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Kurzdarm-Syndrom Charlotta Nagel (7) aus Biere leidet am Kurzdarmsyndrom

Das Mädchen aus dem Bördeland will wieder an die Ostsee. Der Urlaub tut dem Mädchen mit Kurzdarmsyndrom gut. Für einen neuen Bulli werden Spenden benötigt.

Von Andre Schneider Aktualisiert: 9.4.2021, 08:51

Biere/Bördeland. Charlotta wirkt schüchtern, als der fremde Mann mit der Kamera ins Haus kommt. Sie sitzt auf dem Arm ihrer Mutter und schaut verlegen. Eine ganz normale Situation, wie es scheint. Doch normal ist im Alltag von Familie Nagel nichts.

Die Krankheit der siebenjährigen Tochter Charlotta prägt die Tage von Mutter Tanja, Vater Stefan und und Bruder Janosch. Charlotta, oder Lotti, wie sie alle liebevoll nennen, leidet seit ihrer Geburt am Kurzdarmsyndrom. Durch einen operativen Eingriff direkt nach der Geburt entfernten Ärzte 70 Prozent von Charlottas Dünndarm. Das hat schwere Folgen.

Alltag zwischen Leben und Tod

Das Mädchen aus Biere muss mittels Infusionen über einen Venen-Katheter ernährt werden. „Wenn es damit Probleme gibt, kann es gefährlich werden“, erklärt Mutter Tanja. Ein geregelter Alltag ist für die vierköpfige Familie und Oma Swetlana Müller, die so gut es geht unterstützt, kaum möglich. „Für uns ist jeder Tag anders“, fügt Stefan Nagel hinzu. Was andere als Wunschvorstellung von einem erfüllten Leben angeben würden, ist für die junge Familie eine wahre Herkules-Aufgabe. Wenn der Tag zu Ende geht, fängt „die Arbeit“, wie Tanja Nagel sagt, erst richtig an. Mit höchster Sorgfalt bekommt Charlotta dann über Nacht ihre künstliche Nahrung. Jedes Mal ein Kraftakt für Kind und die Eltern.

Grundschulunterricht, für andere Kinder selbstverständlich, wird für Charlotta ebenfalls zum Kraftakt. Die Treppen in einer Grundschule der Gemeinde wurden für sie zum unüberwindbaren Hindernis. Seit Anfang des Jahres besucht sie eine spezielle Schule in Magdeburg. „Da fahre ich immer mit dem Fahrstuhl“, sagt Charlotta, nachdem sie etwas mutiger geworden ist. „Die neue Schule tut ihr wirklich gut“, bestätigt ihre Mutter.

Regelmäßig in die Uni-Klinik Magdeburg

Nach Magdeburg fährt die Familie regelmäßig, meist zwei Mal die Woche. Die Siebenjährige muss dann in der Uni-Klinik behandelt werden. Dorthin kommen nur drei Kinder mit dem Kurzdarmsyndrom. Einmal, erinnert sich Tanja Nagel, gab es Probleme mit dem Katheter ihrer Tochter. „Da bin ich mit 180 durch Magdeburg gebrettert.“ Eine Situation, die sie nie wieder erleben möchte, die aber immer wieder auftreten kann, wie sie erklärt. Ein weiteres Problem, das den Alltag immer wieder unnötig spannend macht.

Die Familie hat etwas gefunden, was sie den stressigen Alltag besser bewältigen, sogar für eine Zeit lang vergessen lässt. Charlotta liebt die Ostsee. „Wir versuchen, mindestens einmal im Jahr dort hinzufahren“, sagt Stefan Nagel. „Dort blüht sie richtig auf“, ergänzt Ehefrau Tanja. „Sie ist dann eine Woche lang wie ausgewechselt.“

Neuen Bulli mit Crowdfunding

So weit, so gut. Doch die Familie hat ein Problem. Sie benötigt ein großes Auto, am besten einen Bulli. Die Ausrüstung, die Charlotta auch im Urlaub zum überleben braucht, ist sperrig und nimmt jede Menge Platz ein. Etliche Kisten an Medikamenten, Infusionsständer und Kühlboxen gehören für die Siebenjährige ins Reisegepäck. Die Familie hatte Pech. Ihr Großraumfahrzeug, das sie sogar noch abbezahlen, ist kaputt – Motorschaden, nicht mehr zu reparieren.

Um dem Mädchen ein paar sorgenfreie Tage zu ermöglichen, muss also ein neues Großraumgefährt für die Familie aus Biere her. Eine Freundin hat vor ein paar Tagen einen Spendenaufruf im Internet gestartet. Auf der Seite „gofoundme“ können Privatpersonen oder Firmen einen Betrag nach Wahl spenden. Dabei können sie ihren Namen eingeben oder komplett anonym bleiben. 15?000 Euro, so schätzt Tanja Nagel, benötigen sie für einen neuen Bulli. Bis gestern Mittag hatten bereits die ersten Personen gespendet. Bisher haben sieben Spender rund 500 Euro zusammengetragen.

Ein Moment Normalität in Biere

Zuschüsse von der Krankenkasse gibt es für diese Anschaffung nicht. Immerhin werden die sehr teuren Medikamente komplett übernommen. „Das war eine Menge Papierkram“, berichtet Stefan Nagel. Aber das entlastet Eltern und Kinder sehr. Entlastung von ihrem schwierigen Alltag findet Charlotta ab und zu. Nachdem der fremde Mann mit der Kamera ein Familienfoto gemacht hat, taut das kleine Mädchen auf. Sie setzt sich auf den Boden und spielt mit dem neuesten Familienmitglied: Balu. Während sie den jungen Hund streichelt, kehrt für einen Moment Normalität in das Leben des Mädchens und in den Alltag der Familie aus dem Bördeland ein.

Infos über Crowdfunding

Crowdfunding setzt auf die Macht der Vielen: Es nutzt Internet und soziale Netzwerke als leistungsstarke Mittel zum Spenden sammeln, Überwinden von Hürden und Erreichen ehrgeiziger Ziele. Mit einer Crowdfunding Kampagne können Nutzer einen einzelnen Freund, aber auch eine ganze Gruppe unterstützen.

Die Anliegen sind dabei egal: Medizinische Behandlungen, Stipendien oder andere Spendensammlungen sind möglich. Dabei wenden sich die Projektinitiatoren direkt an die Öffentlichkeit, um möglichst viele Interessenten für eine gemeinschaftliche Finanzierung zu gewinnen. Bei manchen Crowdfunding-Modellen erhalten Nutzer Gegenleistungen. Beim Spenden ist dies anders – Spender geben uneigennützig.

Die Spendenseite für Charlotta finden Nutzer hier: https://au.gofundme.com/f/ein-auto-fr-charlotta