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Alter Fund Antike Sammelbüchsen wieder in Barby

Nach 57 Jahren gelangen zwei Kollektebehälter der Barbyer Marienkirche an ihren Ursprungsort zurück.

Von Thomas Linßner 02.12.2017, 00:01

Barby l „Lang, lang ist‘s her. Nun habe ich mich durchgerungen! Ihr sehr schönes Innenfoto von der Marienkirche hat mich dazu gebracht, darüber nachzudenken, was mit den beiden Kollektedosen werden soll“, beginnt Walter Zühlsdorf (Name geändert) seinen Brief an die Volksstimme. Der ehemalige Barbyer sei nicht zuletzt von dem Volksstimme-Artikel „Kriegsschrott noch immer im Waldboden“ animiert worden, wo der Finder anonym blieb. „Ich möchte das auch. Andernfalls könnten die Leser falsche Schlüsse ziehen“, unterstreicht Herr Zühlsdorf, der in Barby aufwuchs und seine ersten drei Lebensjahrzehnte dort verbrachte.

Es geht um zwei gut erhaltene Kollektebehälter aus Messing, die früher in der Marienkirche standen. Sie stammen der Bauart nach vom Ende des 19. Jahrhunderts.

Nun sei es an der Zeit, sie dahin zu bringen, wo sie hingehören, schreibt der in Sachsen lebende Mann, dessen Name der Redaktion bekannt ist. Und er erzählt seine Geschichte, wie er an die beiden Kollektebüchsen kam.

Es sei um 1960 gewesen, als ein senkrecht stehender Holzstützbalken in Marienkirche erneuert werden musste. Er habe auf der Nordseite, gleich neben dem Altar, gestanden. Der junge Handwerker erledigte damals zusammen mit einem Verwandten die Reparaturarbeiten. „Wir holten mit dem Trabi-Kombi von der Schiffswerft Hennig eine Zahnstangenwinde, womit man in der Werft Schiffe anhob. Damit wurde der beschädigte Balken in der Kirche ausgewechselt.“

Derartige Arbeiten wurden zumeist von Freiwilligen erledigt, weil Fachfirmen für die Kirche „selten Kapazitäten“ hatten.

„Beim Verlassen der Kirche fiel mir ein Pferdewagen auf, auf dem jede Menge Baureste und Gerümpel lagen“, erinnert sich Walter Zühlsdorf. „Der Wagen hatte Holzspeichenräder und gehörte, wenn ich mich recht erinnere, der Firma Köntopp“. (Paul Köntopp und sein Vater hatten zu jener Zeit eine Pferdefuhrwerk-Spedition.) Weil er sich schon immer für „antike Teile“ interessierte und es zu schade fand, wenn sie auf dem Müll oder Schrott landeten, habe er sie einfach, ohne jemanden zu fragen, mitgenommen.

In den 1960er Jahren hatte sich die ästhetische Auffassung verändert, was das Innere von Gotteshäusern betraf. Kirchen wurden „ausgeräumt“, nicht selten Gestühl oder Seitenemporen heraus gerissen. Wie es zum Beispiel 1964/65 in der Calbenser Laurentiikirche geschah, was man damals „Modernisierung“ nannte. An den Barbyer Gotteshäusern ging diese Modernisierungswelle glücklicherweise vorbei. Dennoch wird man Ausstattungsgegenstände, wie die beiden Kollektebehälter, als nicht mehr zeitgemäß empfunden und sie 1960 dem Sperrmüll übergeben haben. Seitdem wird die Kollekte in ähnlichen, aber moderneren Messingbehältern oder Weidenkörbchen eingesammelt.

Über die Detail-Funktion der alten, 22 Zentimeter im Durchmesser betragenden Büchsen kann man sich so seine Gedanken machen. Beide eint, dass darin Geld gesammelt wurde. Nur verrät die Länge der Einwurf-Öffnungen einen unterschiedlichen Anspruch: Schlitz A ist fünf Zentimeter, Schlitz B elf Zentimeter lang. Büchse A hat ein mit Filz ausgelegten Boden. Man darf davon ausgehen, dass hier Hartgeld rein gesteckt wurde, das nicht so klappern sollte, wenn man es einwarf. In die ungepolsterte Büchse B - die, mit dem langen Schlitz - passten viel besser Geldscheine herein.

Das Messingdrahtgeflecht an der Oberseite erlaubte einen Blick in die Büchse, wenn der Kirchenbesucher am Ende des Gottesdienstes seinen Obolus versenkte. Hosenknöpfe oder Pimperlinge blieben den milden aber wachsamen Blick des kirchlichen Sammelbeauftragten nicht verborgen.

Diese Offenkundigkeit von Spendenbehältern hat sich bis heute erhalten, weil sich die Menschen ja auch nicht geändert haben.

Die betagten, aber schönen Kollektebehälter wurden dem Barbyer Pfarramt übergeben. Vielleicht putzt man wieder das blanke Messing hervor. Dann würde es in ihnen nach 57-jähriger Ruhe wieder rascheln und klimpern.

„Ich hatte mir auch überlegt, diese beiden Büchsen bei unserem nächsten Barby-Besuch ungesehen in der Kirche abzustellen“, so Walter Zühlsdorf, „doch die Lösung, sie halbwegs öffentlich zurückzugeben, scheint mir praktikabler.“