1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Arbeitskampf in Zeiten von Corona

Ameos Arbeitskampf in Zeiten von Corona

Die Linke hat mit Gewerkschaftern und Betriebsräten über die Zukunft der Krankenhauslandschaft und Tarifverträge im Salzlandkreis diskutiert.

Von Jan Iven 02.05.2020, 01:01

Schönebeck/Staßfurt/Aschersleben l Gewerkschafter Bernd Becker musste die Ameos-Betriebsräte fast schon ein bisschen bremsen. „Wir führen immer noch Gespräche mit Ameos“, versicherte der Verdi-Mann in dieser Woche bei einer Gesprächsrunde über die Zukunft der Krankenhauslandschaft im Salzlandkreis. Die Linke hatte Politiker, Gewerkschafter, Ameos-Betriebsräte und Medienvertreter zu der Veranstaltung in der Kreismusikschule geladen. Vor allem die Betriebsräte machten dabei ihrem Ärger Luft, dass ein Tarifvertrag nach dem wochenlangen Streik Anfang des Jahres immer noch auf sich warten lässt.

Doch wegen der Corona-Pandemie seien die Gespräche zwischen Verdi und Ameos nur noch eingeschränkt möglich. Vor allem werde per E-Mail miteinander kommuniziert „Wir wollen erst einmal eine kurzfristige Lösung für das erste Jahr finden, damit die Krankenschwestern bald mehr Geld bekommen“, sagte Becker, der für Verdi Verhandlungsführer ist. Ziel sei eine Vereinbarung ab Mai 2020 bis Juni 2021 – gegebenenfalls auch rückwirkend.

Verdi fordert eine gestaffelte Lohnerhöhung von acht Prozent für das Personal in den Ameos-Kliniken in der Region. „Nach einem ersten Ergebnis haben wir wieder mehr Zeit für Verhandlungen über einen richtigen Tarifvertrag“, sagte der Verdi-Vertreter. Ein solcher Vertrag laufe über mehrere Jahre und beinhaltet auch Regelungen zu Urlaub und Arbeitszeiten – und sei daher aufwendiger zu verhandeln. Auch der Ameos-Konzern bestätigt auf Nachfrage der Volksstimme die vorläufigen Verhandlungen und spricht von „konstruktiven“ Gesprächen.

Doch die Mitarbeiter und Betriebsräte der Ameos-Kliniken der Region verlieren immer mehr die Geduld. „Das Vertrauen in den Arbeitgeber liegt im negativen Bereich“, sagte Betriebsratschefin Iris Hahn aus der Klinik in Bernburg. Trotz Corona-Pandemie und Gespräche mit der Gewerkschaft habe Ameos zuletzt vier Mitarbeiter in Bernburg gefeuert.

Die Kollegen seien geschockt. Nach den anfänglich guten Gesprächen sei man inzwischen nur noch enttäuscht vom Arbeitgeber. „Eine Kollegin arbeitet jetzt in Berlin und hat sich dort eine Zweitwohnung genommen. Finanziell steht sie trotzdem besser da“, sagte Betriebsrätin Iris Hahn.

Der Betriebsratsvorsitzende der Schönebecker Kliniken, André Koch, berichtete von einer ähnlichen Situation: „Viele Mitarbeiter kündigen“, sagte Koch. „Wenn ich mal im Krankenhaus in Magdeburg bin, treffe ich dort viele ehemalige Kollegen.“ Denn dort würden Krankenschwestern schon mal 500 Euro mehr im Monat verdienen.

Ähnlich sieht es in Aschersleben aus. „Ich würde am liebsten weiter streiken. Denn wir erleben jetzt, dass immer mehr Krankenschwestern die Klinik verlassen“, sagte Arzt und Betriebsratsmitglied Holger Waack. Der Mediziner war zwischenzeitlich von Ameos beurlaubt worden, konnte jedoch vor Gericht seine Rückkehr durchsetzen. Von den Streiks sei eine Aufbruchstimmung fast wie zu Wende-Zeiten ausgegangen. „Das verpufft jetzt alles“, sagte er.

Doch von Streiks hält selbst Verdi-Gewerkschafter Bernd Becker zumindest in Zeiten von Corona wenig. „Ein Arbeitskampf wäre gerade nicht vermittelbar“, fürchtet Bernd Becker. Sprich: Die Solidarität, die die Bevölkerung den streikenden Krankenschwestern noch vor ein paar Monaten hat zukommen lassen, würde sich während der Pandemie wohl eher in Grenzen halten. So gab es etwa in den USA wütende Reaktionen aus der Bevölkerung auf Krankenhausmitarbeiter, die für ausreichend Schutzausrüstung demonstriert hatten. Bei Ameos fühlen sich die Mitarbeiter daher gerade auch „entwaffnet“: Das Mittel des Streiks stehe ihnen wegen der Corona-Pandemie nicht mehr zur Verfügung.

Beim Ameos-Konzern, der nicht zu der Veranstaltung der Linken eingeladen war, wird die aktuelle Situation hingegen anders bewertet. So wird etwa zurückgewiesen, dass zurzeit besonders viele Mitarbeiter kündigen würden. „Nein, das stimmt nicht“, sagte Frank-Ulrich Wiener, Regionalgeschäftsführer von Ameos Ost. „Die Personalfluktuation in den Häusern der Region Ameos Ost ist auf dem für das Krankenhauswesen absolut üblichen Niveau.“

Zu möglichen Entlassungen teilte der Geschäftsführer mit: „Es ist durchaus schon immer üblich, dass Mitarbeitende während der Probezeit das Unternehmen verlassen.“ Dafür gebe es verschiedene Gründe, die auf beiden Seiten liegen können. Und: „Unser Personalstand unterliegt einer ständigen Fluktuation und ist somit stets in Bewegung. Es gibt ständig eine Vielzahl von Ein- und Austritten.“ Konkrete Zahlen wurden allerdings nicht genannt. Zu den aktuell mit Verdi geführten Gesprächen sagte der Ameos-Geschäftsführer, dass das Ziel eine wirtschaftlich tragbare Vereinbarung sei.

Im Austausch mit den Ameos-Betriebsräten präsentierten die Linken auch ihr neues Positionspapier mit dem Titel „Patientenwohl statt Profite“. Darin spricht sich die Partei dafür aus, dass Krankenhäuser wieder einer marktwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden sollen. Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, zeigte sich dabei auch selbstkritisch. „Auch die Linken haben in der Vergangenheit teilweise für Privatisierungen gestimmt. Wir können uns da nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagte der Bundespolitiker.

Die Linke fordern nun, dass die Gewinne der privaten Krankenhäuser vor allem in Investitionen und Gehaltsentwicklungen investiert werden sollen. Zudem sollte eine landeseigene Krankenhausgesellschaft gegründet werden, die die Investitionen in die Kliniken finanziert. „Wer mehr für den Schutz der Gesundheit tun will, kommt nicht umhin, die unternehmerische Freiheit, damit Geld zu verdienen, einzuschränken“, heißt es in dem Papier der Linken.

Gleichzeitig sei eine einfach Rekommunalisierung, sprich Verstaatlichung oder Rückkauf, auch keine kurzfristige Lösung. Denn die Kommunen und Kreise hätten schließlich auch nicht genügend Geld, um diese Aufgabe wieder zu übernehmen. Deswegen hatten sie die Krankenhäuser in der Vergangenheit auch verkaufen müssen. „Jede Lösung kann nur Schritt für Schritt erfolgen“, sagte Bartsch.

Gewerkschafter Bernd Becker, sprach sich grundsätzlich dafür aus, den Konzernen jeglichen Anreiz zu nehmen, Krankenhäuser zu übernehmen. „Es sollte einfach verboten sein, Gewinne mit Krankenhäusern zu erzielen“, sagte er. Dann wären Kliniken für Unternehmen, die bis 15 Prozent Rendite fordern, schnell uninteressant. Seite 4