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Betrug Freispruch im Bitcoin-Prozess

Ein Angeklagter aus Schönebeck wird das Opfer eines Datendiebstahls.

Von Jan Iven 27.05.2020, 17:58

Schönebeck l Es sah zunächst nach einem alltäglichen Betrugsfall im Internet aus. Nach den Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll ein 50-jähriger Schönebecker im Mai 2017 vier Autositze auf einer Internet-Plattform zum Verkauf angeboten haben. Ein Käufer überwies den vereinbarten Preis von 1250 Euro auf ein Konto des Verkäufers – doch die Ware wurde nie geliefert. Der geprellt Käufer erstattete Anzeige. Und nun musste sich der mutmaßliche Verkäufer wegen Betruges im Internet am Amtsgericht Schönebeck verantworten. Das Geld war auf sein Konto überwiesen worden. Der Fall schien eindeutig zu sein.

Doch von Anfang an gab es auch Zweifel in dem Verfahren. Dass ein berufstätiger Mann ohne jegliche Vorstrafen im Alter von 50 Jahren plötzlich straffällig werden soll, hatte den Richter gleich zu Beginn des Verfahrens stutzig gemacht. Die Ausführungen des Angeklagten, der sich völlig ahnungslos zeigte, trugen auch nicht zur Aufklärung des Falls bei und rangierten irgendwo zwischen merkwürdig und verdächtig. Das Konto, auf das der Kaufpreis überwiesen worden wurde, war zwar auf seinen Namen eröffnet worden. Doch Angaben dazu konnte er nicht machen. Stattdessen verwies er auf seine Ehefrau, die sich um sein Konto kümmern würde. Der Angeklagte wirkte auch nicht wie jemand, der einen Betrug im Internet organisieren könnte.

Und so konnte der Tathergang im Laufe der Verhandlung erst nach und nach ermittelt werden. Am Ende forderte auch der Staatsanwalt einen Freispruch für den Angeklagten. Denn anstatt im Internet zu betrügen, war der Mann offenbar selbst zum Opfer eines Betrügers geworden.

Alles hatte damit begonnen, dass sich das Ehepaar vor drei Jahren um einen Kredit bemüht hatte. Lange Zeit vergeblich, denn der Schönebecker hatte einen negativen Schufa-Eintrag. Doch dann stieß das Ehepaar auf ein vermeintliches Angebot einer Münchener Internet-Bank, bei dem keine Schufa-Abfrage erfolgen sollte. Einzige Voraussetzung: Der Angeklagte sollte ein Konto bei der Bank eröffnen. Das tat seine Ehefrau dann auch mit seiner Erlaubnis. Daraufhin geschah erst einmal nichts. Auch von dem Kreditangebot hörte das Ehepaar nie wieder etwas. Stattdessen gab es einige Wochen später eine Vorladung von der Polizei zur Vernehmung wegen des Betruges um die nicht gelieferten Reifen. Der Angeklagte fiel aus allen Wochen.

Richter und Staatsanwalt am Amtsgericht kamen nun zu folgendem Schluss: Das falsche Kreditangebot war offenbar von einem bisher unbekannten Betrüger ins Internet gestellt worden. Das Konto, dass der Angeklagte daraufhin bei der Internet-Bank eröffnet hatte, war hingegen echt. Doch bei der vermeintlichen Kreditanbahnung mit dem Betrüger gab das Ehepaar offenbar alle Daten für das neue Konto preis.

Daraufhin verkaufte der unbekannte Betrüger die nicht vorhandenen Reifen an den geschädigten Käufer und ließ das Geld auf das neue Konto des Angeklagten überweisen. Noch am selben Tag griff der Betrüger mit den ergaunerten Daten des Angeklagten auf das neue Konto zu und kaufte mit dem Geld die Internet-Währung Bitcoin bei einem Handy-Verkäufer in Detmold in Nordrhein-Westfalen ein.

Dieser Händler steht nun im Verdacht, für den Betrug verantwortlich zu sein. Die Staatsanwaltschaft hat bereits angekündigt, ein Verfahren gegen ihn einleiten zu wollen.

Richter und Staatsanwalt rieten dem Angeklagten nach dem Freispruch noch einmal sehr eindringlich, keine Daten im Internet preiszugeben. Auch Kreditangebote ohne Schufa-Prüfung seien nicht seriös. Selbst im Internet seien Darlehen nur nach einer ordentlichen Prüfung zu erhalten. Der Freispruch ist bereits rechtskräftig.