbaren Sicherheitsfilm ersetzt wurde. „Da lebte ein Filmvorführer nicht ungefährlich“, gibt Ralph Gaßler zu bedenken. Blieb der Film durch einen technischen Defekt hängen, brannte sich durch den Hitzestau ein Loch hinein und die ganze Filmrolle drohte zu explodieren. Außerdem dünsteten die Filmstreifen entzündliche Gase aus, so dass die Lagerung gut belüftet sein musste.

Der 62-Jährige finanziert sein Hobby mit der Restaurierung und dem Verkauf historischer Projektoren. Auch ein Barbyer Film gehört zur Sammlung, den er allerdings nie weggeben würde. In den 1970er Jahren drehte der Calbenser Filmclub einen 16 Millimeter-Streifen über die Elbestadt. Ein Arbeiterveteran erzählt Jungen Pionieren von früher. Viele Szenen aus dem Stadtleben sind zu sehen. Die Tonspur gibt allerdings leider keinen O-Ton wieder. Es wurde ein Lied des Maisan-Singeclubs in gefühlter Endlosschleife nachsynchronisiert.

 

Wer die Sammelleidenschaft von ­Ralph Gaßler unterstützen will: Telefon (03 92 98) 3935