Asylbewerber Aus Angst vor den Taliban ...
Die Schönebeckerin Cornelia Rehfeld betreut Familien aus Afghanistan und Syrien. Beim Verein Kaleb ist sie Soziallotsin.
Schönebeck l Von „meinen Afghanen“ spricht Cornelia Rehfeld liebevoll, wenn die Rede von jenen zwei Familien ist, mit denen die Schönebeckerin seit zwei Jahren befreundet ist. Angefangen hat alles eher zufällig. Zahre und Mina, zwei Frauen aus Afghanistan, waren gerade frisch in Deutschland angekommen. Beide waren hochschwanger. Beide konnten kein deutsches Wort und sie wussten nicht, wie sie in dem für sie fremden Land zurechtkommen sollen. Bei dem Verein „Kaleb“ an der Straße der Jugend fanden sie Hilfe. Denn hier lernten sie Cornelia Rehfeld kennen, die sich ehrenamtlich für den Verein einsetzte.
„Ich habe die Frauen zu Ärzten und zum Amt begleitet“, zählt die Schönebeckerin die Sachen auf, die am Anfang das dringlichste Problem darstellten. Dabei blieb es nicht. Die Frauen, deren Männer bei der Flucht aus Afghanistan noch in Griechenland feststeckten, lebten anfangs in einer Wohnung zusammen. „Sie hatten sich in der zentralen Anlaufstelle in Halberstadt kennengelernt“, berichtet Cornelia Rehfeld. Seither sind die beiden 25-Jährigen beste Freundinnen.
Inzwischen können sie deutsch verstehen und sprechen - auch wenn es noch etwas holprig ist. Und inzwischen haben beide Frauen ihre Männer bei sich. Die Familien sind also komplett. „Wir fühlen uns wohl hier in Schönebeck“, sagt Zahre Hasseini. Sogar pudelwohl fühlt sich die siebenjährige Elaha. Sie besucht die Kindertagesstätte „Marienheim“ und hat „schon ganz viele Freunde“. Nicht nur das. Sie spricht gut deutsch und kann sogar schon ein wenig schreiben.
„Manchmal hatte ich das Gefühl, dass Elaha schon besser deutsch kann als ihre Eltern“, sagt Cornelia Rehfeld schmunzelnd. Eigentlich eine logische Schlussfolgerung. Denn die Siebenjährige ist täglich im Kontakt mit Deutschen - da lernt sich die Sprache fast von allein. Im Sommer soll sie eingeschult werden. Ihre Eltern hingegen müssen sich ihre Sprachkenntnisse erarbeiten. Dafür besuchen sie zwei Sprachkurse, die ehrenamtlich bei dem Verein „Kaleb“ angeboten werden. „Die zwei Mal reichen nicht aus“, sagt Familienvater Ahmad Masih Habibi. Doch es sei schwer für Flüchtlinge, in einen Deutschkurs zu gelangen. Mehr als 2000 Asylbewerber sind im Salzlandkreis derzeit untergebracht. Die Kurse, die durch das Betreuungskonzept des Salzlandkreises gefördert werden, sind ausgebucht. Für den 26-Jährigen heißt das nicht, sich auf die faule Haut zu legen.
Unter anderem engagiert er sich ehrenamtlich für den Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Und in Zukunft? Ein Job wäre schön, sagt er. Was genau? Das weiß er nicht. Denn: Ahmad Masih Habibi kann keinen erlernten Beruf vorweisen. Gemalert habe er und Autos repariert. Und eine Berufsausbildung? Das kann er nicht. Selbst an der schulischen Bildung hapert es. „In Afghanistan habe ich keine Schule besucht“, sagt er. So habe er hier in Deutschland komplett bei Null anfangen müssen, da er und seine Frau als Analphabeten galten.
Das macht es Cornelia Rehfeld nicht leichter. Als sie begann, sich um die afghanische Familie zu kümmern, gab es das Konzept der Soziallotsen im Salzlandkreis noch gar nicht. Als sie von diesem neuen Ehrenamt Anfang 2015 hörte, war für sie schnell klar: „Das ist das, was ich schon mache, also melde ich mich als Soziallotsin.“ Gesagt, getan. Seit dem Frühjahr 2015 unterstützt sie mehrere Familien gleichzeitig. Und das neben ihrem Job. Sie kommt zwar aus dem sozialen Bereich, ihr Ehrenamt ist trotzdem nicht selbstverständlich.
„Man muss auch auf sich selbst achten“, sagt sie. Dadurch, dass die meisten Flüchtlinge nahezu komplett hilflos sind, wenn sie in Deutschland ankommen, sei der Aufwand zu Beginn sehr groß. „Am Anfang habe ich die Familien beispielsweise nach Bernburg begleitet, wenn sie dort zum Amt mussten“, erzählt sie. Heute traut sich Ahmad Mashi Habibi allein zu, mit dem Zug in die Kreisstadt zu fahren. Oder der Handykauf, erinnert sich Cornelia Rehfeld, sei ebenfalls aufwendig und nervenaufreibend gewesen. Selbst beim Einkaufen war damals Hilfe nötig.
„Anfangs war ich fast täglich bei der Familie“, erinnert sich die Schönebeckerin. Heute, nach zwei Jahren, muss das nicht mehr sein. Das kann die Schönebeckerin auch nicht leisten. Denn als Soziallotsin soll sie nicht nur für eine Familie verantwortlich sein. „Ich betreue gerade noch syrische Familien und zwei neue afghanische Familien“, berichtet sie. Gleichwohl gibt sie zu, dass der Kontakt zu den Familien von Zahre und Mina deutlich enger ist. Als familiär und freundschaftlich bezeichnet sie die Beziehung. „Wir haben schon füreinander gekocht, mein Mann war mit hier...“, berichtet Cornelia Rehfeld.
Wenngleich ihre „Dienste“ bei den beiden Familien inzwischen nicht mehr derart akut nachgefragt sind, so ist sie nicht müde, ihren Schützlingen immer wieder Hinweise zu geben. Zum Beispiel nicht so viel heizen. Doch die Afghanen haben die Heizung lieber auf Anschlag und laufen dafür barfuß durch die Wohnung. „Das liegt am Klimawechsel“, sagt Cornelia Rehfeld. „In Afghanistan ist der Sommer sechs Monate lang heiß, dann gibt es noch drei Monate milden Sommer“, sagt Zahre Hasseini an dieser Stelle. Deutschland sei für sie recht kühl.
Gemeint ist nur das Wetter. Negativerfahrungen, die in Richtung Fremdenhass tendieren, habe die Familie bisher nicht erlebt. „Wir wurden nicht beschimpft und haben nette Nachbarn“, sagt der Familienvater. Sie wollen gern in Deutschland, in Schönebeck bleiben. Bis heute ist aber ihr Aufenthaltsstatus noch ungeklärt. Sie gelten nach wie vor als Asylbewerber.
Warum sind sie überhaupt aus ihrem Heimatland geflohen? „Die Taliban wollten mich werben“, blickt der Familienvater auf jene Zeit vor mehr als zwei Jahren zurück. Dieser Aufforderung ist er jedoch nicht gefolgt. Die Folge: Ahmad Masih Habibi und seine Frau konnten nicht mehr sicher in Afghanistan leben, wie sie versichern. Also flohen sie, obwohl Zahre schwanger und ihre erstgeborene Tochter Elaha gerade einmal vier Jahre alt war. Die Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit ist größer gewesen.