Ehemalige Mitarbeiter der Flugzeug- und Motorenwerke AG erinnern sich Arbeiten bei Junkers: "Die Zeit hat uns geformt"
Ehemalige Mitarbeiter des Junkerswerkes treffen sich am 25. Juni wieder in der Elbestadt. Beim nunmehr 16. "Junkers-Treffen" werden sie Jugendlichen der Lerchenfeld-Sekundarschule von der Zeit vor 60 Jahren berichten.
Schönebeck. Zeitzeugen einer bewegenden Zeit sind Margarete Böhnke und Hilda Zander. Die beiden betagten Damen haben vor über 60 Jahren in den Junkerswerken in der Barbarastraße gearbeitet. Noch heute erinnern sich die Schönebeckerinnen gut an diese "schwere", aber auch "schöne Zeit". Es war ihre Jugend, als sie den Zweiten Weltkrieg erlebt haben. "Ich kenne alle Keller im Hotel Astoria", nennt Margarete Böhnke mit einem stolzen Unterton den eher befremdlichen Fakt. Schließlich musste sie sich als junges Mädchen immerzu Unterschlupf suchen, wenn Fliegeralarm ausgelöst wurde. Nicht nur in der Freizeit. Margarete Böhnke hat in der Telefonzentrale bei Junkers gearbeitet. "Wenn die Flieger kamen, haben wir die Schreibmaschinen abgestellt und sind über den Damm in den Wald gelaufen", berichtet die heute 84-Jährige. Junkers hatte keinen Bunker.
Ähnliche Erinnerungen hat auch die 85-jährige Hilda Zander. "Ich habe als Laufmädchen angefangen. Dann kam der Krieg und ich musste an den Bohrmaschinen arbeiten", berichtet sie. Sie spricht auch offen aus, an das sich manch Zeitzeuge heute nicht mehr erinnern können mag. "Ich war mit Zwangsarbeitern an der Bohrmaschine eingeteilt", sagt die 85-Jährige frei heraus. "Die hatten immer wenig zu essen." Deshalb habe Hilda Zander gern etwas abgegeben. Was aber keiner wissen durfte. "Und dann hat mein Vorarbeiter das spitz gekriegt und mich verraten", erinnert sie sich und fügt mit einem resignierten Ton hinzu: "So schlecht können die Menschen sein."
Von solch traurigen Episoden lassen sich die beiden Damen jedoch nicht ihre Erinnerungen an ihre Jugend verderben. "Es war eine schöne Zeit", sind sich beide einig. So berichtet Margarete Böhnke mit ihrem mädchenhaften Grinsen von den Tagen, wenn sie durch die Werkshallen ging, um den Mitarbeitern diverse Schriftstücke zu bringen. "Der Herr Lotzing hat mir immer hinterher gepfiffen." Die heute 84-Jährige hat von 1942 bis 1945 bei Junkers gearbeitet. "Danach war ich Erzieherin in der Heinrich-Heine-Kindertagesstätte", sagt die zierliche Frau.
Vor allem schwärmt sie von der Ausbildung in dem Zweigwerk der Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG. "Beim Fahnenappell standen die Lehrlinge immer geschniegelt in ihren Schlosseranzügen da", beschreibt sie ein Bild, das sie auch 60 Jahre später noch gut vor Augen hat. Besonders bei Junkers sei ihrer Meinung nach das Sozialgefüge gewesen. "Ich habe nie bereut, in dem Werk gearbeitet zu haben."
Hilda Zander, die später unter anderem im Sprengstoffwerk tätig war, will an ihre Jugend auch lieber im Guten im Gedächtnis behalten. So sehr sie das auch betont, so kommt sie offenbar nicht drum herum, dass sie während des Erzählens andere denkwürdige Erlebnisse wieder vor Augen geführt werden. "Nach dem Krieg musste ich auch Kisten packen, die von Junkers dann nach Russland abtransportiert wurden", beginnt die 85-Jährige zu erzählen. "Auf eine Kiste habe ich ausversehen die falsche Zahl geschrieben, was darin ist. Da wurde mir gleich Sabotage vorgeworfen." Daraufhin ergänzt Margarete Böhnke: "Die Zeit hat uns geformt."
Am Sonnabend, 25. Juni, werden die beiden Damen wieder am "Junkers-Treffen" teilnehmen. Seit 16 Jahren lädt Frank Schiwek vom Behindertenverband Schönebeck ehemalige Mitarbeiter des Junkerswerkes in die Elbestadt ein. Am 25. Juni werden sie unter anderem die Schönebecker Maschinenbau und Schönebecker Fahrzeugbau GmbH auf dem Gelände der ehemaligen Junkerswerke besuchen. Außerdem haben sich Mädchen und Jungen der Lerchenfeld-Sekundarschule angekündigt, die bei der Gelegenheit mit den Zeitzeugen ins Gespräch kommen wollen.