Auszubildende Handwerk - unbeliebt

Handwerk hat goldenen Boden? Unter Jugendlichen ist eine Ausbildung unbeliebter denn je. Ein Blick nach Biere.

Von Sebastian Rose 25.06.2019, 11:05

Biere l Bernd Schwarz und Sohn Michael sitzen im Büro. Nachdenklich schaut der Seniorchef der Bierer Bäckerei Schwarz aus dem Fenster. Sein Sohn, seinerseits Geschäftsführer des Handwerksbetriebes, sitzt vor dem Schreibtisch. „Früher gab‘s mehr“, erklärt der Seniorchef. Michael Schwarz nickt. „Auch die schulische Ausbildung hat sich bei vielen verschlechtert“, ergänzt er.

Gemeint sind die Auszubildenden. Für viele Handwerksbetriebe wird es seit Jahren immer schwerer, geeignete Gesellen zu finden.

Auch Yves Anders kann davon ein Lied singen. Der Mitarbeiter der Anders Gabelstapler Gesellschaft hat ebenso wie die Bierer Bäckerei mit Nachwuchssorgen zu kämpfen. „Auch wir haben Probleme, geeignete Bewerber zu finden“, so der Chef der Gabelstaplerfirma, die ebenfalls in Biere angesiedelt ist.

„Im Moment haben wir einen Azubi hier, mit dem wir auch zufrieden sind“, erläutert er. „Schön wäre es jedoch, wenn wir jedes Lehrjahr mit einem lernwilligen, jungen Menschen besetzten können.“

Ausnahme in Bördeland ist die Agrargenossenschaft Mühlingen. Laut Sonja Schuchhardt, Buchhalterin im Unternehmen, waren und sind sie nicht auf der Suche, Beschäftigen trotzdem einen Auszubildenden zur Fachkraft Agrarservice , der sich in Eigeninitiative beworben hat.

Yves Anders und die Bierer Gabelstaplerfirma suchen im Moment nach neuen Möglichkeiten, einen neuen Azubi zu finden. Start ist im September. Nun wurden neue Wege

Durch Yves Anders eingeleitet, um noch einen Auszubildenden für die Stelle als Nutzfahrzeugmechatroniker zu finden.

„Wir haben uns beim Ausbildungswegweiser Salzlandkreis angemeldet und sind dort nun gelistet“, so Anders weiter. „Außerdem haben wir extra einen Personalrecruiter engagiert.“ Die Betriebe nehmen immer neue Hürden auf sich, um Bewerber zu finden. Das kostet Zeit und oftmals auch Geld. Kleinere Betriebe können diese Aufwendungen nicht immer stemmen.

Bernd und Michael Schwarz äußeren zudem, dass in einigen Augen der Handwerksberuf nicht mehr viel wert sei. „Das beste Beispiel ist die Dame in einer Supermarktkette, die zu ihrem Sohn meinte, dass er sich bloß in der Schule anstrengen soll, sonst endet er hinter der Fleischtheke als Verkäufer.“ Dieser Fall sorgte bundesweit für Aufsehen.

Der Filialleiter der betroffenen Supermarktkette veröffentlichte den Fall und nahm die angesprochene Fleischereifachverkäuferin in Schutz. Dennoch äußerten sich im Anschluss viele Betroffene, dass genau dieses Beispiel die generelle Situation auf dem Azubimarkt widerspiegelt.

Lösungen müssen auf Seiten der Politik und den Schulen gefunden werden, da sind sich die befragten Geschäftsführer und Chefs einig.

Michael Schwarz merkt an, dass in den Schulen wenig praxisbezogen unterrichtet wird. Yves Anders nimmt zudem die Politik in die Pflicht. „Die handwerkliche Ausbildung muss den jungen Leuten wieder schmackhaft gemacht werden und gesellschaftlich mehr Anerkennung finden.“ Außerdem berichtet er, dass viele Jugendliche überhaupt nicht wissen, was sie nach der Schule anfangen sollen.

Diese Erfahrung hat auch Jasmin Lichtenberg gemacht. Nach der Schule hat sie sich nach eigenen Aussagen „aus Jux“ einfach mal beworben. Der Freund arbeitet auch im Betrieb und meinte zu ihr, dass sie sich doch mal bewerben solle. „Und weil das Probearbeiten gut lief, habe ich hier meine Ausbildung angefangen“, erklärt sie.

Ihr Vorgesetzter, Michael Schwarz, ist zufrieden und freut sich über die „Azubine“ im ersten Lehrjahr. „Wir haben aber schon andere Erfahrungen gemacht.“

Auch Yves Anders kann von mangelhaften Leistungen in der Berufsschule, überzogenen Erwartungen an Urlaubs- und Arbeitszeit und einer generellen schlechten Arbeitsleistung berichten.

Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks ermittelte nun Zahlen, die den Rückgang der Auszubildenden speziell in der Bäckerei dokumentieren. Im Land Sachsen-Anhalt sind seit 2007 die besetzten Azubistellen um ganze 76,32 Prozent zurückgegangen. Der Bundesdurchschnitt liegt im selben Zeitraum bei 57 Prozent. Einzig Thüringen ist mit 77,03 Prozent noch schlechter mit Bäckereiazubis bestückt.

Dazu gingen noch die Anzahl der Bäckereibetriebe bundesweit zurück. In Sachsen-Anhalt gibt es seit 2007 genau 28,13 Prozent weniger Betriebe. Ein trauriger Spitzenwert in Mitteldeutschland.

Dennoch ist eher ein Konzentrationsprozess zu erkennen, so Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands, im MDR-Magazin „Umschau“. Es sei so, dass kleinere Mitbewerber aufgeben würden. Die Filialen würden oftmals von weitaus größeren Mitbewerbern übernommen und weitergeführt, so Schneider weiter. Ein Umsatzplus sei dennoch zu erkennen.